Dienstag, April 12, 2016

Diversity and Inclusion: There clearly are limits.

Als ich gestern frisch von meinem Trainingskurs zurück kam, fand ich nicht nur die aktuellen Fachzeitschriften auf meinem Schreibtisch (ich muss immer an die Kaltmamsell denken, wenn ich die Cover sehe), sondern auch eine runde Kiste mit meinem Namen und meiner Adresse drauf. Innen war ein graviertes Wasserglas ("Courage to travel new ways") mit einem Stressquetschball in Globusform. Der beiliegende Flyer erklärte, dass das ein Dankeschön wäre für die Teilnahme an einer Fokusgruppe zum Tema "Diversity & Inclusion" und dass wir weiterhin Mut zeigen sollten, um D&I weiter voranzutreiben etc..
Soweit so gut, ich war bei der Fokusgruppe, habe beigetragen, das Glas ist nett, Mut ist einer unserer drei Unternehmenswerte, die ich übrigens aus tiefster Seele ganz grossartig finde. Dann aber wurde auf die Website des Glasherstellers verwiesen und ab dann wurde es ... schwierig. Der Graveur ist nämlich ein "erfahrener Heiler". Er graviert Dinge ins Glas und bringt das Wasser im Glas dazu, sich zu .... sorry, ich kann das nicht so wunderbar ausdrücken, deswegen zitiere ich von der Homepage:

"Ein kleines Beispiel dafür: Ich graviere auf ein Glas das Wort „Achtsamkeit“. Das Wasser erkennt diesen Impuls und konzentriert alle Informationen in Zusammenhang mit dem Begriff „Achtsamkeit“. Trinken wir dann dieses Wasser, nehmen wir diese Informationen auf und sie werden für uns zugänglich. Da wir Menschen zu über 70% aus Wasser bestehen, können wir diese neuen Informationen sehr leicht in unseren Organismus aufnehmen, wo sie ihre Wirkung antfalten."
 
Wenn ich so etwas im normalen Leben (auf dem Weg von meiner Frauenärztin zur Tramhaltestelle ist zB so ein Laden) sehen würde, würde ich je nach Zenmeisterstatus entweder denken "Whatever rocks your boat" oder aber die Augen rollen, eventuell noch ein Foto machen und mich auf Twitter oder Instagram über die Aluhut-Fraktion lustig machen. Wenn mir im Internet so was vor die virtuellen Füsse gespült wird, rolle ich auch die Augen und je nach Stimmung bleibts dabei oder ich versehe das auch mit mehr oder minder witzigen oder klugscheisserischen Kommentaren.
Jetzt aber habe ich dieses Ding als Geschenk bekommen. Auch hier: in meinem Privatleben würde ich, je nach Schenkendem und Impulskontrolle entweder höflich lächeln oder einen Aluhutkommentar abgeben. Tatsächlich hat aber irgendjemand, der mit mir zusammen in einem der führenden forschenden Pharmaunternehmen arbeitet, bei diesem Eso-Laden ("Ausbildung in Schamanischem Reisen") einen Haufen dieser Gläser bestellt und sie verschenkt. So nett die Geste des Schenkens auch ist und so gut der aufgedruckte KalenderSpruch auch passt, so sehr daneben finde ich die Unterstützung dieser abstrusen Esoschwurbelei von unserer Unternehmensseite. Ich hätte ja (in dubio pro reo etc) erst gedacht, da hat jemand Bilder gegoogelt und dann einfach was Nettes bestellt., aber da war ja definitiv der Verweis auf eben diese Wassergedächtnishomepage.
Also habe ich nach einer Nacht drüber schlafen beschlossen, dass zum Leben des Wertes "Mut" auch die vielbeschworene Speak-up-Kultur gehört und so habe ich heute morgen mit so viel Fingerspitzengefühl wie irgend möglich eine Mail formuliert an, ja wen denn jetzt? Ich habe ja keine Ahnung, wer diese Gläser bestellt hat, deswegen habe ich nachgeschaut, wer zur Fokusgruppe eingeladen hat. Ein Check im internen Adressbuch ergab, dass es sich um ein direct report von HR-Site-Head des Headquarters handelt. Nun denn. Es ging ja um Mut, nicht?
 
Also habe ich wohlgesetzte Worte (hoffentlich) gewählt, die meine aufgerollten Fussnägel illustrieren. Ich habe auf die Worte "Aluhut" und "Esogeschwurbel" verzichtet, habe mir auch den Witz* verkniffen, dass ich in dem Zusammenhang ja schon fast überrascht war, dass da eine WeltKUGEL in dem Glas war und keine Scheibe. Leider kam der Hübsche mit seinem Vorschlag für einen wunderbaren Schlusssatz zu spät: "I just realized: there IS a limit for diversity and inclusion.".
 
Jetzt bin ich mal gespannt, laut Kalender ist die Kontaktperson erstmal voll und ganz ausgebucht die nächsten zwei Wochen, ein OOO-Reply gab es allerdings nicht. Aber Sie können sich sicher sein: der Freundeskreis Spannungsbogen wird auf dem Laufenden gehalten werden ;-).
 
 
* In dem Training letzte Woche habe ich ja tonnenweise Feedback bekommen. Was immer gelobt wurde, war mein "level of energy" und dass ich immer gute Laune verbreite. Was auch immer kam: ich brauche zu viele Nebensätze und rede zu kompliziert und solle nicht jeden noch so witzigen Nebengedanken direkt in einem Nebensatz verarbeiten. Und es gibt manche Witze, die man besser nicht macht. Und weil man seine Ziele ja immer SMART formulieren soll, d.h. v.a. auch messbar, habe ich jetzt beschlossen, mir in jeder Konversation mindest einen spontanen Witz zu verkneifen. Dafür habe ich ja dann das Blog ;-).
 

3 Kommentare:

TAC hat gesagt…

Ich lach mich inzwischen nur noch halbtot über solche Aussagen. Und ich mag Menschen, die das ähnlich kurios finden, wie ich (allerdings hab ich mir abgewöhnt, etwas zu sagen, wenn jemand auf Kügelchen oder ähnliches schwört). In diesem Sinne empfehle ich Hirschhausens Buch "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben" und da speziell das Kapitel zur Alternativmedizin (Sinngemäß: Die Sitzung kostete 200 Euro, ich überwies 0,02 Euro und schrieb dazu, "Ihr Konto hat alle Informationen die es braucht.").
Und nun bin ich auf die Antwort gespannt, sofern denn eine kommt.
LG von TAC

Anonym hat gesagt…

Oh oh ohhhhhhhh
Ich bin gespannt

Drücke die Daumen und denk an die Übernahme der Firmenleitung

Danke, weiter so
Sehr spannend

LG
Sandra

Graugrüngelb hat gesagt…

Die wichtigste Frage ist doch: Hast du dir vor der Mail mit dem Wasser aus diesem Glas Mut angetrunken? ;-)

(Hab mich neulich schon bei Twitter amüsiert und bin sehr gespannt, was für eine Antwort kommt.)