Der Hübsche ist stolzer Besitzer zweier Armbanduhren. Eine davon ist von einer renommierten japanischen Marke und aus Titan; ich weiss noch, wie wir sie damals zu Münchner Zeiten im Karstadt am Nordbad „gejagt“ haben.
Man könnte sagen: er hängt an dieser Uhr. Leider hängt die Uhr nicht so sehr an ihm, das Metallarmband geht nämlich immer wieder ungeplant vom Uhrenkorpus ab. Weil ich mit dem Büro über der grossen Stadt, die Gastgeber DER Uhren- und Schmuckmesse ist, natürlich näher an Uhrmacherläden/Juwelieren dran bin als er mit dem Büro auch ganz schön hoch über dem Schlafdorf in Suburbia, habe ich mich also bereitwillig für den Task „Uhrband wieder fest dran machen lassen.“ gemeldet.
Mir wurde aus leidvoller Erfahrung vom Versuch, die Batterien dieser Uhr (wasserdicht bis drölfzigtausend Kilometer) wechseln zu lassen, mitgegeben, dass es eventuell nicht ganz leicht sein würde, einen Uhrmacher, der ebendiese Marke in die Finger nimmt, zu finden. Ich habe also auf der Uhrenherstellerhomepage nachgeschaut, wer in der grossen Stadt jetzt Vertragshändler wäre. Leider war das so einfach nicht rauszufinden, man hätte eine Email an einen Uhrenladen in Genf schreiben müssen, deswegen bin ich also auf eigene Faust mal losgezogen. Nach vier Uhrmachern verschiedener Aufmachung und Preisklasse war ich ein bisschen schlauer:
keiner von denen ist Vertragshändler von der japanischen Firma
nur Vertragshändler fassen diese Uhr an, auch wenn es gar nicht um die drölfzigtausend Kilometer Dichtigkeit geht
Nein, sie wissen auch nicht, wer in Basel Vertragshändler für die ist.
Aber an sich könnte es keine grosse Sache sein, man müsste halt die Stiftchen im ersten Glied austauschen oder grad das erste Glied.
Also habe ich doch eine Email nach Genf geschickt, in der Zwischenzeit gegoogelt, welcher Händler auf der deutschen Seite der Grenze das machen würde, fündig geworden, fast hingefahren, dann
Platten gehabt, doch nicht hingefahren, Antwort aus Genf bekommen, es gibt genau einen Vertragshändler in Basel.
Ich habe also eine Mittagspause in der Stadt eingelegt, den Uhrenhändler gefunden, an der verschlossenen Tür gerüttelt, mich gewundert, weil ich ja innen drinnen sowohl Kunden als auch Angestellte sah, nochmal gerüttelt, keine Reaktion von innen bekommen, dann den diskreten Klingelknopf neben der Tür gesehen, geläutet, beim Summen erst mal gezogen, was falsch war (die haben noch nix von „FLUCHTTÜREN GEHEN NACH AUSSEN AUF, IMMER!“ gehört oder wollen es Flüchtenden nicht so leicht machen, was für einen Juwelier/Uhrmacher vielleicht verständlich ist), nochmal geläutet, dann gedrückt und dann war ich drin und es wurde wirklich seltsam.
FrB: „Guten Tag, ich habe hier diese Uhr von einem japanischen Hersteller, Sie sind da ja Vertragshändler, richtig?“
Uhrfrau1: „Ja, das ist richtig.“
FrB: „Ja, also, bei der Uhr geht immer wieder das Armband ab, ich nehme an, die Stäbchen sind ausgeleiert oder vielleicht muss man auch die ersten Glieder austauschen. Geht das?“
Uhrfrau1: *zückt Auftragstütchen und Stift*: „Ja, klar, bis wann brauchen Sie das denn?“
Auftritt Uhrfrau 2, die Uhrfrau 1 die Uhr aus der Hand reisst.
Uhrfrau2: „Was soll denn das, die Uhr ist ja gar nicht kaputt?“
FrB: „Die Uhr nicht, aber das Armband. Das hält nicht, es geht immer wieder ab und die Stifte fallen raus.“
Uhrfrau2: „Nein, tun sie nicht. Was nicht kaputt ist, kann man nicht reparieren.“
FrB: „Das Armband geht immer wieder ab. Vielleicht nicht grad jetzt, aber glauben Sie mir, öfter als es sollte, was ja ungefähr „nie“ wäre. Wenn Sie Zahlen brauchen, würde ich sagen, ungefähr 4mal die Woche, was unakzeptabel oft ist. Laut meinem Verständnis erfüllt das die Kriterien von kaputt oder zumindest reparaturwürdig.“
Uhrfrau2 wedelt mit der Uhr: „Nein, ist dran. Die ist nicht kaputt, da muss man nichts reparieren.“
FrB: „Anstatt mit Ihnen darüber zu diskutieren, was kaputt bedeutet, würde ich ja gerne zu einem anderen Uhrmacher gehen, aber Sie sind der einzige Laden, der im näheren Umkreis …“
Uhrfrau2 wedelt mit der Uhr weiter, und bevor ich meinen Satz beenden kann, löst sich das Armband und der Stift fällt raus.
Uhrfrau2: „So. Das weiss ich nicht, ob man das reparieren kann. Das ist ja jetzt ab.“
FrB: „Ja. Also. Haben Sie Ersatzglieder für dieses Band oder können Sie die beschaffen oder wenigstens neue Stifte?“
Uhrfrau2: „Ja, hmm, ob das dann hält…. hmmm… mach Du das mal“
Und damit wirft sie Uhrfrau1 Uhr und Tütchen wieder hin.
Die füllt alles aus, ich kriege einen Abholzettel, stelle mich beim Verlassen des Ladens leider für einen gelungenen Abgang zu ungeschickt an (kann ja keiner ahnen, dass man, um rauszukommen, da innen wieder einen Knopf drücken muss, und dann die Tür nach innen aufgeht) und harre der Dinge.
Heute war ich also wieder dort, um die Uhr abzuholen. Immerhin die Türgeschichte habe ich auf Anhieb hingekriegt, drinnen wartete schon direkt Uhrfrau2 auf mich.
FrB: „Guten Tag, ich würde gerne diese Uhr von dem Zettelchen da abholen.“
Uhrfrau2 kruscht rum, hantiert mit verschiedenen Schlüsseln, holt das Tütchen mit der Uhr und den zwei alten Stiften raus (Armband ist dran immerhin), schaut die Uhr kritisch an, wedelt mit der Uhr, schaut sich im Laden um, dreht an den Rädchen und fragt mich: „Ist das eine Herrenuhr?“
FrB: „Ja, warum?“
Uhrfrau2: „Weil, die geht gar nicht.“
Ich atme tief ein und aus und sage nicht, was mir auf der Zunge liegt („Was hat das mit Herren- oder Damenuhr zu tun? Ist es nicht DIE Eigenschaft, die alle Uhren gemeinsam haben, Zeit anzeigen?“), sondern sage: „Aha?“
Uhrfrau2, anklagend: „Ja, sehen Sie, auch das Datum hat sich nicht weitergestellt.“
FrB: „Ja. Sehen Sie mal. Die Uhr ist vor zwei Tagen stehengeblieben. Da lag sie schon bei Ihnen. Hmm.“
Uhrfrau2 wedelt wild mit der Uhr, gleicht sie hektisch mit allen Kuckucksuhren und sonstigen Zeitanzeigern im Laden ab: „Ja, geht nicht.“
In der Zwischenzeit habe ich kurz mit dem Hübschen abgeklärt, wann der letzte Batteriewechsel war („Schon länger her“), und meine freundlicher als mir zumute ist:
„Ja, dann würde ich vorschlagen, Sie machen da jetzt noch eine neue Batterie rein, dann ist das auch erledigt.“
Uhrfrau2: „Ja, aber ob sie dann geht?"
FrB (denkt sich: „Das sollte sie besser, weil sie ging, bevor ich sie hierhergebracht habe und du rumgewedelt hast, und da werden wir ja dann mal sehen, wie toll du das findest, wenn ich deinem Chef erkläre, wie unfreundlich du diese Herrenuhr kaputt gemacht hast“, sagt aber milde): „Das hoffen wir doch alle, oder?“
Ich schaffe sogar einen Abgang ohne wie doof an der Tür zu rütteln und hoffe jetzt wirklich, dass die Uhr nächste Woche geht und es nicht auf einmal heisst: „Sehen Sie, jetzt tickt sie, aber das Glas ist zerbrochen.“