Dienstag, Juni 02, 2020

020620: Himmelhochjauchzend, ...

genau, zu Tode betrübt.
Heute war kein so guter Tag. Es war nicht ganz so schlimm wie damals, als ich mir den Kopf angeschlagen habe und der Drehschwindel zurückkam, ich habe mir stattdessen heute den kleinen Zeh (links) gebrochen, aber das war nicht mal schlimm, das passiert ja jeden Sommer. Diesen Sommer sogar wieder klassisch, nämlich barfuss mit einem Zeh an einem schweren Stuhl hängen bleiben, normalerweise waren das die TripTraps, aber die sind ja ausgemustert worden, deshalb musste heute der massive Klavierhocker herhalten, und nicht so hochdramatisch wie letztes Jahr, als ich sechs Wochen vor dem Outdoorurlaub die Treppe runtersegelte.
Der doofe Teil begann heute sehr früh, nämlich um halb fünf, als die beiden Katzen beschlossen, dass nun wirklich Rausgehzeit ist (diese eine Nacht, in der wir draussen geschlafen haben, hat sie auf echt dumme Ideen gebracht), und naja, zum einen fehlt mir halt ein bisschen Schlaf, dann machte ich mir Gedanken, weil sie halt schon eher im Dunkeln raussind, und dann machte ich mir noch mehr Gedanken, weil der Hübsche und ich uns total vernünftig einig sind, dass wir sie halt rauslassen müssen, wenn sie rauswollen.
(Kleiner Exkurs, den Sie überspringen können, wenn Sie Haustiergadgets und Hacker-Jonny nicht interessieren: wir haben ja an sich die perfekte Katzenklappe, die wir per App steuern können, d.h. wir haben jahreszeitlich angepasste Öffnungs- und Schliesszeiten, die an die Sonnenaufgangs- und -untergangszeit angepasst sind, jedes Betreten und Verlassen (naja, fast jedes. Sansa hat einen Trick raus, dass man erst ganz lang durchstarrt und dann schnell flitzt, dann wird das Gehen nicht erfasst, das Kommen aber immer) und sogar Annähern ans Törchen werden gespeichert. Wir können jede Menge fancypopancy Zeug einstellen, d.h. katzenspezifisch den Zutritt steuern, das Törchen ausserhalb der Zeit verriegeln, aber all das geht nur, wenn das Törchen nur softwareverriegelt ist, d.h. mit einem Stift, der bei Erfassen des RFID-Chips in der Katze eben runterfährt oder nicht. Also eigentlich könnten wir morgens um halb fünf sagen: "Blast uns doch den Schuh auf, raus aus dem Schlafzimmer, motzt unten weiter" und die Decke über die Ohren ziehen. Jetzt ist es aber so, dass Jonny gelernt hat, softverriegelte Törchen zu öffnen. In Sekundenschnelle drückt er mit einer Pfote den Stift runter und zieht mit einer Kralle der anderen Pfote die Klappe nach innen und schlängelt sich raus. Sansa kann das nicht und das ist natürlich unfair, wenn einer rauskann und die andere nicht. Ausserdem zeichnet die App nicht auf, was nicht sein darf, d.h. wenn Jonny ausbricht, steht da nicht "Jon hat das Haus durch Terrasse verlassen. Tschüss, Jon", sondern meist nur "Jon hat durch Terrasse geschaut" und er ist immer noch als "Drinnen" markiert. Dadurch geht nicht nur jede Statistik kaputt sondern auch der Sinn des Fancypopancytörchens: dass wir immer wissen wollen, ob die Katzen drinnen oder draussen sind. Jonny können wir also nur einsperren, indem wir das Törchen hart verriegeln, d.h. mechanisch den Drehknopf um 90Grad drehen, das kann Jonny noch nicht umgehen.
Exkurs Ende)
Also haben wir beschlossen, dass wir, auch in Vorbereitung für die Ferien, wo wir das Törchen eben nicht festverriegeln können und die Nachbarn nicht damit stressen wollen, uns dran gewöhnen, dass die Katzen wieder länger draussen sind und vielleicht schlafen sie dann wieder länger und wenn nicht, dann dürfen sie halt in Gottes Namen auch im Dunkeln raus, weil naja, "ALLE ANDEREN DÜRFEN ABER AUCH!" und ich muss halt einfach länger schlafen als bis halb fünf. Manchmal.

Aaaaber: in meinem Hinterkopf hat mich das dann doch irgendwie nachhaltig beschäftigt.
Dann: ist die Arbeit halt viel und nicht immer straight forward. Ich vermisse in so manchen Team Leute wie mich (ganz ernsthaft), die halt einfach mal, auch wenn es nicht 100% ihr Job ist, einfach mal machen und mehr machen, als sie müssten, nur damit es halt in Gottes Namen erledigt ist, anstatt ewig und drei Tage rumzuzetern, dass das jemand anders machen müsste, oder halt so teflonmässig "Jemand müsste" und "Someone really should..." von sich geben. Ja, ich weiss, immer alles selber machen ist keine Lösung, aber je nach Tagesform finde ich das Verhandeln noch viel mühsamer (Um das Sprichwort mit dem hungrigen Mann, dem man keinen Fisch schenken soll, sondern anglen beibringen, zu strapazieren: manche Männer mögen scheints überhaupt keinen Fisch und sind auf knallharter Diät.)

Was mich dann aber am meisten bedröppelt hat, war die Infoveranstaltung zum Standort-Ramp-up, Wave 2. Direkt nach dem täglichen Tweet des BAG, das heute wieder einmal einen neuen Tiefststand an Neuinfektionen meldete (drei. DREI! Ja, Feiertage tralala, ich weiss) und somit meine "Eigentlich ist fast alles fast normal"-optimistische Stimmung von gestern anfeuerte. Und dann hörte ich eine Stunde lang, wie alle Gebäude, alle Lifts, alle Treppenhäuser, Drehtüren, Kaffeeküchen, Meetingräume, Schreibtische, Cafeterien, Personalrestaurants etc. den geltenden Richtlinien entsprechend Corona-sicher gemacht worden sind. Wie es Einbahnstrassen, markierte Standplätze in den Liften, Anleitungen zum Drehtürbedienen, Antikörpertests, Masken für den, der mag, genaue Angaben, wie viele Menschen in jeden Meetingraum maximal dürfen, wo man sitzen darf, welches Waschbecken und WC man nutzen darf, alles wird andauernd desinfiziert, die Lüftung wurde evaluiert, man kriegt Desinfektionsmittel zum Nachfüllen und überhaupt gar nichts ist normal. Verstehen Sie mich nicht falsch: ich finde das alles sehr grossartig und vorbildlich und bin unendlich froh, für eine Firma zu arbeiten, in der Wissenschaft verstanden wird, in der Sicherheit für Mitarbeiter essentiell ist und die die Kapazitäten (finanziell wie auch vom Verständnis und Mindset her) hat, die offiziellen Vorgaben umzusetzen. Wirklich. Ich bin von Herzen froh! Aber: "normal" ist das nicht. Und so bin ich halt nach meiner gestrigen kurzfristigen Euphorie ganz schön hart auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen und muss anerkennen, dass wir halt von normal schon noch ganz schön weit weg sind. Trotz "Schule wie fast normal" und nur drei Neuinfektionen heute. Das ist an sich nix Neues, nix Überraschendes, das einzig für mich überraschende war, wie überraschend ich es fand und wie sehr ich mir in den letzten Tagen dann doch unbewusst ein Wunschkonzert in meinem Kopf zusammengezimmert hatte und wie traurig mich das gemacht hat, dass es halt nur genau das ist.

Spannend, sich dabei zu beobachten! (Und wenn man das nicht nachts um drei macht, ist es auch nur spannend und ein bisschen bedröppelt und nicht zu Tode betrübt.)