Dienstag, Mai 27, 2008

Grüsstrauma

Ich habe mit 7 Jahren zum ersten Mal eine Klasse übersprungen, d.h. in unserer Dorfschule während des Jahres von der ersten in die zweite Klasse gewechselt. (Jaja, wenn man sowas macht, in einem Dorf mit 1500 Einwohnern, in dem die Familie weniger als 450 Jahre wohnt, da macht man sich Freunde).
Der Beginn des ersten Tages in der neuen Klasse war symbolisch für den ach so smoothen Übergang: ich betrat mit den anderen 15 Kindern den Klassenraum und machte mich auf die Suche nach meinem Platz. Kaum hatte ich ihn (ganz hinten und mit dem Rücken zur Tafel, weil Gruppentische) gefunden, standen auch schon alle auf zur Morgenbegrüssung. Die startete mit den denkwürdigen Worten der bemerkenswertesten Pädagogin auf Gottes Erdboden: "So, guten Morgen. Wir haben eine Neue in der Klasse, das ist die da hinten. Sie war bisher in der ersten Klasse, bis ihre Eltern dachten, sie wäre zu schlau dafür. Komm mal vor! So, das ist sie also. Jetzt habe ich mal eine Frage an dich: wenn du mittags heimkommst, bist du dann auch so ein Stoffel und schaust nicht links rechts und grüsst nicht? Bei uns hier wird ordentlich gegrüsst."
Und das habe ich dann brav auch jeden Morgen gemacht: reinkommen, Knicks (als Junge wäre es eine Verbeugung gewesen) vor der Lehrerin und ein mit niedergeschlagenen Augen in den Boden gemurmeltes "Guten Morgen, Frau Lehrerin."
Schön, die moderne Pädagogik, oder?
Ja, und seitdem habe ich das Gefühl, alle Welt wartet nur darauf, dass ich mich unhöflich benehme und nicht schnell genug alle und jeden grüsse.
So kommen dann auch solche skurrilen Situationen zustande. Und wenn ich dann mal nicht die erste mit dem Grüssen bin, habe ich sofort das Gefühl, dass das Grüssen der anderen mit einem ganz kritischen Unterton kam, weil ich ja zuerst hätte müssen und schon wieder ganz stoffelig war.
In diesem Sinne ein (verspätetes) Guten Morgen euch allen!

8 Kommentare:

Nina hat gesagt…

Auch ein Guten Morgen!
Eine ganze Zeit lang dachte ich, dass unsere Grundschullehrerin so seltsam war. Die " Gute" hat uns geschlagen wenn es nicht so lief wie sie es sich jetzt mal vorstellte. Zack, hatte man rechts und links eine kleben. Niedermachen gab es inklusive.
Warum unsere Eltern nichts getan haben- leider weiß ich es bis heute nicht. meine Mutter sagte nach Jahren, dass es ihr leid täte, sie sich aber so ohnmächtig gefühlt hätte. Aber nach meiner festen Überzeugung bekommen solche Menschen ihre Strafe! Ganz sicher!

Anonym hat gesagt…

Es sind leider so oft die komplett kaputten Menschen, die sich für gewisse Berufe entscheiden (ich würde mir wohl lieber mit dem Nagelknipser die Ohrläppchen entfernen als zu so einem Stück Sch..e in die Therapie gehen, wie fast sämtliche Psychologen im weiter gefassten Bekanntenkreis es sind) und ich werde so verdammt wütend, wenn ich solche Geschichten höre. Meine Güte, das arme Kind, das du warst :( da wäre ich auch traumatisiert ...

Karin hat gesagt…

Hach ja. Das war ja erst der Anfang. Meine Eltern haben sich Gottseidank auf die Hinterbeine gestellt. Trotzdem gehören diese vier Monate in dieser Klasse im Rückblick zu den schlimmsten meines Lebens.
Die Lehrerin hat übrigens im folgenden Schuljahr die Schule und sehr bald danach den Schuldienst verlassen. Immerhin.
Geschlagen wurde wenigstens nicht, die seelische Grausamkeit war schon genug.
@Melody: waaaahhh, was für eine gruslige Vorstellung ;-)

Anonym hat gesagt…

Es gibt nichts schlimmeres, als Menschen, welche über andere irgendeine "Macht" haben (hier: Lehrer) und sie in irgendeiner Weise fertig machen.

Es muss ja - wie du so schön sagst - nichts weltbewegendes sein, worüber man als Erwachsener den Kopf schütteln würde.

Ich hoffe diese Gattung Lehrer stirbt langsam* aus, so dass meine Kinder (so es denn mal welche gibt) besser haben.


Aufgewühlte Grüße,

Max


* Nachdem ich deinen Kommentar gelesen habe, Nina, habe ich mich gefragt, wie lange das her ist. 40 Jahre? Bis ich in deinem Profil gelesen habe, dass du erst 33 bist.
Fuck.

Anonym hat gesagt…

es hat dich stark gemacht, du wärst heute nicht (aus der ferne betrachtet, ich kenne dich ja nicht persönlich) eine so tolle frau wie du bist. ich weiss, auf die art von reifen kann man verzichten, aber man kann selbst so etwas noch was positives abgewinnen.

tante liesbet hat gesagt…

Tja und heute gehen die Lehrer vor Gericht, weil sie sich ob der Bewertungen auf Internetseiten gemobbt fühlen (Aktueller Artikel heute in meiner Tageszeitung)! Dabei waren schon immer die (wir) Schüler die Dummen und gnadenlos der Willkür solcher Menschen ausgesetzt.

Anonym hat gesagt…

ich hatte interessanterweise nur an der grundschule lehrerinnen (zwei frauen), die total.. wie soll ich sagen.. positiv: ihrem beruf nicht gerecht wurden. am gymnasium hatte ich viele schlechte lehrerInnen, noch mehr unmotivierte (da gibt es auch einige überschneidungen..) und einige ganz wenige tolle exemplare. aber die beiden an der grundschule.. die eine war sogar erst anfang 30, eine sehr hübsche, aber sie hatte diesen antiquierten gehorsam dermaßen verinnerlicht, absurdeste geschlechterrollenideen und ein hanebüchenes lob- und tadelsystem. oh mann. meine mutter hat irgendwann die entschuldigungen (ich bin oft nicht hingegangen) auf kackbraunem papier geschrieben, um mir immer wieder klar zu machen, wie sie die lehrerin findet. die schule hab ich dann auch gewechselt.

einige sätze von ihr hängen mir tatsächlich auch noch nach. danke für diesen text.

IO hat gesagt…

Oh , ich hatte die am Gymnasium - unglaublich. Ich habe gekämpft, habe den Aufstand geprobt, bin vor die Tür gestellt worden, quasi erpresst worden, beleidigt worden, habe weiter gekämpft und jetzt können diese A*** mir den Buckel runter rutschen. - jedenfalls bis Eliano in die Schule kommt ...