Samstag, Dezember 29, 2018

Zen. Oder so

Heute, bei einem kleinen unbedachten Ausflug in den lokalen Einzelhandel zeigte sich, dass ich entweder doch Spy-Material bin oder einfach tiefenentspannt.
Aber (you know the drill) lassen Sie mich erst ein wenig ausholen: Wenn Menschen, die in der Schweiz leben* einem EU-Land einkaufen**, sind sie berechtigt, bei der Ausfuhr der Waren aus Deutschland und der Einfuhr in die Schweiz die deutsche Mehrwertsteuer zurückerstattet zu bekommen. Bis zu einer gewissen Freigrenze müssen sie dafür auch nicht die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlen, sonst schon plus eventuell Zollgebühren.***
Alles in allem lohnt sich das bei grössere Beträgen schon, immerhin ist die Mehrwertsteuer für die meisten Sachen in D bei 19% und 19% zahlen oder nicht, das ist ja praktisch ein Unterschied von fast 40Mark.****
Ausserdem ist das überhaupt nicht kompliziert, man sagt im Laden an der Kasse "Könnte ich bitte einen Mehrwertsteuerzettel bekommen?", den füllt man dann aus (oder hat, weil man das jede Woche mehrfach macht und einen sehr langen Nachnamen und Wohnort hat, einen Stempel mit den persönlichen Angaben), geht damit bei Grenzübertritt zum deutschen Zoll, zeigt Reisepass (und Ausländerausweis, obwohl es den meiner Überzeugung nach nicht braucht, das habe ich auch schon mal in epischer Breite mit den Zöllnern diskutiert, bekommt einen Stempel und wenn man das nächste Mal in den Laden geht, gibt man den Zettel ab und bekommt das Geld zurück oder direkt vom nächsten Betrag abgezogen.*****



Die Mehrwertsteuerzettel sind entweder DINA4-Vordrucke, an die der Kassenzettel getackert wird und wo die Summe und die MWSt-Summe eingetragen wird, oder aber es ist schon in den Kassenzettel integriert. Alles easy, gerade im Grenzbereich ist es gang und gäbe und eigentlich keine grosse Sache.
Es gibt aber auch ein paar Läden, die das unnötig komplizert machen. Die erkennt man daran, dass sie diese Angelegenheit über Agenturen wie zB "Global Blue" abwickeln lassen. Das mag auf den ersten Blick einfacher für den Laden erscheinen, auf den zweiten Blick schiesst man sich dabei aber ins Knie. Es ist nämlich so: die Alleinstellungsmerkmale der verschiedenen Einzelhändler in der Region sind begrenzt. Und wenn ich in dem einen Kaufhaus einen Kassenzettel mit QR-Code bekomme, den ich beim nächsten Mal einfach wieder vorlege und in dem Kaufhaus auf der anderen Strassenseite mit dem identischen Angebot mit meinem Kassenzettel in den dritten Stock des total überheizten Ladens an die Infotheke, wo auch Reklamationen, verlorene Kinder und vergessene Geldbeutel abgehandelt werden, dackeln muss, dort einen Umschlag ausgehändigt bekomme, in den ich dann den Kassenzettel und ein Formular packe, das Ganze frankiere und irgendwo nach London schicke und dann EVENTUELL, wenn alles wunderschön geschrieben ist und der Mond richtig und alle Reissäcke in China stabil stehen, dann, aber nur dann, bekomme ich MONATE später das Geld überwiesen. Minus Auslandsbankspesen und einer Bearbeitungsgebühr., tja, dann ist schon klar, wie oft ich in dem Partnerunternehmen von Global Blue noch einkaufe, oder******?
Naja, das hat das Kaufhaus mittlerweile auch erkannt und man muss seit neuestem die Formulare nicht mehr nach London schicken, sondern kann sie direkt wieder (im dritten Stock, bei den verlorenn Hunden und so, aber immerhin nicht in London) abgeben und sich das Geld direkt auszahlen lassen. Wie Global Blue das findet oder wie das Kaufhaus von Global Blue überhaupt noch etwas anderes bekommt als die Formulare, weiss ich nicht, interessiert mich auch nicht.

So. Ich hatte in der Adventszeit aus Versehen im Global Blue-Kaufhaus einen Haufen Strumpfhosen gekauft (meine Güte, 20% Adventsrabatt UND Baumwollstrumpfhosen und fancy Farben) und wollte also heute mein Geld zurück. Ich marschierte mit meinem (von mir UND dem Zollbeamten abgestempelten) Zettel zur Infotheke, nur um zu hören: "Da fehlt noch die Pass- oder ID-Nummer, so kann ich Ihnen das nicht auszahlen."
Da war ich jetzt natürlich in eine Dilemma.
1. Ja, da war eine freie Zeile für die Passnummer.
2. Mein Stempel ist ohne Passnummer
3. Ich hatte meinen Pass nicht dabei.
4. Ich hatte keine Lust, zum Parkhaus zurück zu laufen, den Pass im Auto rauszukramen und nochmal in den dritten Stock zu fahren.
5. Alle Ausweisdokumenten werden vom Grenzbeamten überprüft und durch den Stempel bestätigt.
6. Das sollte auch Global Blue glauben.
7. Ein bereits abgestempeltes Dokument nachträglich zu ändern, ist Urkundenfälschung (hat mir ein Grenzer mal ausführlich erklärt).
8. Ich erhalte seit >16 Jahren mindestens ein, zweimal  pro Woche Mehrwertsteuer zurück, ohne auch nur ein einziges Mal meine Passnummer anzugeben, es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die nicht notwendig ist.

All das hätte ich der Frau an der Servicetheke natürlich erklären können, sie hätte mir die Auszahlung verweigert, die Schlange wäre immer länger geworden, ich hätte ihre(n) Vorgesetzte(n) zu sprechen verlangt, es hätte alles unglaublich lang gedauert, noch länger, als zum Auto zurückzugehen und das war mir ja schon viel zu lang. Ich hätte natürlich auch bitten können, "nur aaaaaaaausnahmsweise" das Geld ohne Passnummer zu bekommen, aber das war mir erst recht zu blöd.
Ich habe also (ich bin nicht GANZ Zen, nur ein bisschen), laut geseufzt, schwungvoll die Augen gerollt und 8 zufällige Zahlen und Buchstaben******* in die leere Zeile gekritzelt, mein Geld eingesackt und den Laden verlassen. Für immer und ewig. Sorry, das ist mir einfach zu doof.


*und gemeldet sind, ich habe jetzt keine Lust, mich in Feinheiten zu Erst-/Zweitwohnsitz einzulesen
**das geht natürlich auch andersrum und im Prinzip inm Grenzverkehr aller Länder, die nicht in irgendeiner Art Zollunion zusammengeschlossen sind
*** Zollgebühren sind natürlich nicht optional, das Erstattenlassen schon
**** Spässle
***** Man kann jetzt natürlich drüber lamentieren, dass das total fies wäre, weil die reichen Schweizer das Geld noch hinterhergeworfen bekommen und das für unnötige Beschäftigung und Stau am Zoll und an den Kassen sorgt und die Schweizer sollten nicht noch animiert werden, im Billigausland einzukaufen, aber erstens ist das jetzt nicht das Thema, zweitens ist es halt nun mal gesetzlich vorgesehen, drittens kann man das wunderbar zügig organisieren, man muss es halt nur wollen.
****** Es kann natürlich mittlerweile bei Global Blue alles ganz anders und total unkompliziert laufen, weiss ich nicht, weil ich nach den ersten beiden Malen Global-Blue beschlossen habe, nie wieder in Läden, die das so handhaben, einzukaufen. Deshalb ist meine Info mehr als nur ein paar Jahre alt.
*******Ich weiss nicht mal, wieviele Stellen eine Passnummer hat. Ich weiss immerhin die ersten 4-6 meiner auswendig, vom vielen Onlineeinchecken, aber anscheinend wusste das die Servicefrau auch nicht