Ja, ich gebs zu, wir leben seit über 10 Jahren in der Schweiz, wir haben seit über acht Jahren Kinder und haben noch nie Ferien in einem Reka-Dorf gemacht. Okay, einmal, da haben wir Reka-Ferien in einer Bauernhofwohnung gemacht und einmal haben wir Ferien in einem Feriendorf gemacht. Das erstere war grossartig, das zweitere, wohoooo, das schlägt auch noch unseren all inclusive-Tunesienurlaub zwischen Diplom- und Doktorarbeit nach unten, was die Qualität des Urlaubs angeht.
Aber eben, Anfang letzten Jahres habe ich irgendwie die Zugangsdaten zum Rekanet wieder gefunden und mal das Guthaben auf unsere Konten dort, auf die wir ja brav immer einzahlen gecheckt. Wer hätte das gedacht: so viel vertanken wir gar nicht und so hat sich da in den letzten 10 Jahren einiges angesammelt, was ich spontan in Skiferien investieren wollte. Was ich dann grad lernen durfte, ist, dass die Reka-Dörfer in den Winter- und Skiferien recht begehrt sind. Und dass man "nur" zwei Jahre im Voraus reservieren kann. Also habe ich erstmal Herbstferien in Hasliberg gebucht (und Skiferien für nächstes Jahr in Morschach und Skiferien in Hasliberg für übernächstes Jahr). Habe ich schon erwähnt, dass ich gerne plane und organisiere und Überraschungen nicht mag?
Letzte Woche war es dann endlich soweit: Herbstferienbeginn, Abfahrt am Samstag morgen, Planung wegen Arbeitsmenge aus anderen Sphären bis auf "irgendwas mit Wandern" Null. Immerhin hatte ich in der genauen Beschreibung gelesen, dass man Extragäste anmelden müsste, also habe ich meine Schwester und ihren Freund, die uns über den deutschen Brückentag besuchen wollten, vorangemeldet, und dass man Bettwäsche vor Ort bekommen könnte oder selber mitbringen könnte. Also habe ich Bettwäsche (und Wandersachen und Badesachen und leider keine Unterhosen für Little L. eingepackt. Irgendwas hat mich beim "Immer bis sieben zählen: Socken, Unterhemden, T-Shirts, Unterhosen" gestört und so fuhr er nur mit der am Leib auf den Berg.) gepackt, obwohl sich beim Einchecken zeigte, dass das nicht so gemeint war mit dem Selbermitbringen.
Egal, es war (und das meine ich nicht negativ, sondern mit all der Hochachtung, die ein Detailplaner der Leistung eines anderen entgegenbringt) mit schweizerischer Präzision alles vorbereitet und geplant: auf dem Parkdeck bekam man eine genaue Anweisung, wie und in welcher Reihenfolge Ausladen, Parken, Einckecken, Gepäckverräumen zu erledigen sei, um das möglich reibungslos zu gestalten.
Wir sind also ins Haus Hotzenplotz gezogen, die Jungs waren sofort begeistert: Berge! Leselampe! Zwergenbücher! Spielplatz! Hallenbad! Kinderbetreuung! Da gehen wir nicht hin! (ich glaube, ehrlich gesagt, eh, dass die Kinderbetreuung in Urlaubsorten eher für Leute ist, die ihre Kinder sonst im Alltag eher nicht in Betreuungseinrichtungen untergebracht haben. Weil: normalerweise sind meine Kinder vier Tage die Woche in Kinderkrippe/Schule/Kindergarten, da hätte ich im Urlaub gerne ein bisschen was von ihnen. Sie sind es gewohnt, tagein, tagaus betreut von gut ausgebildeteten Erziehern und Lehrern kreativ zu sein, in Wald und Feld unterwegs zu sein, zu basteln, zu malen, in der Gruppe pädagogisch wertvolle Spiele und Schnitzeljagden zu machen, da reisst sie die Idee von Pippi-Langstrumf-aus-Kochlöffeln-basteln jetzt nicht direkt vom Hocker. Und auch so: ich will ja vor Ort was unternehmen und Ausflüge machen, wenn die Kinder zwei Stunden am Morgen in der Betreuung sind, was mach ich denn dann? Auf den Berg lohnt nicht und Rumsitzen vor Ort ist auch langweilig bzw. dafür muss ich nicht in die Berge fahren. Egal.)
Also. Es gab dann noch eine Infoveranstaltung, mit Tipps zur Region, ich denke, wenn man zum ersten Mal da ist, so wie wir, und unvorbereitet kommt, ist das ganz gut so.
Am nächsten Tag ging es dann gleich mal auf den Hausberg, d.h. es war sogar Muggestutzfest und so sind wir den ersten Muggestutzweg entlanggelaufen.
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MEINE Kinder: Q. hat vor dem Sägen gefragt: "Gell, Mami, wir haben im Fall Pflaster dabei, oder?" |
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War nur Milchkaffe drin ;-) |
Gegen Abend zog es dann zu, fing an zu nieseln, meine Erkältung wurde immer fieser, wir haben es zwar redlich versucht, sie im Hallenbad rauszuschwemmen, aber es half nichts.... leider hatte sie auch Little L. erwischt und der reagierte in der Nacht mit einem Pseudokruppanfall vom anderen Stern. Ich war nah dran, ihm die Notfallkortisontabletten zu geben, die uns der Kinderarzt für diesen Fall beim letzten Mal mitgegeben hatte, nur dummerweise lagen die (mit den frischen Unterhosen) zu Hause im Kinderzimmer (für alles andere von Durchfall, Pilzerkrankungen, Mittelohrentzündungen, Allergien, Grippe, Fieber etc wären wir medikamentös natürlich gerüstet gewesen....). So haben Little L. und ich die Nacht also grösstenteils in Decken gewickelt in einem Liegestuhl auf dem nebligen Balkon verbracht und uns das Panorama vorgestellt.
Der nächste Tag war dann mehr so mittleres Wetter, so dass wir uns für die Aareschlucht entschieden. Auf dem Weg nach Meiringen wurden wir allerdings von einem astreinen Almabtrieb aufgehalten:
Überhaupt: Meiringen. Ich stand ja schockierenderweise in meiner Familie ganz alleine da mit meiner Begeisterung für Reichenbachfall! Sherlock Holmes! Moriarty! Meringues!, obwohl der Hübsche mit mir zusammen beide Staffeln Sherlock angeschaut hat (Note to myself: nach Harry Potter muss Little Q. Conan Doyle lesen).
Die Aareschlucht war dann aber doch wie erwartet grosses Kino:
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Quidditch geht überall |
Auf dem Heimweg haben wir dann noch Unterhosen, Käsefondue und ein HDMI-Kabel gekauft (ich hatte mein Arbeitslaptop dabei und Harry Potter 3 auf DVD, für wenn Q. mit dem Buch fertig würde), ausserdem hatte uns der Kinderarzt ein Rezept für die Kortisontabletten in die Dorfapotheke gefaxt, so dass wir für die Nacht gerüstet waren.
Am Mittwoch dann so mittleres Wetter, dass wir lieber nach Luzern ins Verkehrshaus anstatt auf den Berg gegangen sind. Durch meine mittlerweile echt miese Verfassung und den angesammelten Schlafmangel war ich echt dünnhäutig und fand alles nicht ganz so toll, wie es hätte sein können, aber die Jungs waren begeistert:
Auf dem Rückweg haben wir dann für ein Vermögen einen Adapterstecker von Display-Eingang auf HDMI-Kabel gekauft, weil Q. hatte Harry Potter 3 mittlerweile ausgelesen und mein Firmenlaptop gar keinen HDMI-Ausgang.
Somit war für ein grandioses Abendprogramm gesorgt.
Am nächsten Tag ging es dann bei strahlendem Sonnenschein ins
Freilichtmuseum Ballenberg (in Bayern gibt es das ja auch, da heisst das
Glentleiten und das fand ich schon immer grossartig):
Für den nächsten Nachmittag hatten sich meine Schwester und Freund angekündigt und die wollten dann mit uns gemeinsam noch eine grössere Wanderung machen, also haben wir uns dann erstmal noch den zweiten Muggenstutzweg angeschaut. Nun ja. Ist schon nett gemacht (beie), aber bei schönem Wetter und wenn man nicht richtig früh dran ist, ist es echt voll.....
Für den Freitag hatten wir dann die
Triftwanderung ins Auge gefasst und die hatte mir ja die ganze Woche schon schlaflose Nächste bereitet. Erst die Aussicht auf die Hängebrücke, dann, als ich rausgefunden hatte, dass die Hängebrücke der Wendepunkt für die Eintagestour ist, also nicht überquert werden MUSS, die Tourbeschreibung dorthin mit "
Gelände teils steil, Absturzgefahr nicht ausgeschlossen." und dann die Vorstellung von in die Tiefe stürzenden Kindern....
Sowohl der Hübsche als auch meine Schwester waren jedoch davon überzeugt, dass das machbar wäre, und so sind wir aufgebrochen. Und als wir dann in der kleinen Gondel mit einer russischen Familie in Ballerinas und Turnschuhen nach oben gefahren sind, war ich einigermassen beruhigt (als wir den Weg ins Tal mit dem gleichen Schwierigkeitsgrad von oben sahen, war ich wieder ein wenig beunruhigt, der Hübsche auch. Die Russen haben wir übrigens auch aus den Augen verloren und den ganzen Tag nicht wieder gesehen....). Die erste halbe Stunde war Little L. davon überzeugt (und hätte auch mich fast avon überzeugt), dass seine Beine praktisch tot wären und es maximal, aber wirklich nur, wenn er dann sicher ein Gummibärli bekäme, bis zur nächsten Markierung an dem Stein dort vorne und dann keinen Schrit mehr weiter schaffen würden. Ab dann aber kam er wohl in sein Wanderer's High, er schwatzte und babbelte in einer Tour und lief und lief und lief. Wie Little Q. auch, trittsicher, ausdauernd, als ob wir sie jeden Tag auf einen Berg scheuchen würden. Die Triftbrücke selber dann fand ich rein optisch nach den grandiosen Bildern, die ich vorher recherchiert hatte, fast ein bisschen enttäuschend, wenn man dann aber über dem 100m tiefen Abgrund steht auf der doch schwankenden Hängebrücke, dann ist das schon beeindruckend. Ich selber habe ja keine Höhenangst (nur für die Jungs, da verfalle ich so in Stellvertreterrunterfallpanik), die Jungs auch nicht, und ich war mir nicht bewusst, dass der Hübsche (der ja UNBEDINGT zu dieser Brücke wollte) die grössten Probleme haben würde mit dem Rüberlaufen (und wieder zurück, alternativ hätte ein echt langer Umweg um den Gletschersee gewartet).....
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"Bis hierher und keinen Schritt weiter." |
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Jetzt aber wirklich nicht mehr weiter. |
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Rast vor der Brücke |
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Wer traut sich? |
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Glücklich drüben (im Hintergrund der Gletscher) |
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Aber man muss auch wieder zurück.... |
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Sogar in 100m Höhe über der Schlucht hängt eines dieser unsäglichen Liebesschlösser... |
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Seilbahn kommt zum Abholen ;-) |
Der Rückweg verlief dann noch undramatischer und nach insgesamt knapp sechs Stunden Wandern kann ich sagen: das machen wir wieder, die Jungs können das!
Tja, und so kaputt sie auch an der Bergstation waren, die Erholung beim Runterfahren reichte aus, um daheim erstmal für zwei Stunden ins Hallenbad zu verschwinden, danach mit 4 Portionen Nudeln wieder Energie zu sammeln und den Hübschen und den Schwesterfreund auf das versprochene Fussballspielen festzunageln....
Alles in allem: grossartig, wir freuen uns auf die Skiferen dort!