Montag, September 11, 2017

What if?


LittleBinF hat ein Blogstöckchen (Krückstockgefuchtel: so hiess das, bevor "Blogparaden" hip wurden. Und es braucht dafür auch die semiprofessionelle Auswertung nicht, weil lesen können wir ja alle, nech?) geworfen, das es in sich hat, nämlich einen Fragebogen mit für mich (hoffentlich für immer) sehr hypothetischen Fragen zum Alleinerziehen.
Als gute Bloggerkollegin fange ich das Stöckchen natürlich, möchte aber einen Satz oder zwei vorne weg schicken: Für mich ist das Alleinerziehen sehr weit weg und sehr hypothetisch. Deshalb tue ich mir schwer, so zu antworten, dass es nicht klugsscheisserisch oder nach "Lehrbuch für Trennungen" klingt. Mir fehlt die Erfahrung der Verletzungen durch oder an (oder beides) der Person, mit der man sein Leben verbringen wollte und mit der man nun Kinder hat, die ja vermutlich einer Trennung vorausgehen und ich weiss, dass ich die emotionale Situation, in der man dann landet, nicht nachvollziehen kann. Was ich in meine Antworten einfliessen lassen kann, ist meine aktuelle Situation, die Vorgeschichte des Hübschen und mir und meine persönliche Vorgeschichte, respektive die Trennung meiner Eltern, die ... sagen wir, zumindest für mich ein Musterbeispiel ist, wie man so etwas auf gar keinen Fall machen sollte.




Jetzt aber.



1. Wie war Deine Vorstellung von Familie vor Familie? Wieviel ist wahr? Was ist komplett anders geworden?
Verheiratet, zwei Kinder (wenn ich hätte auswählen können, erst Junge, dann Mädchen), Haus, Katze, beide arbeiten, wir machen alles gleichberechtigt.
Das einzige, was anders ist: Little L. ist kein Mädchen (und nein, das ist überhaupt kein Problem, das habe ich nur als Gag geschrieben).


2. Wie ist das Familien- und Arbeitsleben bei Dir aufgeteilt? Wer leistet wieviel in welchem Bereich: Haushalt, Kinder (Begleitung / Bringen zu Aktivitäten, Arztbesuche etc), technische Aufgaben (Auto, Reperaturen), Kochen?
50:50. Es gibt Bereiche, in denen tendenziell der eine mehr und der andere weniger macht (Kochen: ich, Lampenwechseln und Autowaschen: er), aber jeder weiss und kann, was nötig ware, d.h. es würde nicht nur Butterbrot und TK-Pizza geben, wenn ich nicht verfügbar ware, genauso wenig, wie wir im Dunkeln in einem dreckverkrusteten Auto sitzen würden, wenn der Hübsche ausfiele.


3. Entspricht das aktuelle Familienleben Deiner „Wunschvorstellung“?
Ja.


4. Ab wann würdest Du Dich „alleinerziehend“ bezeichnen?
Ich denke, auch wenn es nicht ganz korrekt ware und eher "getrennt erziehend" ware, ab dem Zeitpunkt, wo kein vertrauter Austausch über Kindererziehung und -entwicklung mehr möglich ist.


5. Zu Zweit schafft man mehr, und es bleibt – im besten Fall – auch mehr Zeit für einen selbst übrig: Was würdest Du als erstes streichen (müssen), wenn als Single-Elter die Zeit nicht mehr reicht? Wo wärst Du am ehesten bereit Abstriche zu machen?
Hm. Ich persönlich glaube (würde aber vllt ganz schön auf die Welt kommen), dass ich da, wo wir jetzt sind, mit Kindern, die mit 8 und 12 schon recht selbständig sind, gar nicht so viel mehr Zeit brauchen würde. Vermutlich am ehesten würde ich an der abendlichen Serienguckzeit streichen.


6. Müsstest Du als Single-Elter Abstriche beim Job machen (z.B. wegen Kinderbetreuung)?
Nein. Die Kinder sind erstens schon so gross, dass man nicht 24/7 hinter ihnen her sein muss, wir haben mit der Nanny die Betreuung der Zeiten ausserhalb der Schule geregelt, mein Arbeitgeber unterstützt flexible Arbeitszeiten und für Übernachttermine und Geschäftsreisen würde ich hoffen, mich mit dem Hübschen nach wie vor arrangieren zu können und auch wenn nicht, ist das Netzwerk, das wir mittlerweile haben, so belastbar, dass es auch das tragen würde.


7. Wo werden die Kinder im Fall einer Trennung bleiben? Mutter oder Vater? Welches Modell (Wechsel, Nest, Ferien) wünschst Du Dir?
Optimistisch wie ich bin, habe ich mich bbisher überhaupt nicht informiert, wie das in der Schweiz standardmässig gehandhabt wird oder die Rechtssprechung ist. Bei den getrennten Familien im Bekannten. und Freundeskreis allerdings wird das Wechselmodell gelebt. Ich persönlich würde das auch favorisieren, allerdings bedingt das natürlich, dass man eine Ebene findet, auf der man nach wie vor partnerschaftlich (im Sinn von .. .gemeinsam) entscheidet und am selben Wohnort bleibt, damit Schule, Freunde, Freizeit nicht auch noch leidet. Ich könnte mir nicht vorstellen, meine Kinder nur in den Ferien und jedes zweite Wochenende zu sehen, möchte das aber auch vom Hübschen nicht verlangen. Ich möchte ausserdem, dass die Kinder Alltag mit beiden Eltern erleben. Gegen "Nest" spricht, dass ich mir bei besten Willen nicht vorstellen kann mit meinem getrennten Partner eine Wohnung zu teilen, auch wenn es nicht gleichzeitig ist. Ich brauche für meinen Alltag einen festen Raum, wo nur ich bin. Und ja, ich wiss, dass ich den Kindern das dadurch nehmen würde, aber ich bin alt und eingefahren. Sorry, Kinder.


8. Wie würde sich das Alleinerziehend sein auf die Finanzen auswirken? Hast du Angst, finanziell „abzurutschen“ als Single-Elter?
Naja, es ware schon weniger Geld als zu zweit, wir müssten ja zwei Wohnungen haben. Andererseits ist das die Hauptlehre, die ich aus der Trennung meiner Eltern und allem danach gezogen habe: mein Ziel ist es, jederzeit in der Lage zu sein, allein für die Kinder und mich (und auch den Hübschen, wenn er aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr arbeiten kann) zu sorgen.


9. Was ist mit Kindesunterhalt? Würdest Du anstandslos zahlen bzw. würde es anstandslos gezahlt?
Wenn der zahlungspflichtige Elter nicht zahlt: Gang zum JA für Unterhaltsvorauszahlung?
Ja und ja.
Wenn nicht: ich weiss nicht, wie das in der Schweiz geregelt ist


10. Vorausgesetzt ihr seid verheiratet: Würdest Du Trennungsunterhalt verlangen/ zahlen?
Auch hier: keine Ahnung, wie das hier geregelt ist. Ich glaube nicht, dass einem von uns Unterhalt vom anderen zustehen würde.


11. Müsstet ihr umziehen?
Müssen: weiss ich nicht. Das Haus bzw die Hypothek läuft auf uns beide und vermutlich ware es möglich, den anderen auszuzahlen oder so.
Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass wir einen klaren Schlussstrich ziehen würden und keiner von uns mehr in dem Haus wohnen möchte, das UNSER Haus war.


12. Was glaubst Du, wie schnell schafft Ihr es, von der Paar-Ebene auf die reine Eltern-Ebene zu wechseln? Wie gut würde es Dir gelingen und wie gut Deiner*m Partner*in?
Schwer zu sagen. Hängt sicher auch damit zusammen, was der Hintergrund der Trennung ist.
Aus dem Bauch raus würde ich sagen, mir würde es schwerer fallen, weil ich unglaublich nachragend bin, der Hübsche kann besser vergeben und vergessen (ich kann keins von beiden).
Allerdings habe ich aus Kindersicht erlebt, wie es ist, wenn das nicht klappt und ich möchte meine Kinder niemals in die Situation bringen, das erleben zu müssen und würde alles mir mögliche tun, um das hinzubekommen, so schwer es mir auch fällt.


13. Sorgerecht ist ja – sofern nicht Schlimmes vorgefallen ist – unkritisch, also nicht wirklich verhandelbar. Wie würdest Du das umgangsrecht regeln wollen: Vereinbarung unter Eltern, in Absprache mit dem JA, in Absprache mit einem Anwalt, gerichtlich?
Auch hier wieder: ich weiss nicht, welche Möglichkeiten und Gepflogenheiten es in der Schweiz gibt. Ich würde mich auf keinen Fall auf eine rein private Vereinbarung verlassen, auf der anderen Seite würde ich ein Gerichtsverfahren oder zwei Anwälte wirklich vermeiden wollen. Ich habe erlebt, wie sehr für Anwälte vermutlich Standardformulierungen unglaubliche Verletzungen zufügen können. Ich würde hoffen, dass wir das in einer Art Mediation hinbekommen.


14. Würdest Du das alleinige Sorgerecht wollen, wenn die Kinder bei Dir bleiben? Würdest Du es dem anderen Elter „zugestehen“? (sehr hypothetische Frage)
Hm. Da wie gesagt mein Ziel ein Wechselmodell ware, wäre das Resultat "Kinder bei mir" oder "Kinder bei ihm" schon ein Scheitern der Verhandlungen. Da wäre schon so viel kaputt, dass ich vermutlich auch noch den letzten Schritt zum alleinigen Sorgerecht gehen würde. Dem anderen Elter das alleinige Sorgerecht zugestehen: kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.


15. Weißt Du, was eine Sorgerechtsvollmacht ist?
Ja. Danke für den Hinweis, wir haben die ersten Schritte dazu gemacht, der Hübsche und ich sind uns einig, die Person, die wir uns wünschen, weiss Bescheid und ist einverstanden, aber deas Verschriftlichen fehlt noch. Das werde ich jetzt in Angriff nehmen.
EDIT: und weil ich jetzt die ganze Nacht drüber gegrübet habe, dass das ja überhaupt nicht zu dem Alleinerzehendenthema past: okay, ich habe das mit "Sorgerechtsverfügung" verwechselt.
Sorgerechtsvollmacht weiss ich jetzt also auch.
Würde ich das wollen/erteilen? Ich würde ja ein funktionierendes Wechselmodell anstreben, da hätte sich das erledigt, oder? Bzw beide bräuchten das.

16. Was sind generell Deine größten Ängste hinsichtlich des Ein-Elter-Daseins (z.B. finanziell/ Job), organisatorisch, bzgl. der Kinder, Selfcare)?
Meine grösste Angst ist, dass ich niemanden mehr hätte, mit dem ich meine rationale und irrationalen Ängste und Freuden bezüglich der Kinder ungefiltert teilen könnte und dann vielleicht irgendwann platze oder zur Crazy Mom werde.
Ich hätte auch Angst, dass ich es nicht hinbekomme, meine vermutlich nicht allzu positive Gedanken dem Mann gegenüber meinen Kindern hintenanzustellen. Ich habe erlebt, wie das sein kann und am allerschlimmsten ist, wenn dir als Kind an den Kopf geworfen wird: "Du bist genau wie dein Vater", wenn Du weisst, dass der die Person ist, die deine Mutter am meinsten auf der ganzen Welt verachtet, hasst oder wie auch immer man das benennen mag. Das ist auch noch mit 40 schlimm.




An den Hübschen, der jetzt gerade auf der anderen Seite des Atlantik ist: das ist keine Aufforderung und keine Anspielung, nur (schmerzhafte) Theorie, bitte komm gesund wieder nach Hause, wir freuen uns sehr auf Dich!


Liebe LittleBinF: danke für den Denkanstoss!

2 Kommentare:

Ruth P. hat gesagt…

Ich kenne es fast nicht anders, ich habe meine Kinder allein erzogen, denn mein Mann starb bei einem Autounfall, als sie 9, 5 1/2 und 4 Jahre alt waren. Sie sind jetzt alle über 40 Jahre alt, haben Familien, sind glücklich verheiratet und ich bin fest in ihrem Leben mit einbezogen. Als mein Mann starb war ich mir der Verantwortung bewusst, und nahm sie ohne Zögern auf. Mein Beispiel waren ja auch die Krieger Witwen, die ich aus meiner Kindheit kannte. Kruckstockfuchtelei mit beiden Händen.
Ich freute mich immer an meinen Kindern, die Kehrseite des Alleinerziehends ist, dass einem keiner dazwischen redet. Ja, man trifft allein alle Entscheidungen, und weiß natürlich nicht, wie es zum Schluss endet.
In meinem Fall, ganz, ganz prima.
Und der Hübsche ist vielleicht 15 Minuten von uns einen Burger am futtern.
So klein ist die Welt.
Die allerherzlichsten Grüße!

jule hat gesagt…

ich finde das ausgezeichnet beantwortet. und ich merke beim durchlesen, dass ich bis heute glaube wir haben das in unserem trennungsfall nur deshalb so saugut hingekriegt, weil wir beide null ahnung von recht hatten :))) in unserem fall also ein hoch auf unser wurschtigkeitsgefühl, wir wussten schlicht nicht unsere rechte ;)