Aufgabe: Schreibe zu den folgenden Reizwörtern eine Geschichte: "Tessin, Vorspeisenplatte, Haut, Bierdeckel, StarWars, Unfallversicherung"
"Eine Verkettung unglücklicher Umstände"
oder
"Wie blöd kann man sein?"
oder
"Warum meine Mutter schon immer recht hatte"
Seitdem ich in den Osterferien zwei Gärkörbchen angeschafft habe, backe ich noch lieber Brot als vorher. Letzten Sonntag habe ich endlich das "
Pane Vallemaggia"* nach dem Rezept, das ich auf der
Vorspeisenplatte von
Frau Kaltmamsell gefunden und schon lange angeschmachtet habe, in Angriff genommen. Es lief alles wunderbar, den Weizensauerteig habe ich wegen "hamma ned" durch Roggensauerteig ersetzt, das Manitobamehl aus dem gleichen Grund durch normales 550er Mehl. Sonst habe ich alles genau so gemacht, wie im Rezept, das Brot wurde auch super und ich möchte betonen, dass
Frau Kaltmamsell mit den folgenden Ereignissen nichts zu tun hat und ich ihr auch nicht ansatzweise eine Mitschuld unterstellen möchte. Im Rezept wird das Brot nämlich auf einem Backstein gebacken, den wir praktischerweise seinerzeit mit dem Haus zusammen gekauft haben. Normalerweile nutzen wir ihn im kleinen Backofen für Pizza und Flammkuchen, diesmal durfte er in den grossen Backofen, der programmierbar ist und gross genug für ein riesiges Brot, umziehen. Ich habe also, während das Brot im Gärkörbchen immer grösser wurde, den Backofen samt Stein auf 230°C (mehr kann der grosse nicht) vorgeheizt. Im Rezept steht ausserdem, dass man eine Tasse mit kochendem Wasser unten in den Backofen stellen soll. Erst dachte ich ja, das könnte ich umgehen, weil der grosse Backofen gleichzeitig ein Steamer ist und dementsprechend eine Wasserverdampfeinheit unten im Boden hat. Allerdings muss man (laut Rezept) die Wassertasse ja nach 20 Minuten Backzeit wieder raustun und nachdem ich kurz überlegt habe, wie ich wohl die ca 200mL kochendes Wasser während der Backzeit bei 230°C aus der Verdampfereinheit wieder rauswischen sollte und mir dabei die Finger und andere Körperteile verbrennen würde, habe ich entschieden, dass ich die technischen Finessen doch nicht nutzen würde, sondern doch ganz klassisch dem Rezept folgen würde. Aus Gründen, die ich hier nicht näher ausführen möchte, die aber sehr wohl existieren und zunächst stichhaltig erschienen, nahm ich von der Verwendung einer Tasse Abstand und füllte meine Wasserbadschüssel mit Griff zum Schokoladeschmelzen mit kochendem Wasser und balancierte sie in den schon heissen Ofen und unter den schon heissen Backstein. Dabei verwendete ich zwar einen Topflappen, allerdings keinen Kochhandschuh, wie es mir meine Mutter schon immer gesagt hatte. Dementsprechend wäre meine Mutter auch kaum überrascht gewesen, wenn sie gesehen hätte, wie ich mit dem rechten Handgelenk an das Gitter mit dem Backstein kam, während ich noch versuchte, die Schüssel mit dem kochenden Wasser auf der konvexen Oberfläche der Verdampfereinheit abzustellen. In Anbetracht der Folgen (alles incl. mir voll mit kochendem Wasser) habe ich darauf verzichtet, meine Hand wegzureissen und dabei das Wasser zu verschütten, sondern lieber die Zähne zusammengebissen und erst einmal die Schale ordentlich plaziert.
In dieser Zeit hatte sich natürlich schon eine wunderbare Brandblase auf meinem Handgelenk gebildet, die ich plante, durch erst Kühlen und dann Ignorieren zum Verschwinden zu bringen.
Das Brot wurde übrigens ganz grossartig und wird sicher öfter gebacken werden, sobald ich mir einen Backhandschuh angeschafft haben werde.
Am nächsten Morgen war die Schwellung um die Brandblase schon deutlich zurückgegangen, die Blase war recht flach, der Plan mit dem Ignorieren schien zu funktionieren.
Leider ist das Bündchen meines Laborkittels offensichtlich rauher als angenommen, nach einem halben Tag Tragen war nämlich schon ein Fitzelchen Haut abgegangen, es nässte und sah nicht mehr ganz so harmlos aus. Aber: Aufgeben ist ja eigentlich keine Option und Brandsalbe daheim ist auch aus und dann wieder die ganzen blöden Bemerkungen, wenn man mit einem
Starwars-Pflaster ankommt, nein, Ignorieren klingt immer noch gut.
Am zweiten Tag nach dem Brotbacken hatte ich aus Gründen ein
StarWars-Quartett in einer ganz ernsthaften Sitzung mit dabei. Daraus sollten meine Kollegen im Team ein Kartenhaus bauen, was übrigens praktisch nicht möglich war, weil die Karten so rutschig sind, dass wir zum eigentlichen Knackpunkt des "
Blame Game"gar nicht mehr kamen, dafür muss die Praktikantin bis zum nächsten Mal
Bierdeckel ** besorgen. An dem grossen Whiteboard hatte ich mit einem grünen Marker schon mal die Regeln aufgeschrieben, und wollte eigentlich den Punktestand protokollieren, aber dann: nix mit Kartenhaus bauen, wird verschoben, weiter im Text und weil ja auf dem grossen "Was ich in einem Meetingraum beachten soll"-Plakat steht, dass man die Tafel abwischen soll, wenn man fertig ist, habe ich, ganz instinktiv mit dem Handgelenk meine grünen Kartenhausberechnungen schwungvoll abgewischt. Ja, ich muss gestehen, ein Schwammdingens lag neben dem Marker in der Rinne, und ja, ich habe schon früher gehört, dass man lieber mit einem Lappen als mit dem Pulli wischen soll, aber was solls, das ist halt ein Reflex. Wäre ja bis auf den grünen Arm normalerweise nicht schlimm gewesen, als ich aber statt meiner grünen Kartenhäuser dann hellgrüne
Hautfitzel auf dem Whiteboard sah und in dem Moment der höllisch brennende Schmerz am Handgelenk einsetzte, da wurde mir klar, dass
grüne Stifte und ich keine Freunde mehr werden, dass Ignorieren der nunmehr vollständig offenen, nässenden, grünen Brandwunde nun doch keine Option mehr wäre. Ich habe das Meeting noch durchgehalten, bin dann zur Werksambulanz, habe dort versucht, souverän zu erklären, wie ich zu einer grünen offenen Wunde kam, eine Tüte sterile Wundverbände und Brandsalbe bekommen und bald bekomme ich dann von der zuständigen Stelle die Formulare für die
Unfallversicherung. Leider ist auf den Pflastern weder Darth Vader noch eine Tigerente drauf, aber sonst ist ja alles nochmal gut gegangen.
* Mein allererster Chef hat ein Haus in dem kleinen Ort Maggia im
Tessin und ich habe dort schon wunderbare Tage verlebt. Das Brot ist mir dort zwar nicht besonders aufgefallen, aber das Maggia-Brot, das es bei unserem Bäcker hier im Ort gibt, das schmeckt sensationell, also: warum nicht selber probieren?
** Aus Gründen (A:
So etwas. B:
So etwas.)
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Sehr ausführlich geschildert. Du hast alle Worte untergebracht und man merkt, dass Du viel liest. Im realen Leben würde ja kaum jemand so ungeschickt sein und zweimal mit einem grünen Stift etwas so Dummes machen, oder? Für das Ausfüllen des Unfallberichts empfehle ich Deiner Protagonistin, nach dem Teil mit dem Brotbacken aufzuhören. Der Rest könnte etwas verwirren. Wollen wir hoffen, dass Deine Protagonistin etwas daraus gelernt hat und in Zukunft ein bisschen vorsichtiger mit grünen Stiften ist.