Gestern abend waren der Hübsche und ich übrigens die liebsten und coolsten Eltern der Welt. Wir waren bei Freunden zum Essen und Fussballschauen eingeladen und stellten den Kindern in Aussicht, dass wir bei gutem Benehmen die erste Halbzeit und bei exorbitant supergutem Benehmen sogar eventuell das ganze Spiel schauen würden. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie gut so ein Kinderbenehmen auf einmal werden kann (und wieviel Trivialitäten, Statistik und Halbwissen Little Q. zu jedem Nationalspieler und internationalem Turnier der letzten 8 Jahre abrufbereit hat).
Heute zahlen wir dafür natürlich die Zeche: nicht nur sind wir beide selber total müde wegen keinem Schlaf wegen Konz
erthigh Samstag und dann eben Räumen, Machen, Tun und kein Schlaf auf Sonntag wegen Fussball, nein, auch die Kinder sind nicht wirklich ausgeschlafen.
Der Tag lief dann so:
Ich schleiche mich um halb sieben aus dem Haus und überlasse dem Hübschen den Schwarzen Peter in Sachen Kinderwecken. Radfahren ist heute nicht, erstens Regen, zweitens terminlich nicht drin, weil meine Termine heute so lang gehen, dass ich es mit dem Rad nicht schaffen würde, pünktlich daheim zu sein, um L. zu seinem Konzert heute zu begleiten (der Hübsche hat Kundentermin am Abend). Also habe ich schon den zweiten Kaffee intus, als ich am Telefon Schiedsrichter im emotionalen Streitgespräch „Es schüttet, zieh Gummistiefel an“ vs „Gummistiefel sind sozialer Selbstmord auf dem Schulhof“ spielen darf. (Schlichterspruch: dann halt die Turnschuhe, aber trockene Socken mitnehmen).
Um 8:12h (Schulbeginn 8:30h, die Kinder laufen zwischen acht und zehn nach los) erreicht den Hübschen das Rundtelefon, dass Q.s Klassenlehrer krank ist und dementsprechend bis auf Textiles Werken alles ausfällt. (Policy hier: Ausfall am ersten Tag, Vertretung ab dem zweiten, wer auf Betreuung angewiesen ist, meldet das am Schuljahresbeginn an). Insofern für uns nicht soooooo dramatisch, weil Q. ja für die Notbetreuung in der Nachbarklasse angemeldet ist. Da aber die Compliance der Schule in Sachen „Notfallbetreuungsblatt“ in der Vergangenheit eher kreativ war, möchte ich gerne mit dem Sekretariat klären, dass Q. sicher in der Schule bleibt und nicht wieder heimgeschickt wird (Sie erinnern sich? Nur ein Paar trockene Socken im Rucksack). Lustigerweise ist das Schultelefon um diese Zeit (anders als auf der Homepage angegeben) noch nicht besetzt, aber immerhin kommt ein Rückruf eine Viertelstunde später: Q. näht schon und bleibt in der Schule. (Er hat den ganzen Tag textil gewerkt und wir haben jetzt eine Menge Lavendelduftsäckchen).
Dann der übliche Arbeitsalltag, Antworten auf Mails aus Japan, Diskussion mit Schweizer Kollegen, Arbeitsaufträge an die Kollegen in USA. Mittagessen habe ich mit einer Kollegin aus dem globalen Einkauf abgemacht, auf dem Weg dorthin kaufe ich noch schnell eine Schale Erdbeeren, Trauben und Kiwis. Für das Konzert heute abend sollte man nämlich Büffetbeiträge mitbringen und weil ich das schon immer mal machen wollte, hatte ich Obstspiesse angegeben. Ohne zu überprüfen, an welchem Tag das Konzert ist und ohne zu bedenken, dass man Obstspiesse ja nicht wirklich gut am Abend vorher machen kann. (Jaja, klar hätte mir niemand den Kopf abgerissen, geschweige denn überhaupt gemerkt, wenn ich stattdessen gestern abend Muffins gebacken hätte, aber auch dazu hätte ich gestern um Mitternacht keine Lust gehabt und auf die Idee, Chips oder irgendwas andere gekauftes mitzubringen, bin ich gar nicht gekommen.)
Also. Ich bin also mit meiner Papiertasche vol Obst und leerer Glasschalen (die werden noch wichtig), in denen ich mal Panna Cotta auf eine Party mitgebracht hatte und auf dem Rad immer nicht mit heim nehmen wollte, aber heute, man erinnert sich: kein Rad, zum anderen Standort marschiert und habe die Tasche erst mal in einem Schliessfach verstaut.
Sehr nettes Mittagessengespräch, dann kleiner Fussweg (ohne Obst) zu einer anderen Aussenstelle, Face-to-Face-Termin mit meinem Chef. Eine Stunde Austausch über "Was liegt an?", dann wieder zurück zum Schliessfach, Obst holen, Treffen mit einer Kollegin aus Italien, Trenddaten besprechen, dann Wechsel des Meetingraumes (mit Obst), Produktteammeeting, das so pünktlich zu Ende ist, dass ich eine S-Bahn früher als geplant erwische.
Im Dorf steht kein Bus an der Haltestelle und mir fällt wieder ein, dass ja heute die
Tour de Suisse DREIMAL durch unser Dorf fährt und deswegen alles gesperrt ist. Ich laufe also mit meiner Obsttüte durch den Regen nach oben, immer einen kritischen Blick auf die strukturelle Integrität (ich habe keine Zeit für den Nachkauf von Erdbeeren eingeplant.) der Papiertüte mit Obst und Glasschalen.
Gottseidank ist die Strasse gerade nicht in Hand der Radfahrer und ich kann unbehelligt queren. Auf der Verkehrsinsel in der Mitte sehe ich, dass die Papiertüte sich langsam aufzulösen beginnt und greife um: weg von den Henkeln, eher son in den Arm genommen, wie man diese unendlich unpraktischen amerikanischen Supermarkttüten trägt. Das geht gut, bis ich auf der anderen Strassenseite bin, dann ist der Boden durchgeweicht und die Glasschalen donnern unten raus. AUF DIE TOUR DE SUISSE-STRECKE, wo gleich die Radler zum Massenzielsprint der letzten Runde auftauchen werden. (Und mein Zeitfenster für die vermaledeiten Obstspiesse ist auch nicht soooo luxuriös eingeplant.).
Aber was solls, weglaufen wäre ja auch feig, also packe ich erst die Erdbeeren, das restliche Obst und die noch ganzen Schalen in den Rucksack und sammle dann akribisch die Glasscherben auf. Ich habe nicht gewartet, ob es sauber genug war, aber ich habe mich wirklich bemüht.
Daheim dann ein kleiner Adrenalinboost, nicht nur hat Little L. seinen besten Freund da, nein, er muss auch nicht erst um 10 vor sechs, wie ich dachte, im Konzertsaal sein, sondern schon um halb sechs. Was das Zeitfenster für "Ich mache einen wunderschönen Melonenfruchtspiessigel"auf etwa 8 Minuten schrumpfen lässt.
Und dann passiert etwas Magisches: Little Q., Little L. und sein bester Freund helfen mit (Melonenkugeln ausstechen, Trauben abzupfen, Erdbeeren putzen, Kiwis schälen, aufspiessen und in die Melone stecken und mit Marshmallows verzieren), ohne Gezeter, ohne "Ich will aber auch Kugeln machen" und "Ich habe aus Versehen alle Marschmelonen aufgegessen" oder "Schau mal, wie weit ich mir so einen Spiess ins Ohr stecken kann", und wir sind ... in 7 Minuten hiermit fertig.
Dann marschieren L. und sein bester Freund schon mal los, Q. und ich räumen die Küche auf und sind mitsamt Melonenigel pünklich zum Einlass in der Schule.
Das Konzert ist supernett gemacht, auch wenn Little L. es hasst, auf der Bühne zu stehen ("Ich finde das soooooo peinlich") und mein Talent zu kein Pokerface von mir geerbt hat. Die Text-Bild-Schere bei "If you're happy and you know it" war grossartig :-).
Danach feinstes Büffet, spielen am Brunnen, heimlaufen, ausräumen, duschen, für morgen packen, hoffentlich ganz schnell ab ins Bett... Habe ich erwähnt, dass ich urlaubsreif bin? (Ach ja: und die Reiseunterlagen kamen heute, juppidu!)