Herzlich willkommen zum zweiten Tag der Tagebuchblogging-Woche!
Worum es geht, steht hier.
Wer mitmachen möchte, kann den Link zu seinem persönlichen Dienstag unten in die Liste eintragen.
PS: ich bin total überwältigt von der regen Beteiligung gestern! Auch wenn ich nicht kommentiert habe, ich habe Sie alle gelesen! (Und nochmal so allgemein: ich finde, man muss sowieso gar nix müssen seinen Tag auch nicht minutengenau darstellen, um mitzumachen, das kann natürlich jeder machen, wie er will. Oder auch nicht mehr mitmachen, da bin ich auch niemandem böse.
Dienstag also. Im Prinzip startet der genauso wie der Montag, nur eher, weil schon um 0:30h ist Little L. aus dem Bett gefallen und nur im Elternbett in der Lage, den Rest der Nacht zu verbringen. Ich quartiere also den schlaftrunkenen Hübschen ins Kinderbett aus und verbringe den Rest der Nacht mit einem immer mal wieder hochschreckenden „Mami? Wo ist meine Decke, mein Hase, irgendwas?“ Little L. Immerhin steht er morgens dann wie sein Bruder freiwillig auf und zieht sich auch alleine an, so dass ich ein bisschen früher unterwegs bin.
Auf dem Weg zur Arbeit höre ich übrigens immer SWR3 und bei den Verkehrsnachrichten aus dem Kölner Raum muss ich dannimmer kurz drüber nachdenken, dass es uns nach der Diss genauso dahin verschlagen hätte können (und das wäre ganz schön blöd gewesen. Immer Stau um Leverkusen ;-)), und dann freue ich mich immer noch ein bisschen, dass wir damals unseren Doktorarbeitsendfrust in positive Auswandererenergie umgesetzt haben und durch unsere Trotzreaktion „Nur raus aus dem Einflusskreis des Doktorvaters“ den Absprung in die Schweiz geschafft haben.
Nachdem ich nun pünktlich um halb acht vor einem hochgefahrenen Rechner sitze, kann ich die Zeit bis acht noch nutzen, um an der Präsentation von gestern weiterzumachen.
8:45h: Morgensitzung vorbei, ein paar offene Fragen habe ich mit in den Tag genommen, aber an sich habe ich heute kaum fixe Termine, so dass ich hoffe, mit meiner ToDo-Liste einigermassen voranzukommen. Erst mal: Kaffee holen im Keller!
Für den Nachmittag habe ich einen Termin mit unserem Industrial Engineer abgemacht, um anhand des Vertikaltaktdiagramms von gestern die OEE-Erfassung für die nächste Kampagne zu besprechen.
(OEE? Vertikaltaktdiagramm? Kampagne? Was’n das? Also. Hier bei uns in der chemischen Marktproduktion für Wirkstoffe arbeiten wir mit Mehrzweckanlagen in Kampagnen. Das heisst, in denselben Anlagen können wir verschiedene Medikamente und Vorstufen produzieren. Das könnte zB so aussehen: wir produzieren erst die erste Stufe eines Medikaments gegen Brustkrebs, dann die zweite, dann die dritte, dann schwenken wir um auf ein Medikament gegen Organabstossung bei Nierentransplantationen, dann machen wir weiter mit einem HIV-Medikament oder mit was gegen Parkinson oder einem Beruhigungsmittel oder was ganz anderem (nein, Mama, kein Voltaren. Nie). Das sind dann verschiedene Kampagnen. Dazwischen wird immer penibel genau gereinigt, schliesslich will niemand ein Medikamentenmischmasch. Ah. Nochwas. Wir in der Chemie produzieren den Wirkstoff, nicht die Darreichungsform. Das wäre dann die Galenik, da werden Formulierungen gemacht -schauen Sie mal auf einen Beipackzettel, der geringste Teil Ihrer Tabletten ist der Wirkstoff ;-)-, Tabletten gepresst, Salben gemischt, Ampullen gefüllt etc..
Die Kampagnenlänge, -reihenfolge und –grösse gibt uns die Planung vor und die orientiert sich logischerweise am Bedarf.
Und, damit hier keine Missverständnisse entstehen: wir produzieren für den globalen Bedarf, d.h. der meist jährliche Bedarf eines Medikaments wird von der Supply Chain ermittelt/abgeschätzt und dann eben via die globale Planung auf die verschiedenen Produktionsstätten je nach Ausstattung und Auslastugn verteilt. Um die Rüst- und Reinigungszeiten im Vergleich zu der Produktionszeit so gering wie möglich zu halten (man verdient schliesslich nur Geld, wenn man produziert), versucht man die Kampagnenwechsel so gering wie möglich zu halten und zB den Jahrensbedarf oder sogar einen Zweijahresbedarf in einer Kampagne zu produzieren. Da reden wir dann nicht von ein paar Gramm oder Kilo, sondern um mehrere zig Tonnen (Wer Lust hat, kann ja mal rechnen:eine normale Paracetamoltablette, was wir übrigens auch nicht herstellen, hat 500mg Wirkstoff. Wieviele Tabletten bekomme ich also aus 1 Tonne reinem Paracetamol? Und aus 10 Tonnen? Und aus 100? Das sind Zahlen, die ich eigentlich wirklich beängstigend finde, weil: die Medikamente, die wir produzieren, das sind keine Kopfschmerztabletten, das sind Medikamente gegen richtig schlimme Krankheiten. Und irgendwo auf dieser Welt müssen Unmengen an richtig kranken Menschen sein, die all diese Medikamente schlucken...... das macht Angst)
Und auch wenn wir mit recht grossen Reaktoren (zwischen 4000 und 10000L pro Kessel) ausgestattet sind, so dauert eine solche Kampagne dann doch meist zwischen 4 Wochen und bei richtig grossvolumigen Produkten auch mal mehreren Monaten. Wie viel Wirkstoff da im Voraus produziert werden kann, hängt natürlich auch von der Haltbarkeit der Substanzen ab, bringt ja nix, wenn ich einen Zweijahresbedarf auf Lager habe und nach sechs Monaten alles vergammelt ist, aber diese Stabilitätsdaten liegen natürlich alle vor. Mit der Therapieform hat das dann aber nichts zu tun, das macht bei diesen grossen Mengen nichts aus.
Und weil wir die Marktproduktion sind, d.h. die Wirkstoffe, die wir produzieren, wirklich für echtes Geld verkauft werden, ist da auch ein gewisser betriebswirtschaftlicher Druck dahinter, d.h. wir müssen aus den verfügbaren Ressourcen (Personal, Anlagen, Zeit und natürlich Rohstoffe) so viel wie möglich rausholen. Dementsprechend kennen wir von jedem Produkt den bestmöglichen Takt, d.h. den Zeitabstand, in dem wir einen neuen Batch starten können. Dazu kommt die Durchlaufzeit, die ein Batch vom Ansetzen bis zum Auspacken in Fässer tatsächlich in der Anlage braucht. Diese Zeiten werden durch statistische Auswertungen von vielen schon gelaufenen Ansätzen gewonnen und auch optimiert. Damit man den Ablauf einer Kampagne mit einer einfachen Kennzahl erfassen kann, wird von jeder Kampagne der OEE erfasst. OEE bedeutet Overall Equipment Efficiency und ist eine Prozentzahl, in der die erreichte Taktzeit (incl. Ausbeute, Zeitverzögerungen durch menschliche Fehler, Materialfehler, Ausfall von technischem Equipment, Personalmangel) mit dem möglichen Optimum verglichen wird. Dementsprechend müssen wir zunächst das Optimum kennen, das dann in visuell in einem Vertikaltaktdiagramm erfassen (dazu kriegt jeder Hauptapparat eine Spalte, in der man die nötigen Operationen und die dafür benötigte Zeit und Personaldecke sieht, man sieht, wie die einzelnen Reaktoren verknüpft sind (ich kann eine Reaktionsmasse zB erst in den Aufarbeitungskessel transferieren, wenn der leer ist) und bei jedem Ansatz wird dann erfasst, wo Zeitverzögerungen eingefahren wurden, woran das lag, ob sie sich kritisch auf den Takt auswirken usw. Klingt vielleicht gar nicht so kompliziert, zusammen mit dem Schichtmodell und damit, dass erstens jedes Produkt anders ist und zweitens normalerweise bis zu 5 Ansätze in verschiedenen Stadien gleichzeitig in der Anlage unterwegs sind, ist das allerdings durchaus eine Herausforderung. Heute nachmittag dann.)
Den Rest des Vormittags verbringe ich mit dem Erstellen der Präsentation für Freitag, unterstützt von meinem Chef, der mir nochmal mitteilt, wie wichtig das alles ist und dass ich unbedingt drauf achten soll, dass unser Standpunkt klar und unmissverständlich rüberkommt. Verstanden, das steigert jetzt natürlich den Druck nochmal ein bisschen.
Zwischendrin fragt mich unser Teamadministrator noch schnell um Rat bei der Vorbereitung eines Workshops morgen und ich bastle und bastle in dem Corporate Template (genau, Mama, mehr oder weniger die ganze Zeit am Computer rummachen).....
So, rechtzeitig vor dem Mittagessen (mein Magen knurrt schon seit mindestens um 10) bin ich mit der Präsentation fertig. In der Kantine kann ich mich dann nicht zwischen Schupfnudelpfanne, Rotbarsch und Ente entscheiden, weil alles nicht so lecker aussieht und dementsprechend muss es dann doch das teurere, aber immerhin leckere Wokessen sein.
Kaffee gibt es ausnahmsweise nicht in der Cafeteria, sondern auf dem „gogoogle“-Marktplatz.
Zurück im Büro versehe ich die Präsentation mit dem letzten Schliff, schicke sie meinem Chef zum Feedback und bearbeite kurz eine Anfrage der Planung, die sich nach dem Freigabestatus der von uns produzierten Ware erkundigt.
Als nächstes nehme ich mir den DR mit dem Fälligkeitsdatum diese Woche vor. (Wie gestern erklärt, ein DR ist ein Deviation Report, wo in einem standardisierten Erfassungssystem Abweichungen erfasst, beurteilt und Massnahmen definiert werden, damit sowas nicht mehr passiert. In diesem Fall haben wir sogar eine Root Cause Analyse durchgeführt. Das ist ein ebenfalls recht standardisiertes Verfahren, in dem man versucht, den Grund eines Fehlers in Form eines Fehlerbaums (Ursache/Wirkung etc.) herauszukristallisieren (Mama, das könnte man sicher am Computer machen, wir haben es mit grossen Klebezetteln, Eddings und gemalten Pfeilen gemacht). Das muss ich mir erstens noch von allen Beteiligten unterschreiben lassen und zweitens in kurze, knappe und klare Worte fassen. (Genau mein Ding ;-), v.a. das „kurz“)
Bevor ich aber damit beginnen kann, kommt der Hilferuf aus Betrieb und Labor, dass die Ergebnisse der Reinigungsmuster zwar gut sind, aber irgendwie nicht zusammenzupassen scheinen. Ich mache mich also (Sicherheitsschuhe, Anstosskappe, Schutzbrille, Kälteschutzjacke) auf die Spurensuche im Betrieb und nach Kreuzverhör der anwesenden Schicht ;-) machen die Ergebnisse auf einmal auch Sinn.
Halb drei: nächster Versuch, die Root Cause Analyse in Worte zu fassen. Damit ich ein bisschen frische Luft bekomme, mache ich mich als erstes auf eine Tour quer über das Areal, um sämtliche Teilnehmer an dieser Root Cause Analyse einen Ausdruck unterschreiben zu lassen. Es regnet btw. ;-)
Nachdem ich alle Leute, die vor Ort waren, zu einer Unterschrift genötigt habe, fange ich an, den Systemeintrag zu modifizieren. Leider nur kurz, weil schon mein Nachmittagstermin kommt: unser Idustrial Engineer, mit dem ich einen Pilotversuch zur OEE-Erfassung (vereinfachtes Datenerfassungssystem) für die nächste Kampagne bespreche. Wird super, da bin ich mir sicher! (Ganz ausgefuchstes am Computer Rumgemache) Zwischendrin kommt mein Chef vorbei, der sich meine Erklärung für die Reinigungsmustergeschichte anhören will und über die Präsentation für Freitag gehen möchte. Und schon ist es halb fünf. Ich passe also noch schnell die Präsentation an....und damit ich mein Gewissen halbwegs befriedige, mache ich danach noch ein bisschen an der Ausformulierung der Root Cause Analyse weiter.
Um pi mal Daumen kurz nach fünf geht es wieder Richtung Auto, auf dem Heimweg noch schnell einen kleinen Snack für Little Q. besorgen, der darf nämlich heute mit dem Hübschen zusammen beim KiJuKa (das ist Kickboxen, Judo und Karate gemischt und für Grössere als das Bonsai-Karate, was er jetzt macht) mal schnuppern und das geht von 18-19:00.
Um halb sechs treffe ich an der Kinderkrippe ein. Der Hübsche ist schon vor mir da und hat die Jungs aus ihren Gruppenzimmern losgeeist und in die Garderobe geschleust. Ich schnappe mir Little Q.s Schultasche und Little L., Little Q. und der Hübsche bekommen je eine Butterbreze und machen sich auf den Weg ins Dojo.
Daheim angekommen fängt Little L. sofort mit Legospielen an (man muss es ja mal ausnutzen, wenn der grosse Bruder nicht da ist, und man ungehindert R2D2, Gollum und einen Drachenninja gegeneinander antreten lassen kann), ich räume Taschen aus und räume das Haus auf, weil morgen unsere Putzfrau (hoffentlich) kommt und ich da eh immer ein grundschlechtes Gewissen habe, so ist es wenigstens vorher ordentlich.
Währenddessen macht sich das Abendessen mehr oder weniger selber, weil der Hübsche und ich einen Pott von der "Immerwiederaufwärmsuppe" aus einer dern letzten "Lecker"-Ausgabe bekommen, die schon am Sonntag abend fertig war. Die Jungs finden die richtig eklig, deswegen bekommen sie Fischstäbchen. Ganz ungewohnt essen Little L. und ich ganz alleine!
Für Little Q. und den Hübschen ist je eine Portion warmgestellt.
Während oben also die Kinderbadewanne einläuft, laufen unten der Hübsche und Little Q. ein, berichten vom Training (könnte die Zukunft sein, nächste Woche darf Little Q. nochmal schnuppern), nach einem erstaunlich schnellen Abendessen springt Little Q. zu seinem kleinen Bruder in die Wanne, ich dusche, zwinge die Kinder zum Haarewaschen, danach gibt es noch ein Kapitel aus "Der Hund mit dem gelben Herz" und dann schlafe ich beim Gutenachtkuscheln selber fast ein.
Jetzt ist es also halb neun und ich bin gespannt, ob ich nochmal wach werde zB für eine Folge "The Good Wive" oder ob ich, ganz verrückt, heute mal richtig früh ins Bett gehe....
Ich freu mich auf eine interessante Woche!