Donnerstag, September 20, 2018

Passivaggressivistan

Ich habe heute in einer Mail geschrieben: "Yes, of course we will provide you the relevant documents confirming that purified water is clear and liquid although not being explicitly specified as such" und als dann irgendwann in anderem Zusammenhang der Satz auftauchte "As much as I love to facilitate and help out: accepting goods upon delivery looks like a standard activity for a warehouse to me, so I don't see any added value by  joining physically" und ich war ganz dieser Meinung und dann dachte ich: Hui, alle ganz schön geladen heute, ich glaube, ich gehe heim.
Das ist jetzt natürlich die eingedampfte Kurzform des heutigen Tages, aber immer nur Arbeitszeug ist ja auch langweilig, oder?
Ich habe mir heute zB total verrückt einen Rucksack gekauft, für Wanderungen, Städtetrips, Skifahren, also die Gelegenheiten, bei denen ich Regenklamotten, Proivant, Reiseführer und so für mehr oder weniger alle schleppe, weil der Hübsche die ganze Fotoausrüstung auf dem Rücken hat und die Kinder ... ja, auch manchmal was tragen. Bisher hatte ich da immer RiesenOaklay-Rucksäcke, die der Hübsche, sehr grosser Oakley-Fan, sich mal angeschafft hat und in die zwar viel, sehr, sehr viel reingeht, aber ich bin damit eher so ein Rucksack auf Beinen. Allerdings muss ich auch gestehen, dass sie für Kontaktaufnahme von Leuten ausserhalb meines normalen Kommunikationsspektrums sorgen. Oakley wirbt ja immer mit Desert Storm approved here, Special Ops there, und so hatte ich zB interessante Diskussionen mit Security-Typen am Europaparkeinlass, während wir drauf warteten, dass der Hübsche sein 2cm langes Taschenmesserchen ins Auto zurückbrachte, über was man da wo an welchem Karabiner befestigen kann (und ich muss sagen: irgendwann ist meine Kreativität im Spontanausdenken von Funktionalitäten im militärischen Bereich halt auch begrenzt) oder Biker denken, ich ware eine von ihnen.
Jetzt also habe ich einen FRAUEN-Rucksack in meiner Lieblingsfarbe dunkeltürkis, in dessen Trägern ich nicht ersaufe und dessen Hüftgurte nicht für eine drunter getragene DesertStorm-Uniform gemacht sind. Mein Assaultrifle muss ich jetzt halt woanders verstauen. Aber ich habe eine Pfeife am Brustgurt und sehe grossartige Zeiten für Städtetrips auf uns zukommen, wenn ich dran denke, wie schnell die Kinder auf die Pfeifen der Pfadileiter reagieren.


Sonst so: es könnte sein, dass ich nicht mehr zum Yoga gehen kann, zumindest nicht, bevor die andere Trainerin wieder da ist. Und das kam so:
Wie erwähnt, verbinde ich ja so eine Hassliebe mit dem aktuellen Stundenablauf, all das "Gschpürschmi" und "Spüre nach, wie sich deinen Beckenknochen beim Atmen bewegen." (Gar nicht) ist gar nicht meins, das eigentliche Yoga (mag sein, dass das ganze Spüren auch dazugehört, dann sage ich halt: das athletisch anstrengende. Oder das, wo sich überhaupt was bewegt oder dehnt, und ich nicht nur dran denke) ist allerdings super und ganz ehrlich ware auch die Schlussentspannung für einmal in der Woche super, wenn man dabei nicht angefasst würde (und eingecremt).
Also. Ich hatte nur heute über Mittag Zeit, allerdings ein Meeting Punkt eins, das schaffe ich nicht, wenn ich Punkt eins in Yogaklamotten im Luftschutzkeller voller Patchoulicreme bin. Allerdings sind da alle so nett und überhaupt zueinander, dass ich nicht einfach gehen wollte, sondern vorher kurz Bescheid sagen (incl innerer Beckerfaust, dass ich dadurch dem Eingecremtwerden entgehen würde). Tja. So einfach ist das natürlich nicht, weil einfach gehen? "Wann willst Du genau gehen?" "Naja, so ... 7 Minuten vor eins? Aber mach wegen mir keine Extrawurscht, ich schleich einfach leise raus, sobald ihr mit dem Shavasana anfangt" "Nein, auf gar keinen Fall. Ich will nicht, dass Du auf die Uhr schaust!" (Hm. Ich weiss IMMER wie spät es ist!) "Und du kannst erst nach Shavasanna gehen, du fängst einfach schon eher an, ich weck dich dann."
Ooookay, also. Nach ganz viel Körpergefühlübungen (Es gibt bestimmt Leute, für die das toll ist. Für mich: nicht.) und recht kurz eigentlichem Yoga wurde ich dann, während die anderen noch munter dehnten und sich falteten, zu "Lockerer Vorwärtsbeuge, dann gehst Du ins Shavasanna, ich wecke dich rechtzeitig" geschickt. Also. Ich lag also in Totenstellung mitten im Luftschutzkeller auf dem Boden, mit Augen zu, total entspannt, während um mich rum noch ge"turnt" wurde. Man muss vielleicht dazu sagen, dass ich zB egal wie müde ich bin, in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht schlafen kann oder auch nur die Augen zu machen, weil ich das Gefühl nicht ertrage, dass mich andere Leute sehen, am besten noch mit offenem Mund, ich sie aber nicht. Schlafen im Krankenhaus zB.: Auch sehr schwierig. Also. Ich lag leicht verkrampft mittendrin, blinzelte zwischen den Augenlidern vor, um zu merken, falls jemand auf mich draufsteigen würde, und mein Mantra (höhö) war: Immerhin kein Anfassen und Eincremen.
Ersteres war schnell erledigt, weil offensichtlich kann man ganz falsch liegen, mir wurden also meine Schultern korrigiert und auf die Stirn gedrückt.
Zweiteres: Ich war natürlich überhaupt nicht entspannt (und dafür kann keiner was ausser mir selber), so bekam ich genau mit, als der Rest sich hinlegen sollte und war praktisch schon am Aufspringen und "Tschüss"-Schreiflüstern, da wurde mir ins Ohr geraunt: "So, locker bewegen" und während ich noch zackizacki die Finger schüttelte, hatte ich schon wieder Patchouli-Crème auf den Schultern. Tja nun, soweit, so bekannt, aber diesmal sollte ich mich direkt aufsetzen und mir wurde der ganze Rücken massiert. Und ja, ich weiss, dass für vermutlich 99.9% der Menschen eine Rückenmassage mitten am Tag eine unglaubliche Wohltat wäre, egal, ob sie nach Patchouli riecht oder nicht. Für mich ist es die Hölle. Wirklich. Ich merkte ganz ohne in mich hineinzuspüren, ALLE Muskeln, die ich nur irgendwie habe, sofort verkrampften, weil ich es einfach nicht haben kann, wenn jemand mich anfasst. Es half übrigens gar nicht, dass die Lange des Rückens nach unten, sagen wir, mal extreme grosszügig ausgelegt wurde. (Meine Güte, bei allem Zusammenreissen: auf Hosenbundhöhe ist meine Komfortzone für alle, die keine Ärzte, meine Kinder oder mein Mann sind oder stolpern oder sowas, beendet und noch ein gutes Stück unterhalb des Bauarbeiterdecolletes, also... Sie verstehen, warum ich da nicht mehr hinkann, oder? (Jajaja, richtig erwachsen wäre, das anzusprechen und zu sagen, dass ich weder angelangt noch eingecremt werden möchte, aber hm.). Ich schau mir mal die Yogastunden am anderen Standort an. Die sind "eher klassisch und nicht so athletisch" ausgelegt. Was auch immer das bedeutet, ich kann mir kaum noch weniger athletisches als an Knochenbewegungen beim Atmen Denken, vorstellen.
Mein Fazit: ich hab das jetzt probiert mit ausserhalb der Komfortzone, aber das war nix.


Stressleveldurchschnitt gestern: 41
Selbstbeweihräucherung: schon wieder genetworked. Und jetzt muss ich mich entscheiden.