Dienstag, April 27, 2021

270421 The one with the sofa

 Ich habe Herrn Fischer vorgestern unsere Sofa-Treppenstory versprochen und gestern einfach vergessen. Asche auf mein Haupt, aber die Story ist SO lange her, das geht auch heute noch.

Ich glaube, ich habe diese Geschichte, wie auch die mit dem gerammten Bus und dem Snickers, noch nie aufgeschrieben, war ja auch vor Blogzeiten und naja, normal passiert ja auch so genug, nur halt jetzt nicht.

Also. Es ist Oktober 2002, Frau Brüllen und der Hübsche, damals weder verheiratet noch verlobt, sondern, wie das mein Chef ein paar Monate später in einem Kundenmeeting erklärte: "This is our newest addition to the team, Frau Brüllen, and her lover btw also works here, but in a different group.". Wir hatten eine Jobzusage in Basel (keinen Vertrag, den habe wir erst nach dem Umzug hierher abgeholt, auf unsere etwas ängstliche Nachfrage sagte die Personalfrau: "Sie wissen schon, dass in der Schweiz auch mündliche Verträge gelten? Natürlich können Sie Ihre Wohnung kündigen und herziehen, wir rechnen fest mit Ihnen!"), nach ein paar Irrungen und Wirrungen (ich sage nur: gerammter Bus und Snickers) eine Wohnung im dritten Stock in einem Wohnquartier direkt neben einem Park und nahe der französischen Grenze gefunden. Wir haben unsere Wohnung in München an meine Schwester übergeben, ein Umzugsunternehmen geauftragt, unsere gemischten Kinderzimmermöbel, die die Einrichtung in München stellten, in die Schweiz zu tuckern, und waren mit unserem gemeinsamen Twingo (andere Story, wie wir den dann doch nicht verzollt haben) am Sonntag abend dem Lastwagen mit einer Luftmatratze im Kofferraum und frischen Klamotten für den nächsten Tag vorausgefahren und haben unsere erste Nacht in der neuen Heimat verbracht.

Die Habseligkeiten waren dann relativ schnell in die Wohnung gebracht und sahen ziemlich verloren aus, so in der 3 Zimmer Wohnung nach den 50m2 in Schwabing. Das eine oder andere hatten wir ausserdem meiner Schwester hinterlassen und so stand am selben Tag noch ein grosser Ikea-Einkauf an. Das hatten wir ja schon vorher überprüft: Ikea gibt es ganz nah, wir hatten eine genaue Liste und so fuhren wir mit dem Twingo sehr nervös (nach dem gerammten Bus ging es eine Zeitlang, bis ich in und um Basel entspannt mit dem Auto unterwegs war) nach Pratteln und sammelten alles, was wir "brauchten" (Schlafzimmerschränke, die immer noch in Ehren gehaltene Magiker-Schrankwand im Wohnzimmer incl Fernsehbank, und ein Sofa. Ein Bettsofa, weil wir ja den Plan hatten, Übernachtungsgäste aus der alten Heimat zu beherbergen. Es wurde ein Ektorp mit schneeweissem Bezug, weil es halt nur den gab.).

Wir hatten einen strengen Zeitplan, um das alles nach Hause zu bekommen, weil erstens gab es eine Deadline, bis zu der man den geliehenen Lieferwagen zurückgeben musste (wir rechneten immer noch mit Doktorandengehalt, deshalb hatten wir keine Extrazeit reserviert), ausserdem, und das denke ich mir nicht aus, hatten wir ein festes Fernsehdate um, ich glaube, 18:00h, weil wir da gerade alle "Friends"-Folgen am Stück anschauten, so wie man das halt damals gemacht hat, jeden Tag eine Folge auf Sat1..

Dementsprechend haben wir alles zackizacki in den Lieferwagen gepackt, wir sind und waren es damals noch viel mehr, ja relativ sportlich und vom vielen Klettern auch recht stark, was Arme/Oberkörper angeht (ich suche nachher mal, ob ich ein Bild aus der Zeit vom Bouldern finde Ich habe Bild (abfotografiert UND Video vom Bouldern gefunden. Leider nur vom Hampeln und nicht von der  Boulder-Challenge, die wir so exzessiv betrieben haben, dass ich einmal sogar davon geträumt habe, die eine vermaledeite Route am Stück zu schaffen, die ich sonst immer nur in Einzelteilen geschafft habe. Und ungetaped keine Türklinke mehr runterdrücken konnte, weil mir alle Gelenke so weh getan haben), ausserdem waren wir jung und naiv und hatten bisher nur im Hochparterre gewohnt, dementsprechend waren wir ganz optimistisch, dass wir das alles ein- und ausgeladen und natürlich auch in den dritten Stock hochgeschleppt bekämen.




Das lief alles super, bis wir Ektorp vom Lieferwägelchen in den Kofferraum heben wollten. Der Hübsche hob, ich hob, mit aller Kraft, aber auf meiner Seite bewegte sich einfach genau gar nichts. Das war, naja, suboptimal, aber bei Ikea in der Ladezone laufen ja jede Menge starke Leute rum, es war also keine Sache, das Sofa ins Auto zu bekommen.

Auf der Fahrt zurück zur Wohnung hatte ich mich, ich weiss auch nicht wie, ein bisschen erholt oder Adrenalin ausgeschüttet oder was auch immer, wir schafften es also, zusammen mit allen Pax-Schränken und Magiker-Paketen das Sofa aus dem Lieferwagen auf den Gehsteig zu bugsieren. Und dann kein Stück mehr weiter. (es war halt auch sehr unhandlich in so Schrumpelfolie eingeschweisst, ich bin mir sicher, es lag vor allem daran, dass ich keinen richtigen Halt an dem Ding fand.). Naja. Also. Da standen wir also. Drei Stockwerke unterhalb unserer Wohnung mit wenig Zeit bis Lieferwagenstrafzahlung und "Friends".

Als Übersprungshandlung haben wir erstmal alles andere nach oben geschleppt und als wir gerade mit dem letzten Magiker nach oben keuchten, ging die Wohnungstür gegenüber von uns auf und ein nicht besonders grosser, aber recht kräftig wirkender Mann kam raus. Nun ja, wir waren jung, naiv, neu in der Schweiz, und ein bisschen verzweifelt, ich meinte also: "Hallo, wir sind die Neuen und ziehen hier gerade ein. Wir haben ein echt blödes Problem und es wäre so unglaublich toll, wenn Sie uns helfen könnten." und dann haben der Hübsche und der kleine breite Mann das Sofa drei Stockwerke nach oben geschleift. Es ging erstaunlich gut (ok, die Alternative wäre gewesen, entweder unsere Übernachtungsgäste auf dem Gehsteig schlafen zu lassen oder halt von dem Sofa erdrückt zu werden, wenn es uns aus der Hand gerutscht wäre), es wurde viel geschnauft, viel "Sie müssed mehr lüpfe!" gerufen, und wir haben uns überschwänglich bedankt und das einzige, was wir als Dankeschön hatten, war eiskalte Cola, das war gar nicht soooo schlecht.

So weit, so gut, wir haben den Lieferwagen rechtzeitig zurückgebracht, haben uns pünktlich um 18:00h die tägliche Folge "Friends" angeschaut (auf einem noch eingepackten Sofa und ohne Cola), und waren sehr guter Dinge, dass wir uns da bei den Nachbarn bestimmt mal revanchieren könnten und jetzt halt schon voll integriert im Haus wären.

Tja. Wir haben uns dann (wir waren fellow Katzenhalter) mit der Zeit auch mit der Nachbarin von gegenüber angefreundet. NachbarIN? Ja, es stellte sich dann heraus (wir haben nie direkt gefragt), dass sie schon ewig allein lebt. Wir haben uns nie getraut zu fragen, wer um alles in der Welt der kleine breite Mann war, der uns das Sofa nach oben geschleppt hat. Ich weiss gar nicht, was die skurrilste Variante wäre: ein Date? Ein Vertreter? Handwerker? Arbeitskollege? Freund? Egal wie ich es drehe: ich stelle mir vor, dass ich in einem Haus, in dem ich nicht wohne, von wildfremden verschwitzten Menschen gefragt werde, ob ich ein unglaublich schweres Sofa in den dritten Stock schleppe, und ich weiss wirklich nicht, ob ich auch ohne Zögern zugestimmt hätte.

Naja. So war das. Danke, kleiner breiter Mann, das Sofa hat noch lang bei uns gewohnt und  beim Umzug in unser Haus hier wurde es dann mit einem Seilzug über den Balkon nach oben geschleift (und ist auf den Rosmarin gestürzt.)

Erst vor drei Jahren beim Dachumbau musste es ganz gehen, mittlerweile mit feuerrotem Cordbezug, und da haben wir sehr starke Männer dafür bezahlt, nicht nur mit Cola, dass sie es die Treppe runterwuchten.

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