Hoch die Hände!
Heute hatten wir mit Little Q. Halbjahreslehrerelterngespräch. Alles super, unser und Q.s Bild von ihm und seinen Leistungen passt sehr gut mit der Lehrereinschätzung zusammen, das ist ja auch nicht selbstverständlich und viel wert. Ich war noch gar nicht darauf vorbereitet, dass es einen Grossteil des Gesprächs über den am Ende des nächsten Schuljahres anstehenden Übertritt gehen würde, aber es macht ja absolut Sinn, das nicht erst dann anzusprechen, wenn am nächsten Tag die Entscheidung fällig ist. Für uns ist das natürlich besonders spannend, weil wir beide das deutsche (bayerische :-)) System von vor drölfzig Jahren kennen, und wie es in der Schweiz so läuft, wissen wir nur von Hörensagen und Internetinformationen der verschiedenen Schulbehörden. Konkret wird das ja alles erst in einem Jahr, aber soweit das jetzt beurteilbar ist, sind sich alle drei Parteien einig, wo es wie hingehen wird. Hui, das wird spannend (ich musste ein bisschen an Rory Gilmore und Chilton denken).
Eigentlich wollte ich dieses Gespräch bzw. die Selbstverständlichkeit, Unaufgeregtheit, Normalität dieser Kommunikation zum Anlass für einen Rant nehmen, wie unglaublich übergriffig und mühsam ich die Art finde, wie über Lehrer (und Kindergärtner, Trainer, Kinder- und sonstige Ärzte) hergezogen wird. Wie im Internet und im realen Leben der Fehler NIE beim eigenen Kind oder, noch schlimmer, bei den Eltern liegt, sondern immer die Person schuld ist, die unangenehme Wahrheiten anspricht oder auf die Einhaltung von Regeln besteht. Wie ein aufgebrachter Twittermob, die sich aufgrund von 140 Zeichen ein Urteil über eine Person und eine Situation bilden, von der sie nicht einmal wissen, ob sie existiert geschweige denn, ob sie so passiert ist, angegoogeltes Halbwissen über eine Berufsausbildung inclusive Studium und Berufserfahrung stellt, und die Lehrer und Kinder von heute in einen Topf mit dem, was ihnen vor 30 Jahren in der Schule traumatisches angetan wurde, wirft. IMMER. Wie der Apothekenrundschau oder den Nachbarn der Kusine der Schwiegermutter oder jemandem, der eine Ausbildung in Irisauspendeln mit Katzenschädeln hat, mehr Fachkompetenz zugesprochen wird, als dem Arzt, der das Kind tatsächlich untersucht hat, weil Ärzte sind, anders als die Katzenschädelpendler, ja nur auf ihren eigenen Profit aus. Und wie froh ich bin, dass ich beruflich nichts mit Kindern (ausser meinen eigenen :-)) und noch besser: auch nichts mit ihren Eltern zu tun habe. Ich hätte dann noch einen Bogen gezogen zur Abgrenzung zwischen Obrigkeitshörigkeit und der Anerkennung von Autorität bzw. Sachkompetenz, aber irgendwie war der Tag dann schneller rum als gedacht, es gab Pizza, wir mussten mit den Kindern noch schnell die schon hochgeladenen "Everysecondcounts"-Videos anschauen ("Switzerland, twelve points"), erklären, was ein Hoax ist, es gab Rotwein, wir haben noch das Schweizer Sirenenschaf angeschaut und jetzt mag ich mich auch nicht mehr echauffieren.
In diesem Sinne: gute Nacht.
7 Kommentare:
Das ist sehr schön, dass sie das so sehen. Dankesehr.
Eigentlich erzãhle ich außerhalb meines Schulumfeldes niemandem, dass ich Lehrerin bin.
Ich habe nämlich die Geschichten so satt, die sich darum drehen, wie die Person vor Jahrzehnten
von einem Lehrer ungerecht benotet/unfreundlich angesprochen/ ignoriert wurde.
Von kaum einem Beruf meint die Öffentlichkeit mehr Ahnung zu haben als von dem des Lehrers.
Ach ja, der Bundestrainer, dem muss es ãhnlich ergehen.
Wenn wir es schaffen würden, nicht sofort ein negatives Urteil über Lehrer, Ärzte, Nachbarn und - ja auch Eltern - abzugeben, sondern vielleicht einmal um das Problem herumgehen, tief atmen und nachdenken würden, ginge es uns allen besser. Selbst die Armen, die sofort hochkochen und Schuld suchen, bleiben doch mit einem aggressiven Gefühl zurück. No Win!
Danke! Ich war fast 40 Jahre Lehrerin an einem Gymnasium. Mir selbst sind -soweit ich es einschätzen kann - solche Dinge nie passiert, aber im Internet und unter Kollegen schon. Wobei ich sagen muss -Achtung:Der Vogel kackt nicht ins eigene Nest -, dass Lehrer auch oft den Dingen Vorschub leisten. Das entschuldigt gar nichts, weder Unfairnis noch Selbstgerechtigkeit oder Kritikunfähigkeit noch Willfährigkeit den eigenen Zöglingen gegen über noch etwa die Unzufriedenheit mit dem eigenen Lebensweg. Viel Glück für Little Q. auf dem weiteren Weg und immer die richtigen Lehrer!
Wenn man sein Kind kennt, weiß man in der Regel, wer "schuld" hat (wobei ich dieses Wort in diesem Zusammenhang nicht unbedingt passend finde). Das kann am Lehrer liegen (in meiner eigenen Schullaufbahn gab es genau einen Fall, wo es an der Lehrerin lag und ich hatte mit mindestens 60 Lehrern das Vergnügen), tut es aber meist nicht. Insofern hilft nachfragen, da klärt sich viel. Und gerade in der Grundschule finden sich meist sehr engagierte Lehrer. Und ja, es ist gut, wenn eigenes Bild und Lehrersicht auf das Kind übereinstimmen.
Ich wünsche euch gute Entscheidungen auf dem Bildungsweg und engagierte Lehrer.
LG von TAC, bei deren Töchterchen in diesem Jahr der Schulwechsel ansteht
Als mein Sohn - heute ist er 36 - in der Grundschule war, wurde ich von Eltern für den Elternbeirat vorgeschlagen. Damals gab es schon Kritik an den Lehrern und am System und überhaupt. Ich habe dankend abgelehnt mit den Worten: "Da ich mit der Meinung eines Großteils der Elternschaft nicht einverstanden bin, kann ich sie auch nicht vertreten!" was wissendes Grinsen der Klassenlehrerin und verblüfftes Schweigen der Eltern zur Folge hatte. Bis eine Mutter sagte: "Dann kann ich sie ja gar nicht wählen!" Irgendwas hat sie wohl nicht verstanden.
Ich zähle mich zu jenen mit einem extrem kritischen Blick auf Lehrer, und ich habe dafür m.E. gute Gründe, die ich in meinem Blog darlege. Mein Punkt hier: Es gibt weder DIE Lehrer, noch DIE Eltern oder DIE Kinder. Und ich sehe auch keine alleinige Verantwortung (für mich das passendere Wort als Schuld) bei einem der drei Parteien - es ist immer das Zusammenspiel aller.
Grundsätzlich halte ich eine gute Beziehung zwischen Lehrer und Schüler für elementar, für die aber aufgrund der Konstellation Erwachsener/Kind der Lehrer die Verantwortung trägt. Darüber hinaus fände ich eine aufgeschlossene Art und Weise der Zusammenarbeit mit den Eltern wichtig - ich habe das bisher kaum erlebt. Und das auszusprechen finde ich in keiner Weise übergriffig.
Och schade, ich hätte den Rant gefeiert.
Vielleicht können wir ja mal einen zusammen schreiben … :)
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