Montag, Mai 17, 2021

170521 Das mit dem Hausarzt

Als ich noch nervös auf einen Impftermin wartete (klingt, als wäre das ewig her  :-)), und hier angekündigt wurde, dass nun auch die Hausarztpraxen impfen würden, wurde mir (und dem Hübschen) bewusst, dass wir ... gar keinen Hausarzt haben. Weil: warum? (OK, für einen Impftermin wäre das schon toll gewesen).

Als ich meinem Kinderarzt entwachsen war, war ich jung und gesund respektive zog öfter um als ich krank war. Ich hatte meinen Zahnarzt, meine Gynäkologin, einen Augenarzt, das wars dann eigentlich auch schon. In unseren drei Jahren in München gingen wir ein paar Mal zum Allgemeinarzt in der Strasse, dann zogen wir nach Basel, ich suchte mir eine neue Gynäkologin, zum Zahnarzt gingen wir beim Cousin des Zahnarztes meines Chefs (steht auch noch auf der Liste zum Neufinden), statt zum Augenarzt ging ich zum Optiker, für Impfungen zum Werksarzt, für ein oder zweimal krank ging ich zu einem Allgemeinarzt im Quartier. 

Dann zogen wir aufs Land, blieben dem Cousin des Zahnarzts treu, ich meiner Gynäkologin sowieso (irgendwann ging sie in Rente und ich bleibe jetzt der neuen treu, auch wenn die jetzt umgezogen ist und ich mich auch nach 3 Jahren noch nicht an die neue Adresse gewöhnt habe.) 

Ich habe zu einem Pharmaunternehmen gewechselt, das einen grossartigen medizinischen Dienst auf dem Areal hat, wo man nicht nur geimpft wird, sondern auch einfach ohne grosses Termin- und Anreisedrama schnell von der Arbeit zum Arzt einen Bau weiter gehen kann, wenn man Bauchwehmirisschlechthalsweh hat. Oder gegen einen Laternenpfahl geradelt ist. Oder sich die Schultermuskeln zu einem einzigen Schmerzball zusammengekrampft hat. 

Für die paar Sachen, die ich nicht beim Werksarzt besprochen habe, zB, weil ich zB im Mutterschaftsurlaub zu Hause war oder so, habe ich mich bei der Allgemeinarztpraxis im Ort gemeldet. Das war ... strange. Sehr, sehr strange. Die Praxis wirkte wie eine Zeitreise in die 70er, einiges davon sicher dem Umfeld in einem 70er-Betonbau geschuldet, einiges dem Akzent der Ärztin, der mich so sehr an eine Freundin meiner Mutter eben aus dieser Zeit erinnerte, so dass ich mich direkt zurückversetzt fühlte, und der Rest halt der Ausstattung. Ich wurde wegen Nebenhöhlenentzündung zwei oder dreimal dort geröngt (ich habe schon gar keine Ahnung, ob das wirklich JEDESMAL nötig ist) und das Röntgengerät sah aus, als wäre es schon in den 70ern gebraucht auf Ebay geschossen worden. Seitdem fühlte ich mich auch im Wartezimmer neben dem Rüntgenraum nicht mehr richtig gut.

Einmal war ich mit meiner blutenden Niere dort, hatte mich unter Schmerzen hingeschleppt, mir wurde draufgeklopft, "Vermutlich Nierenstein" attestiert, und ein Termin in einer Bildgebungspraxis drei Tage später ausgemacht. Weil man vor Ort keinen Ultraschall hatte (Hatten Sie schon mal Nierenkoliken? Ich halte das keine drei Tage aus). Seitdem war ich nicht mehr dort, für die Niere gehe ich jetzt da direkt ins Unispital, leider wurde das zwar durchdiagnostiziert, aber leider im letzten Moment doch nicht repariert, weil weg.

Das war also mein Stand mit Hausarztpraxis, beim Hübschen ähnlich, aber nach einem guten Jahr Homeoffice und dementsprechend nicht dem Werksarzt vor der Tür, hat man ja doch Zeit, sich Gedanken zu machen, und nachdem dem Hübschen beim Ausmachen seines Termins in der Uniklinik für Schilddrüse wieder einmal nahegelegt wurde, das doch in Zukunft via Hausarzt zu erledigen zu lassen, machte ich mich also auf die Mission "Hausarzt".

Als erstes fand ich raus, dass die Hausärztin mit der Stimme der Freundin meiner Mutter schon vor Jahren in Rente gegangen war und ihre Praxis nun von jemand anderem geführt wurde, erinnerte mich dunkel, dass der andere auch vorher schon mal da war und auch nicht wirklich überzeugte, naja, ist halt auch echt schwer in dieser Räumlichkeiten.

Ich habe also gegoogelt, im Nachbarort gibt es einige Gemeinschaftspraxen, auch in neuen Räumlichkeiten (habe ich rausgefunden beim Kinderarztbesuch und beim, stimmt, die habe ich auch seit Jahren, Hautärztinbesuch), allerdings ist die, auf die ich gehofft habe, eine Frauenheilkundepraxis, und da möchte ich nicht wechseln, also habe ich die nächste angeschrieben, ganz banal: "Hallo, wir würden gern die Hausarztpraxis wechseln, nehmen Sie neue PatientInnen an, wenn ja, wie würden wir das machen?"

Die Antwort war: "Bitte rufen Sie uns an."

Also habe ich angerufen, die Situation erklärt und bekam eine sehr irritierende Antwort: "Wenn Ihre Hausärztin in Rente geht, müssen Sie bei ihrem NachfolgerIn bleiben."

Ich war sehr irritiert, aber wer weiss, ich kenne mich ja nicht aus mit Hausärzten und vielleicht habe ich das mit "freie Arztwahl" bei der Krankenkasse missverstanden, und ich wäre nun auf ewig an die Betonpraxis mit dem Röntgengerät aus der Hölle und mit ohne Ultraschall gefesselt., deshalb fragte ich nach: "Ist das eine generelle Regel in der ganzen Schweiz oder im Aargau oder haben Sie sich das grad ausgedacht wollen Sie mir damit sagen, dass Sie keine neuen Patienten aufnehmen, obwohl ich genau das in der Email gefragt habe mit allen Hintergründen und wir uns das ganze Gesrpäch hätten sparen können?"

Und so war es dann auch: "Wir sind voll, wir nehmen nur neue Patienten, die keinen Hausarzt haben"

OK, hätten wir einfacher haben können, aber naja, vielleicht haben es Hausarztpraxen nicht ganz so mit Emails und Online und so, auch wenn man einen anderen Eindruck bekommen könnte, wenn man den prominenten Twitterhausärzten so zuhört. Aber gut, das Bild, das dort gezeichnet wird, bringe ich sowieso nicht mit meiner Hausarzterfahrung auch nur ansatzweise in Einklang.

Anyway, ich habe also die nächste Praxis angeschrieben und war sehr verwirrt, denn nur 10 Minuten später bekam ich eine Antwort mit "Ja, gern, bitte machen Sie doch einen Kennenlerntermin ab, bringen Sie dazu die Akten Ihrer alten Praxis mit."

Der Anruf in der alten Praxis war mir dann tatsächlich relativ unangenehm, weil ich sie ja verlassen würde, aber anscheinend schien sie das gar nicht zu kratzen und ich könnte die Akten ("Viel ist es ja nicht") in zwei Wochen abholen, solle halt einfach nochmal anrufen.

Nach zwei Wochen rief ich also an, man war erst sehr verwundert, dann fand man doch etwas parat gelegt ("viel ist es ja nicht"), bestellte mich für heute ("Sie können das von Ihrem Mann auch mitnehmen, müssen aber unterschreiben.") und gut.

Ich marschierte da also heute hin, bekam direkt wieder Beklemmungen, fand nach verschiedenen Fehlversuchen die richtige Tür (ich stand an der Tür, an der "Praxis Dr. Dingens, bitte läuten, Eintritt nur mit telefonischem Termin" stand, läutete, es summte, die Tür liess sich nicht öffnen. Das machte ich dreimal, dachte, irgendwann würde jemand merken, dass da was nicht funktioniert, aber nein. Ich rief also bei der Praxis an, erklärte mein Problem, "Stehen Sie vor der Tür?!", irgendwo anders ging eine andere Tür auf "Ach, die da hinten, die nutzen wir nicht.", und schon hatte ich kein schlechtes Gewissen mehr, dass ich da wegwollte. Noch mehr, als ich auf der Theke neben dem "Maskenpflicht"Tralalala-Schild eine Glaskugel voll selbstgenähter Stoffmasken zum Verkauf sah. Meine Güte, die haben schon nichts getaugt, als es noch keine medizinischen Masken zum Spottpreis gab, warum verkauft man die nach 15 Monaten IMMER NOCH?

Es ging relativ lang, bis die Akten "Viel ist das ja nicht" gefunden wurden, mir wurde meine zur Unterschrift vorgelegt, dann hiess es: "Für ihren Mann auch? Wir geben die eigentlich nur persönlich raus!" Und dann hatte ich echt keine Lust auf das Kaschperltheater mehr und sagte, was ich jetzt so oft gehört hatte: "Naja, viel ist es ja nicht", grabschte mir die Akte, kritzelte meine Unterschrift drauf und marschierte raus. Immerhin ging die Tür auf, das wäre ein unrühmlicher Abgang gewesen.

Der Termin bei der neuen Praxis steht, es kann nur besser werden. (Viel haben wir ja nicht.)


Sonst so:

Ich habe im Rahmen der Pandemie angefangen, Lokalnachrichten zu lesen, vor allem um über das lokale Infektionsgeschehen, Massnahmen und Impfgedöns zu lernen (also: BAZ, bz, Aargauer Zeitung) und da gibt es schon nicht nur das eine oder andere Rabbithole, in das man fallen kann (Sexuelle Belästigung in Anthroposophen-Restaurants incl Austanzen der Situation by proxy, googeln Sie mal "Unternehmen Mitte", wenn es Sie interessiert, Ratsmitglieder auf Abwegen, Strafprozesse, und neu diese Perle, die vielleicht Leute, die NICHT früher dort gearbeitet haben, gar nicht so goutieren können. Nur durch den Hübschen hingegen wurde ich auf diesen ... nicht so wirklich fesselnden Artikel aufmerksam, mit Perlen wie "Genau genommen lebten in der Gemeinde 45 Pferde (-34.8%), 13 Rinder (-71.7%) und null Geflügel (-100%)." und "Keiner dieser Höfe produzierte nach biologischen Kriterien. Im Vergleich zum Vorjahr war das insgesamt ein Bauernbetrieb weniger. Der Anteil Biohöfe blieb unverändert." Der einzige Satz, der den Artikel aber wirklich spannend macht (neben der Frage nach den 100% verschwundenen Hühnern) ist der letzte. "Dieser Artikel wurde mit Unterstützung eines Algorithmus erstellt." 

R U ok, Lokaljournalismus?

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