Kümmerer
So, morgen geht es los, mit dem neuen Job. Auf der einen Seite freue ich mich natürlich wie ein Schnitzel (ich meine: wieder zurück in die Produktion, die Traumfirma -eigenes Postamt, Schwimmbad, Fitnessstudio, Schuhputz-, Reinigungs- und Bügelservice, das ist doch mal was? Ja klar, ich weiss schon, dass sie in den Newbieunterlagen, die ich die letzten Wochen brav studiert habe, die positiven Seiten rausstreichen und den Teil mit der Arbeit und so erst mal aussen vorgelassen haben. Aber hey, immerhin gibt es was zum Rausstreichen ;-)-, also, liebe zukünftige Kollegen und Chefs, falls Sie das hier lesen, man weiss ja nie, ich freu mich!), auf der anderen Seite mache ich mir natürlich schon Gedanken, ob die Entscheidung, auf 80% zu erhöhen nicht auf Kosten der Jungs geht. Klar, rational weiss ich, in dem alten Job wäre ich kaputt gegangen (Habe ich schon mal erzählt, dass der Hübsche mich ernsthaft gefragt hat, ob ich nicht lieber gar nicht mehr arbeiten will, als so?), und damit wäre auch niemandem geholfen gewesen, aber gerade Little Q. macht mir meine uneingeschränkte Freude nicht so richtig leicht. Er hat sofort ausgerechnet, dass er jetzt ja mit vier von 7 Wochentagen mehr in der Kinderkrippe ist als daheim, hat mir vorgeschlagen, doch lieber als Briefträgerin oder eben auch in der Kinderkrippe zu arbeiten, dann wäre ich entweder nur vormittags unterwegs oder eben die ganze Zeit um ihn rum, er hat jetzt morgens beim Abgeben gerne mal wieder Heimweh- und Trennungsschmerzattacken. Ich habe neben Little Q., dem Hübschen und seinen Kindergartenlehrerinnen gestern auch ausführlich mit seinem Gruppenleiter in der Kinderkrippe darüber geredet und der (btw: hach. Wenn ich gross bin, möchte ich auch so geduldig, tiefenentspannt, ruhig und reflektiert sein) hat mir eine ganz neue Sichtweise auf die ganze Problematik eröffnet. Er ist nämlich högscht angetan davon, wie Little Q. erstens seine Bedürfnisse und Probleme artikulieren kann (ich sags ja), wie er damit umgeht, nämlich dass er es rauslässt, sich dann trösten lässt und dann ist es gut und er kann weitermachen. Und da wurde mir klar: natürlich kann ich mir wünschen, dass alle immer 100% mit dem einverstanden sind, was ich tue und das gut finden, und ausserdem sollte es jeden Winter schneien, meine Haarfarbe sollte nie rauswachsen und Mousse au chocolat sollte keine Kalorien haben, aber genauso haben sie das Recht, im Leben nicht mit allem zufrieden zu sein und auch mal traurig, enttäucht und schlecht gelaunt zu sein. Solange das kein Dauerzustand ist und sie mit oder auch ohne Hilfe da wieder rausfinden, ist das auch okay.
Und da ist mir noch was bewusst geworden (schon im Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen über das "Little Q. und der neue Job"-Thema. Er hat gemeint, seine älteste Tochter wäre auch so ein "Kümmerer", das wäre halt bei den Ältesten so): ich bin in dieser Hinsicht genauso wie Little Q., ich mache mir Gedanken um Gott und die Welt und v.a. ungelegte Eier (Highlight der letzten Tage, das schlägt sogar noch die Putzfrau und die Katze, auch mitten in der Nacht: mir ist eingefallen, dass Little L., wenn er dann übernächsten Sommer in den Kindergarten kommt, im ersten Jahr jeden Kindergartentag von der Kinderkrippe aus hinlaufen wird und gar nicht mit der Gruppe aus unserem Weg, weil ja Freitag die Kleinen immer frei haben. Im zweiten Jahr wird er dann auch freitags gehen, also von daheim aus, der Weg wird für ihn aber neu sein, und kann ich ihn dann da von Anfang an alleine gehen lassen? Muss ich ihn begleiten? Ist das nicht doof, wenn er als dann Grosser auf einmal von der Mama gebracht wird? Kann ich mich verlassen, dass er die Strasse richtig überqueren wird? Oh Gott, ich Rabenmutter, versaue dem Jungen die Integration, nur weil ich auf meine Karriere aus bin...... und genau dann ist mir eingefallen, dass nicht nur Little Q. zu dem Zeitpunkt schon in der dritten Klasse sein wird und an den besagten Freitagen denselben Weg laufen wird und schon drauf schauen wird, dass sein kleiner Bruder keinen Mist macht, nein, mir ist auch bewusst geworden, dass ich mich mit Problemen um den Schlaf bringe, die vor dem August 2014 nicht aktuell sein werden. Und da habe ich dann aktiv diese Gedankenspirale beendet und mir selber gesagt: Jetzt mach dir mal keinen Kopf, das wird dann schon) und genau wie ich muss Little Q. lernen, diese Gabe richtig einzusetzen. Vorausplanen und praktisch nie kalt erwischt zu werden, weil man mindestens 3 Notfallpläne einsatzbereit in der Tasche hat, das ist super, aber eben: August 2014, das ist zuviel.
Und daran musste ich auch denken, als ich den Mama-Miez-Eintrag gelesen habe.... ich mache mir ehrlich gesagt, in der Jobsache auch mehr Gedanken um Little Q., ob das daran liegt, dass er der Älteste ist und deswegen ein Kümmerer oder ob er einfach so ein Kümmerer ist und ich auch und ich das deswegen sehr gut nachvollziehen kann? keine Ahnung. Und ja, natürlich mache ich mir auch Gedanken um Little L., (klar, ich Kümmerer), ob ich ihn vernachlässige, ob ich mir nicht genug Gedanken um ihn mache etc., aber ich habe das (gute) Gefühl, dass er sehr in sich ruht, sehr gut weiss, was er will und solange Little Q. in der Nähe ist, einen sehr guten Anker hat.
(Ich frage mich ja, obe meine Mutter sich auch solche Gedanken gemacht hat. Ich war/bin ja auch die Älteste, aber bei mir ist hängengeblieben, dass die Rolle der Ältesten v.a. mit Vorbildfunktion (der Standardsatz war "K., wozu hast du die Kleinen jetzt schon wieder verleitet?", dabei habe ich das Rolltreppefahren im Sitzen im Beck perfekt geschafft, nur die dritte Schwester hat sich mit dem Reissverschluss zwischen zwei Stufen verklemmt. Und auch da finde ich nach wie vor meine Reaktion, den Reissverschluss beherzt abzureissen, bevor die kleine Schwester in das Rolltreppenende gesaugt wird, eigentlich richtig. Nur mal so) und um Dinge kämpfen, die den Folgeschwestern dann einfach in den Schoss gefallen sind, zu tun hat. (Ich denke da an Sportverein, das erste Mal beim Freund übernachten, auf Parties gehen, sich von den Freunden mit Führerschein heimbringen lassen anstatt vom Papa um 23:00 abholen zu lassen....)
Und ja, hier ist natürlich ein Disclaimer für meine drei kleinen Schwestern fällig: ich bin mir durchaus bewusst, dass das meine eigene subjektive Erinnerung ist, ihr hattet es bestimmt mit mir als grosser Schwester auch nicht leicht ;-).
Ach ja. Sie lasen: unsortiertes Gedankengut einer Kümmererin. Fazit: ich freu mich auf morgen. Und der Rest wird dann schon.