Mittwoch, November 21, 2018

Ab durch die Decke

Das war heute ein echt doofer Tag. Obwohl, eigentlich war nicht der Tag doof, sondern nur ein Teil, aber der dafür so sehr, dass es mir die Erinnerung an den gesamten Rest vermiest.
Tja nun. Ich reagiere halt allergisch darauf, wenn Leute mich am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Ich sehe es ein: kaum jemand reagiert mit derselben Schlagzahl wie ich auf Anfragen oder Mail oder was auch immer, das ist ja nicht mal schlimm (naja.), so lange ich nicht hinterherlaufen und betteln muss und das Zeug rechtzeitig kommt, ist mir das alles recht. Wenn ich aber für einen Standardprozess ohne Angabe von Gründen monatelang ignoriert werde, mir auf Anfrage mitgeteilt wird, dass das halt nicht gemacht würde, weil halt, dann werde ich schon sauer. Vor allem weil "Nicht machen" keine Option und "weil halt" kein Grund ist. Und vor allem, weil ich für diesen Prozess das A in der RACI-Matrix bekommen habe und eher friert die Hölle zu, als dass ich etwas nicht erledige oder halbfertig abgebe, für das ich zuständig bin.
Nun ja. Und wenn ich nach einer deutlichen Ansage nochmal ignoriert werde und nochmal nachfragen muss und noch mal "machichnichtweilhalt" höre, dann, tja, hm, verlässt mich die Contenance. Und darauf bin ich nicht stolz und es fühlt sich nicht mal befreiend an (dafür bin ich aus "magere Reste von Vernunft"-Gründen nicht genug ausgeflippt), weil ich nicht den Eindruck habe, etwas anderes bewirkt zu haben als die Erkenntnis: "Huch, schau an, die will das wirklich. Mir egal, mach ich immer noch nicht, weil halt."
Tja nun. Es mag nicht sonderlich erwachsen sein, aber das jetzt zu aufzuschreiben, hat mich grad wieder auf die Palme und von der halbscharigen Idee, mich für das Ausflippen zu entschuldgen, abgebracht. Sollen sie ruhig mal merken, dass ich nicht immer nur das "Sünneli" bin oder vielmehr, dass das Sünneli halt auch mal Feuerstürme loslässt. Irgendwie kriege ich das dieses Jahr noch unterschrieben.
Zur Beruhigung habe ich mir heute viele Videos von verschiedenen Herstellern konischer Zentrifugalsiebmühlen angeschaut, die sind sehr schön und hypnotisch und mit so viel Begeisterung und Verve erzählt, ich überlege tatsächlich, mir eine Siebmühle für zu Hause anzuschaffen. (Nur Spässle, ich muss ein "impact assessment" eines "Equipment changes" machen und wusste nicht genau, was der Unterschied zwischen den verschiedenen Siebmühlen ist.
Anscheinend wird übrigens mein Youtubeverhalten bei der Arbeit von Linkedin gemonitored oder so, auf jeden Fall bekam ich eine Headhunter/Recruiter-Email, wo mir aufgrund meiner "herausragenden Engineering-Kompetenzen" eine Stelle angeboten wurde. Ich habe freundlich geantwortet, dass ich sicher eine Reihe herausragender Kompetenzen habe, aber Engineering gehört nicht dazu. (ich kenne ja erst seit heute die breite Vielfalt an Siebmühlen).
Ich gehe nicht davon aus, dass eine Antwort kommen wird, ich habe manchmal den Eindruck, so Linkedin-Recruiter oder Headhunter sind eine ähnliche Klasse wie Bloggerkooperationsagenturen, die "Dein Blog ist uns aufgefallen und würde perfekt in das Schema unseres Kunden passen, schreib uns doch mal eine Offert für einen Post über Lichterketten vom Onlinelampenshop xy" oder von so Callcentern.
Letzte Woche (Vorletzte Woche?) hat mich eine angeschrieben, dass ihr mein Profil aufgefallen wäre und sie hätte das mit ihrem Kunden, einem der führenden Pharma- und Biotechunternehmen based in Europe diskutiert, und zwar mit den drei wichtigsten Board Membern dort, mehr könne sie mir aber wirklich nicht per Mail sagen, weil das ist ja nun zu vertraulich, aber sie wollen mit mir sprechen und ich solle doch mal meinen Lebenslauf schicken. Diese Anfrage fand ich so skurril und an den Haaren herbeigezogen, dass ich mal die Headhunterfirma gegoogelt habe und bei dem Webauftritt wurde mir wirklich fast übel. Man protzt herum mit den krassen Connections, die man zu den höchsten Kreisen der Pharmaunternehmen hätte, und die eigenen Berater, die würden sich seit Jahrzehnten in der Branche auskennen und diese CONNECTIONS!!!! Und auf den Bildern grinsen dich zu 98% weisse Männer an, Typ (Achtung, Vorurteil aufgrund einer nichtrepräsentativen Anzahl persönlicher Erfahrungen) "Sascha Maria Wilhelm Graf von Zitzewitz", der ein bis zwei Semester Biologie studiert hat, dann einen Bachelor an irgendeiner fancy britischen Uni und dann ein Praktikum in der Unternehmensberatung des Golfkumpels seiner Eltern. Vom Alter her übrigens alle so, dass die jahrzehntelangen Connections in die Pharmabranche nur möglich sind, wenn man die Paracetamolzäpfchen gegen Zahnungsschmerzen im Babyalter dazurechnet.
Ja. Also. So jemandem möchte ich meinen Lebenslauf ja eigentlich überhaupt nicht schicken geschweige denn meinen Karrierepläne diskutieren. Andererseits hatte ich mich schon so sehr über diese Selbstdarstellung aufgeregt und die Story mit den drei Boardmembern, die mich kennenlernen wollten, ohne überhaupt meinen CV zu kennnen, klang so nach "Sie sind der letzte lebende Erbe von irgendeinem nigerianischen Ölmilliardär, der Ihnen 3907608700000 Geld vermacht hat", dass ich mir dachte: Blogcontent gibt das allemal und ausserdem kann ich ihr mal sagen, wie abschreckend ihr Webauftritt wirkt. Also habe ich meinen Lebenslauf nicht geschickt, aber meine Telefonnummer angegeben und Gesprächsbereitschat signalisiert. Wir haben uns auf einen Termin geeinigt, der verging ohne Anruf, es kam noch eine Mail, dass sie sich wohl mit den Zeitzonen vertan hätte (und deshalb mal lieber gar nicht angerufen hat) und sorry, und wann wir denn dann reden könnten. Meine Mail mit Alternativvorschlag bekam keine Antwort mehr und tja, damit sich das Ganze wenigstens ein bisschen gelohnt hat, steht es jetzt halt mal hier. Falls einer der drei führenden Boardmember eins der wichtigsten Pharmaunternehmen hier mitliest: wir können reden. Zumindest über die Auswahl Ihrer Headhunter.

Nun ja. Morgen ist ein neuer Tag.

Stresslevel gestern: 19. Das neue Band hats auch nicht drauf.
Selbstbeweihräucherung: naja. Die Lippenstiftfarbe hat perfekt zum Rock gepasst.