Montag, Juli 16, 2007

Manche Leute lernen's nie

Ich zum Beispiel. Wieder mal wollte ich meine Mutter am Telefon davon überzeugen, dass 6 Wochen Sommerferien doch ausreichend Zeit böten, meine anderen Schwestern für ein Wochenende in die Pflicht zu nehmen, so die Zoobetreuung sicherzustellen, und nach vier Jahren endlich mal wieder zu uns runter zu kommen. Aber, wie sollte es anders sein, nachdem seinerzeit auch ein frischgeborener Enkel kein Grund für einen Besuch war, ist es ein neues Haus (und ebenjener Enkel, den es ja immer noch gibt, sogar mit Geburtstag in den Ferien) erst recht nicht. Die aktuelle Begründung: "Wir hatten gerade erst Schulausflug nach Regensburg. Nich nur meine Schüler sind assozial, auch alle Leute, die mit der Bahn fahren, das ertrage ich nicht. Ich muss in den Ferien inmeinen vier Wänden bleiben und keinen Menschen sehen."
Klare Ansage. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht einerseits stinksauer wäre, aber mir andererseits auch irre Gedanken machen würde, dass solche Aussagen, sagen wir es vorsichtig, psychisch nicht gerade gesund klingen. Ich weiss, sie hasst ihren Beruf (Hauptschullehrerin im Problemviertel einer Kleinstadt, nach der Scheidung von meinem Dad musste sie nach 20 Jahren Kinderpause wieder anfangen), ihre Schüler (Problemviertel hat, meine Mutter hatte mit meinen Schwestern und mir schultechnisch immer viel Glück und war noch nei ein Diplomat), deren Eltern (Problemviertel...), ihre Kollegen und den Rest der Welt. Ich habe das Gefühl, das einzig Wichtige für sie sind ihre zig Tiere. Sie wird immer wunderlicher (und depressiver, das darf man aber nicht sagen, weil mein Vater beim Trennungsshowdown mit Diagnose "Depression" in der Psychiatrie war und meine Mutter das nie verstanden/ihm nie verziehen hat) und ich mache mir sehr viele Gedanken, ob ich mir irgendwann Vorwürfe mache. Sollte ich ihr mehr helfen? Aber wie? Und würde sie mich lassen? Habe ich die Kraft dazu? Im Moment tendiere ich zu einem Nein, aber ich weiss nicht, ob das nur Faulheit ist.
Aber trotz allem sind 400 km doch eine Strecke, die man irgendwie in vier Jahren einmal bewältigen könnte, oder?

11 Kommentare:

Melody hat gesagt…

Du hast ihr angeboten zu kommen und sie eingeladen. Wenn sie das nicht möchte, musst doch nicht du das schlechte Gewissen haben ... ich könnte mir in so einer Situation allerdings einen (sachlichen) Brief nicht verkneifen, dass ich das so enttäuschend finde. Aber ich muss eh immer mit dem Kopf durch die Wand.

Katrin hat gesagt…

Ich/wir habe/haben mit psychischen Problemen in der nächsten Verwandtschaft leider sehr sehr viel Erfahrung und kann aus dieser nur sagen: es ist absolut legitim, auch das eigene Leben im Kopf zu haben und sich nicht für die anderen aufzureiben. Wir haben für diese Erkenntnis mehr als ein Jahr gebraucht und so einiges einstecken müssen. Und wirklich helfen kann nur jemand vor Ort, vor allem, da sie die Nähe zu Euch scheinbar nicht wirklich sucht. Es gibt da diverse Anlaufstellen. Bei Bedarf kann ich da bestimmt (leider) weiterhelfen...

Karin hat gesagt…

@Melody: Du hast ja recht.... das mit dem Brief habe ich schon mal gemacht, zu einem anderen Thema. Erfolg war in der Sache keiner, ansonsten wird mir der in Streitsituationen (die ich eh schon vermeide) immer noch gerne um die Ohren gehauen....
@Katrin: Bei uns hat die beschäftigung mit Depressionen dieses Jahr *Hurra" 10jähriges Jubiläum.... Anlaufstellen gibt es , sicher, die kennen wir dank meinem Vater zur Genüge. Meine Mutter hält die, ich nenne die gesamte berufsgruppe jetzt mal salopp, Psychofritzen aber alle für Scharlatane (das ist mein Ausdruck, ihre sind deutlich drastischer). Jeder Mensch, der ihr nur im Ansatz widerspricht, will ihr nur Böses und versteht sie sowieso nicht, sie braucht keine Hilfe, nur die Welt sollte endlich mal so sein, wie sie es gerne hätte,.... naja.

Anonym hat gesagt…

Das ist wohl eine jener Situationen, in der man das Gefühl hat, alles nur irgendwie falsch und noch schlimmer machen zu können, egal, was man tut. Auch wenn es Dich dabei manchmal fast zerreißt, hier ist sicher tatsächlich eine Portion gesunder "Egoismus" bzw. Persönlichkeitsökonomie Deinerseits angebracht. Aber ich kenn das mit dem schlechten Gewissen zur Genüge: Meine Mutter beschwert sich ständig, daß ihr nicht genug geholfen werde (in diversen Zusammenhängen), wenn man aber kommt und tatsächlich Hilfe anbietet, anpacken möchte und ihr etwas abnehmen, steigert sie sich in eine Opfertirade hinein ("Laß nur ... Ich bin euch ja sowieso egal ..."). Man kann sie noch so oft *anflehen*, die Hilfe doch einfach anzunehmen und nicht zu schmollen oder zumindest nicht so schlimm zu kritteln ("Nein, völlig falsch, laß nur, das mache ich doch lieber selber ..."). So macht sie sich immer weiter kaputt, ich steh dabei und bin ratlos.

Anonym hat gesagt…

Sind unsere Mütter Zwillinge? Nach dem ich meiner weltliberalen-stark-grün-angehauchten Mutter zum ersten mal ehrlich meinen Standpunkt gesagt hatte - zum Thema "böser Exmann" nach 20 Jahren Scheidung - spricht sie nicht mehr mit mir ... zur Hochzeit konnte sich auch nicht kommen ...
Die Welt versteht sie einfach nicht ...jeder will ihr böses, also wird man lieber zum Einsiedler ... sollte mal ein Enkelkind kommen werde ich es wohl per Post bekannt geben ;-)

Anonym hat gesagt…

ich hab den eindruck du redest von meiner mutter. meine eltern sind zwar noch verheiratet, was die depression meines vaters und das "nicht-verzeihen-können" meiner mutter aber nicht besser macht.

gute nerven!

Pampersfront hat gesagt…

Schau, mir gehts ähnlich. Meine Mutter setzt sich auch nicht in den Zug, um ihren neuen Enkel zu sehen, denn "Wer soll sich denn um die Blumen kümmern, wenn sie mich besuchen kommt??". Ich rede ja nicht von einer Woche Innsbruck, sondern von 1 Tag und mein Vater wäre durchaus auch in der Lage, die Blumen zu gießen... Und mit ihren katholischen Freundinnen kann sie ja auch 2 Tage zu irgendeiner Wallfahrtsstätte fahren, das überleben die Blümchen ja auch. Sie hätte auch heute mit der Schwimu mitfahren können, aber das geht ja nicht, wegen der Blumen...

Anonym hat gesagt…

ich werd immer ganz traurig, wenn ich das über deine familie lese. wie kann man als oma bzw. opa SO WENIG interesse an seinem enkel haben? ich verstehe es nicht.

aber du kannst es nicht ändern, mehr als anbieten geht nicht. aber es sind und bleiben die eltern und die hoffnung gibt man - egal wie sehr man sich das letzte mal geärgert hat - nie auf.

ich schließe mich den anderen an: mehr tun kannst du nicht. sonst verschlimmerst du die situation womöglich sogar noch.

liebe grüsse und gute nerven!

mandy

Katrin hat gesagt…

Stimmt ja, durch Deinen Vater habt Ihr da ja schon ausreichend Erfahrung. Das hatte ich in der Zeit zwischen Beitrag lesen und Kommentar schreiben schon vergessen. Wie auch immer: es tut mir leid, dass Du Dir um so etwas Gedanken machen musst.

Karin hat gesagt…

@Lise: Wow, Blumen finde ich jetzt noch eine Runde krasser.....Hachja. Immerhin kommt mein kleinstes Schwesterlein am Samstag und dann im August nochmal mit dem zweitkleinsten Schwesterlein, so kriegt Little Q. schon ein bisschen Grossfamilie mit.

invivo hat gesagt…

Ich kenn da eine sehr kompetente und nette Therapeutin in München... ;)