Mittwoch, Februar 26, 2020

260220: Lauter Bundestrainer

In der Nacht vom Regen im Gesicht aufgewacht, ich liebe meinen Schafplatz unter dem immer offenen Dachfenster immer noch sehr.
In der S-Bahn die erste Frau mit Mundschutz gesehen (es war wegen Schulferien so viel Platz, dass sich um sie herum ein freier Perimeter an mehreren Sitzen ergeben hat, was dann sehr strange aussah, weil sie da sass, ihren grossen Shopper umklammert, Augen streng gerade aus, mit niemandem Blickkontakt), nun denn.
Nach kurzem Screenen des Twitterfeeds festgestellt: es reicht. Ich ertrage die unzähligen selbsternannten Seuchenexperten, Virologen, Experten für Gesundheitsmanagement, Diagnostik, Pandemievorssorge einfach nicht mehr. Dank Social Media und Panikmache in "seriösen" Medien denkt jeder, er wüsste alles, Meinung gilt mehr als Fakten. Man dreht sich im Kreis, weil man ja schon WEISS, was man glaubt zu wissen, und entweder wird man durch andere Beiträge bestärkt oder aber in den eigenen Verschwörungstheorien bestärkt, weil "schau mal, wie die das alles schönreden, die lügen doch alle!"
Es ist schon Jahre oder gar Jahrzehnte her, dass ich bei Tertia damals sinngemäss las: "Es gibt nichts besseres, als das Internet nach einer Meinung zu fragen. Wenn sie mir passt, kann ich sagen: "Schau, hab ich doch gesagt", wenn nicht: "Alles Idioten, weiss man ja, dass das Internet keine Ahnung von nix hat"
Ich glaube, die Mehrheit (oder das, was im Internet nach Mehrheit klingt) hat es verlernt, zu akzeptieren, dass man nicht zu jedem Zeitpunkt einen Situation abschliessend beurteilen kann, weil zB noch nicht genug Fakten vorliegen. Dass sich Einschätzungen ändern können (in beide Richtungen), dass man halt auch mal mit Unsicherheit leben können muss und das nicht heisst, dass DIE DA OBEN unfähig sind oder uns Informationen vorenthalten.
Es werden wild Äpfel mit Birnen verglichen, es werden ohne jede Ahnung von der Materie Pandemiepläne als nutzlos abgekanzelt, weil man selber ja auch schon mal "Plague" gespielt hat und deshalb praktisch eine Professur in Virologie oder auch schon mal Schnupfen und Fieber oder sogar eine echte Grippe UND NICHT GETESTET WURDE, deshalb weiss man, dass die ganzen statistischen Daten eh alle gefälscht wären.


Praktischerweise kehrt sich das Ganze ja auch ins Gegenteil um, wenn so eine Epidemie dann vorbei ist und am Ende vielleicht doch gar nicht so schlimm war wie die Spanische Grippe 1918 oder vielleicht doch nicht jeder, der nur am Asiaimbiss vorbei gegangen ist oder sich eine Pizza bestellt hat, direkt qualvoll verendet ist, dann hat man es nämlich schon immer gewusst, dass das ja alles nur Panikmache war und von den Pharmakonzernen lancierte Panik, damit die ihre überteuerten, nutzlosen Medikamente, Impfstoffe etc loswerden oder aber von den Regierungen, die damit von krassen Verfehlungen und Versäumnissen andererorts ablenken wollen.
Mich macht das alles sehr müde, weil
  • ja, mündige Bürger und Patienten sind grossartig. Niemand sollte mit Halbwahrheiten oder politisch geschönten Daten ruhiggestellt werden und alles fraglos akzeptieren müssen oder sollen.
  • aber: Meinung ist etwas anderes als Fakten. Und ja, meine lieben Schlaubischlümpfe, eine Ausbildung, ein Studium, Berufserfahrung in diesem Gebiet ist etwas anderes, als ein, zwei, drei Schlagzeilen und Artikel gelesen zu haben, selber mal gestetet worden zu sein, eie Nachbarin zu haben, die jemand kennt, der in einer Hausarztpraxis arbeitet oder halt einfach nichts zu glauben, weil man Angst hat und das verdammte Axt bestätigt haben möchte.


Ich bin ein wenig ratlos, weil ich mit dieser Schere zwischen Gefühl und Fakten einfach nicht umgehen kann. Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis für Information, aber andererseits weigert man sich, Informationen anzunehmen, wenn sie dem widersprechen, was man halt glaubt. Und mal ganz ehrlich: all diese Informationen sind verfügbar: ich kann beim RKI oder beim BAG etc nachlesen, wie das Grippemonitoring funktioniert, und warum nicht jeder einzelne Patient getestet werden muss und man trotzdem vernünftige statistische Daten bekommen kann. Aber trotzdem dreht man lieber hohl und kocht in der selbstzusammengestellten Paniksuppe auf Twitter, weil "OMG, WIR WERDEN ALLE STERBEN!" (Das immerhin ist wahr, wenn auch nicht alle am Coronavirus).


 
Ich musste in den letzten Tagen sehr viel an die "Orville"-Folge denken, wo die Crew auf einem Planeten landet, der die ultimative Demokratie lebt, wo alles per Mehrheit und direktes Voting entschieden wird, egal ob es Meinung oder Fakt ist....


Nun denn, ich habe dementsprechend beschlossen, mich an keinen Diskussionen mehr zu beteiligen und meine Timeline insofern zu kuratieren, dass ich mich dem auch nicht mehr aussetze, ich habe für so etwas keinerle mentale und emotionale Kapazität.






Sonst: ich weiss nicht, was los ist, ich sollte wahrscheinlich öfter mal Urlaub machen, die Arbeit geht mir extrem entspannt von der Hand, auch Themen, in die ich mich vor dem Urlaub durchaus emotional verbissen habe, flutschen mit etwas Abstand einfach so (oder auch nicht, aber ich muss nicht mehr so verbissen kämpfen, sondern kann manches auch einfach mal so stehenlassen. Hm.)


Es ist nach einem extrem frühlingshaften Wochenanfang heute übrigens wieder recht kalt geworden, es gab sogar Schneetreiben heute. Den Katzen, die die letzten Tage gerne mal an die 10 Stunden draussen verbracht haben, wurde das dann ungemütlich und sie haben am frühen Nachmittag schon den Feierabend eingeläutet.


So weit bin ich noch nicht, ich werde jetzt gleich für die Jungs und mich Abendessen machen, dann bis 20h an eine globalen Teammeeting teilnehmen (hmpf), und dann wird noch L.s bester Freund nach einem Guggenauftritt zum Übernachten kommen.
Irgendwo da drin bringe ich noch ein Stündchen Strampeln unter, das tut mir sehr gut!


Gegessen:
Zopf mit Erdbeermarmelade
Libanesischen Bohneneintopf mit Sojabällchen, Bulgur, Blumenkohl und Rotkohl (naja, hat nicht gepasst, war aber lecker)
Flammkuchen


Gelesen:
weniger auf Twitter :-)
"Der Hirte"


Gesehen:
"Narcos Mexiko"
Und ein internes Video über die Kollegen, die in China für die Distribution, Installation, Inbetriebnahme und das Troubleshooting für die Coronatests und des zugehörigen Equipments zuständig sind. Das sind echte Helden!


Stressleveldurchschnitt gestern: 37
Selbstbeweihräucherung: L. und L. sehr glücklich gemacht, als ich "Na klar" gesagt habe, als vor 3 Minuten der Anruf kam, ob L. bei L. übernachten könnte :-)