Samstag, August 05, 2023

050823 #WMDEDGT iceland edition


You know the drill, right? Es ist der 5., d.h. es heisst wieder "WMDEDGT?" (kurz und knackig für "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?"). 
Heute trifft sich der Freundeskreis Tagebuchbloggen sozusagen hier und verlinkt sich in der Liste unten.

Das ganze hat im April 2013 seinen Anfang genommen in einer Tagebuchblogwoche und hat sich irgendwie verselbständigt.


Die Regeln zum Mitmachen sind einfach:
  • über den heutigen Tag tagebuchbloggen (ohne Werbung, ohne Geschwurbel)
  • verlinken, mehr dazu findet sich am Ende dieses Posts.



Der Wecker läutete heute um 6:45, unsere Co-Kayaker planen eine relativ frühen Aufbruch für ihre laaaaaaange Fjordüberquerung. Wir frühstücken also gemeinsam (mit u.a. aufgebackenen Croissants aus dem Dieselofen), tauschten letzte Kontaktdaten und Anweisungen aus (von "wohin mit der benutzten Bettwäsche" über "bitte die nasse Badehose im Gearraum aufhängen" bis zu einer Einweisung ins Funken für den Fall, dass das Boot später oder gar nicht kommt oder Küstenwache oder Eisbär).

Dann letzte Checks, ob wir alles gut auseinanderdividiert haben, wir helfen ihnen noch die Kayaks zum Wasser zu tragen und schauen beim Beladen zu. (Und sind ein bisschen froh,  dass wir heute nicht elendiglich weit paddeln und dann am Strand campen. Ein bisschen neidig auch, es sieht nach sehr leckerem Essen aus  das sie dabei haben).
Ein letztes Gruppenfoto ("i have to take of the hat, my wife thinks, she got rid of it years ago!"), und off they go.
Wir bekommen einen Hauch Internet am Strand und ein Update der Truppleitung der Kinder, die uns nach der letzten WA- Nachricht von Q (US, UK und Australien verlassen das Camp, allein während der Eröffnung sind über 100 Kinder kollabiert, die kollabierenden Helfer werden gar nicht gezählt, Essen ist wenig und schlimm und schwer zu kriegen) ein wenig beruhigt: D/A/CH sind gemeinsam organisiert, Stimmung des Trupps ist immer noch gut und sobald die Sonne weg ist, ist es wie eine grosse Party (und ja: Tagesprogramm ist gestoppt, um weitere Hitzschläge zu vermeiden).
Ich bin alles in allem echt ... schockiert. Hitzewelle schön und gut  eigentlich wäre Regenzeit, und so wie das aussieht, wäre das nur eine andere Art Desaster. Was mich mehr schockiert ist: wie können Pfadfinder von sowas überrascht sein? Die Organisatoren wissen seit mindestens 8 Jahren von dem Event, man hätte von den Erfahrungen anderer ausrichtender Länder lernen können. Ich habe echt Mühe mit der Aussage: "Das Lager und die Infrastruktur sind nicht rechtzeitig fertig geworden, ups"
Die individuellen Anmeldungen (incl der Bezahlung) sind seit ... 2 Jahren? fix, also ... wie kann es sein, dass man am Tag vor dem Jamboree zB das einzige Bezahlsystem bekanntgibt, dass es keine Schattenplätze gibt, kein Essen, nicht genug medizinisches Material? Und die offizielle Anweisung nach 100 Kindern kollabiert ist: "bitte bei K-Pop Konzerten nicht so aufregen?"
Naja.  Die Kinder sind in guten Händen, sie werden irgendwann eine grossartige Story zu erzählen  haben und bis dahin hoffe ich das Beste. (Ich lese aus den offiziellen Kommunikationen und der Berichterstattung in der Tagesschau extrem viel Krisenkommunikation heraus und bin zwiegespalten, weil ich schon oft Teil von so etwas war. Ich verstehe das Bedürfnis, die Moral hochzuhalten und die Story zu kontrollieren. 1450 durchdrehende Kinder und 3000 durchdrehende Eltern, steilgehende Medien etc, das hilft vor Ort genau gar nichts. Und vielleicht sind die amerikanischen / britischen / australischen Kinder, die das Jamboree verlassen haben, auch viel empfindlicher als die Schweizer (?) Aber: wunderschöne Bilder, in denen sich Pfadis in strahlendsauberen, frischen Kleidern lachend vor unscharfem Hintergrund mit klarem Wasser bespritzen oder Bogenschiessen oder "leckeres Abendessen" kochen, während unsere Kinder Bilder ihres Abendessens (was offiziell das Mittagessen war, aber da gab es den Joghurt, der eigentlich das Frühstück gewesen wäre) in ihre Instastory stellen, da ist die Schere ein bisschen arg weit auf. Anyway. Es wird auf jede Fall eine gute Story. Irgendwann.)
Wir sitzen in der Sonne vor dem Haus,  warten auf das Boot und unterhalten uns mit einem der Hausbesitzer. Sein Vater hat hier gelebt mit 5 Geschwistern und Eltern, Großeltern, bis er 18 war. Dann mussten alle gehen, weil der Doktor irgendwann beschlossen hatte, Hornstrandir zu verlassen. Der Großvater hätte am liebsten das Haus abgerissen, um das Kapitel zu beenden und kam nie wieder zurück. Auch der Vater erzählte praktisch nichts über seine Jugend hier, wie als ob er sich schämte. (Man stelle sich das mal vor: man zieht aus dem modernsten Haus von Hornstrandir mit Strom und WC seit den 30ern erst nach Isafjörður und dann nach Reykjavik, wo alle Auto fahren und fliegen und man selber ist gewohnt,  mit 10, 12 Leuten in einem Haus zu wohnen und 6h zum Arzt zu wandern, wenn was ist, genau weiss, wie man die einzige Kuh über den Winter bekommt und dann.... ist das vermeintlich überhaupt nichts wert.)....
Das Boot taucht pünktlichst um kurz vor elf auf, also nix mit Funken. Wir werden, weil kein Steg, mit eine kleinen Schlauchboot an Bord gebracht, das Kayak bleibt, bis das grosse Boot des Unternehmens in den nächsten Tagen mal kommt. An Bord sind schon ein paar Wanderer, die an anderen Stops aufgesammelt wurden. An eine Haus auf der anderen Seite des Fjords wird noch eine gesamte Familie samt Hund eingesammelt, die dort die Sommerferien bei Oma und Opa im Sommerhaus verbracht hat und dann geht es eine gute Stunde nach Isafjördur zurück. Mitten im grossen Fjord drosselt der Kapitän (Runar, der Gründer und Besitzer von Borea Adventures) auf einmal den Motor und zeigt uns eine Gruppe von ungefähr 6 Buckelwalen, die prusten, sich treiben lassen,  und nach ungefähr 10 Minuten, die wir langsam und leise kreisen (er hat sie alle auf dem Radar? Sonar? gesehen und deshalb den kleinen Umweg für uns gemacht) alle  der Reihe nach sehr majestätisch abtauchen. Was für ein grandioser Abschluss!

Am Dock bringen wir die Ikeatasche mit unseren Wetsuits, Schwimmwesten, Sprayskirts, Pogies und der nassen Badehose unseres Guides Lukas in den Gearraum und hängen die Wäsche auf. Dann werfen wir unsere Drybags in den Jimny, der brav am Hafenbecken auf uns gewartet hat und .... fahren erst einmal fast ins Wasser zum Thaiimbiss im Supermarkt. Ich habe so Hunger und bin ein bisschen enttäuscht, als nichts vegetarisches in der Auslage / Speisekarte ist. Aber: einfach höflich nachgefragt und zack, bekomme ich zwei Optionen und dann frisch zubereitetes "hab den Namen nicht genau verstanden, aber nicht Pad Thai, weil das esse ich eh immer", eine Riesenportion.
Der Hübsche hat die freie Auswahl an allem und nach Reinschaufeln besorgen wir noch schnell Mittagssandwichzubehör (Brot, Jalapeno-Avocado-Hummus, Käse, Wurst, Gurke, Zimtschnecke und das klebrige Gebäck mit Vanillecreme) für die nächsten Tage, tanken, telefonieren mit daheim (es ist ... herzzerreissend. Und macht wütend, weil wie kann es sein, dass eine Woche nach einem Unfall die angeblich dringend nötige OP IMMER NOCH NICHT stattgefunden hat wegen ganz viel pfffftt, ein bisschen Notfall, dann "upsi, jemand hat ihr aus Versehen Frühstück gegeben,, also heute auch nicht und dann ist halt Wochenende, naja.")
Bisschen bedröppelt machen wir uns auf die Weiterfahrt, wir "düsen" durch die Westfjorde, also wirklich, oft nahe an den erlaubten 90km/h, auf einer voll und ganz asphaltierten Strecke, mit vielen Kurven, die ich schamlos als Schuldige dafür benutzen werde, dass ich den laaaaaaaangen Post, den ich die letzten drei Tage übers Kayaken geschrieben und mit Bildern versehen habe, mit einem Wischer gelöscht habe. Egal, ich habe Urlaub, ich ärgere mich nicht, wir fahren morgen lang und das Wetter wird mittel, ich habe es schonmal geschrieben, ich kann es nochmal schreiben.
Nach 212km biegen wir links ab, fahren, bis es nicht mehr weitergeht und sind sehr positiv überrascht: anders als gebucht, haben wir kein geteiltes Badezimmer, sondern ein eigenes. Und bekommen einen Platz im Restaurant (unser Körper hat noch nicht von Kayak = GIB MIR ESSEN! auf "Autofahren und Musikhören" umgestellt.). Im Zimmer sortieren wir unsere Sachen aus den Drybags in die eigentlichen Gepäckstücke, dann essen wir sehr, sehr lecker (ein bisschen lustig, es gibt Lamm, Catch of the day oder Vegan. Vegan war heute Gemüselasagne mit Salat und Knoblauchbrot, also: nix zu meckern!)
Nach dem essen laufen wir zu den Hotpots direkt am Meer (umziehen ein bisschen arg rustikal auf einem nassen Klo), rätseln ein bisschen über die Sprache unserer Mitbader, aber in den Westfjorden redet man ja mit allen und jeden (ist ja kaum einer da) und: es war polnisch. Aber: einer lebt in Zürich und hat Verwandte in Lörrach, also: die Welt ist ein fucking Dorf.
Dann: Rückweg im Nieselregen, ausgiebige Dusche und ab ins Bett. Draussen rauscht das Meer und mein Kopf denkt immer noch, dass alles schwankt.
 


 

Post-DSGVO-Reminder: wenn Sie sich auf die Liste eintragen, geben Sie Daten von sich frei. Was Mr. Linky damit macht, steht hier. Wenn Sie das nicht wollen, sollten Sie sich nicht eintragen


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gern gelesen��

Melanie hat gesagt…

Zum Jamboree. Mir geht es genauso, ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass da organisatorisch was nicht läuft. Wir sind gerade im schwedischen Wald mit sporadischem Internet und haben daher die Medienberichterstattung nicht mitbekommen. Nun auch beruhigende Nachrichten der Unitleitung bekommen. Unsere Tochter hat es auch schon geschrieben, das Essen nicht so gut läuft, dachte allerdings das betrifft nur sie da es mit ihrer Zöliakie sowieso immer etwas komplizierter ist. Ich habe auch den Eindruck dass DACH gut organisiert ist und sie das beste draus machen. Herzliche Grüße