010820: Happy Birthday, Hübscher
Heute haben meine zweitjüngste Schwester, die Schweiz und der Hübsche Geburtstag.
Für erstere liegt hier ein hübsche verpacktes Buch (das leider nicht so toll ist, wie ich dachte, sorry!), für zweitere wurden aufgrundderaktuellenSituation sämtliche Feiern abgesagt, damit es nicht so schwer fällt, ist auch noch Waldbrandstufe 4 und man dürfte eh kein Feuerwerk machen, auch wenn man sich dafür treffen dürfte (ausser Basel, die könnten wegen "Wir feuern ja vom Schiff aus!" wieder eine Extrawurscht braten, aber da sind ja seit einiger Zeit Umweltbedenken im Tun, alles in allem kann man das verkraften).
Für letzteren finde ich es immer ein bisschen schwierig, mir tolle Geschenke und Überraschungen auszudenken, vor allem, weil er so gut in sowas ist und naja, ich bin halt auch kompetitiv, nech?
Für dieses Jahr hatte ich allerdings tolle Pläne, die dann nicht so leicht realisierbar waren, wie ich dachte, aber lassen Sie mich von vorn beginnen:
Letzten August (ich habe nie behauptet, ich wäre spontan!) habe ich mit einem Kollegen (den ich übrigens vom Hübschen geerbt habe. Die beiden hatten sich eine Zeitlang ein Büro geteilt, dann hat der Kollege des Hübschen Arbeitgeber verlassen, um zu meinem zu kommen und der Hübsche hat gesagt: "Frag doch mal meine Frau, ob sie mit Dir Mittagessen gehen will, dann kennst Du da schon jemand." Und das hat er an Tag eins gemacht und so blieb der Kollege praktisch in der Familie) mittag gegessen und wir haben Ferienerlebnisse ausgetauscht.
Er hat mir erzählt, dass er mit seiner Frau und Schlafsack abends auf den Belchen raufgewandert ist, sich am Gipfel in eine Grasmulde gelegt hat und dann am Morgen den Sonnenaufgang dort bewundert hat und das war richtig toll. (Er hat auch noch gesagt: "Das oben schlafen ist vor allem deswegen so cool, weil morgens um fünf kommen dann all die im Stockfinstern hochgekeucht, die so eine geführte Sonnenaufgangswanderung gebucht haben, und du musst nur den Kopf aus dem muckelig warmen Schlafdack stecken und bist voll erholt und alles ist sehr gemütlich.")
Ich dachte mir: Ha, das ist eine tolle Idee, das mache ich mit dem Hübschen, die Kinder sind eh im Sola der Pfadis, da machen wir dann mal so Outdoor light!
Ich kannte den Belchen ja nur vom Skifahren, also habe ich mir Wanderrouten angeschaut, überlegt, wo man denn da so lagern könnte, den Kalender überprüft und festgestellt, dass der 1. August 2020 ein Samstag ist und deswegen perfekt für dieses Abenteuerchen.
Die Zeit verging, die Planung des Sommerlagers (Jubliläumslager der Pfadi-Abteilung! 40 Jahre!) schritt voran, es wurde ein offizieller Elternbesuchstag geplant für ..... den 1. August. Hmpf. Der Hübsche war schon nur mittelbegeistert, seinen Geburtstag mit 250 anderen Pfadilagerbesuchern in einem Bus zum und vom Lager zu verbringen und halt bei einem Lagerbesuch. Ich verstand das, war aber auch nicht begeistert, unseren Kindern zu sagen, dass ihre Eltern sie halt nicht im Lager besuchen würden, weil "Geburtstag, sorry, kein Bock." Und ich dachte natürlich an meinen Übernachtungsplan, aber eben: Sonnenaufgang ist früh, wir könnten ja entweder am Freitag raufgehen und früh am Samstag wieder runter und dann immer noch ins Lager gehen ODER ins Lager und ein bisschen früher zurück und dann auf den Berg.
Dann kam Corona, die Grenzen wurden geschlossen, der Belchen war auf einmal unerreichbar, sämtliche Pfadiaktivitäten wurden abgesagt, das Sola stand in den Sternen und auf der Kippe.
Im Mai waren die Pfadileiter viel optimistischer als der Elternrat und hielten ("sofern Infektionsgeschehen, Auflagen des Bundes und Kompatibilität eines Schutzkonzepts mit dem Pfadileben das erlauben") an der Idee eines Sola-Light fest. Der Besuchstag wurde allerdings schon da gestrichen, da klar war, dass egal wie es im Juli aussieht, ein Besuch von 250 wilddurcheinandergemischten Menschen auf engem Raum (mit BUSANREISE) auf gar keinen Fall klappen würde.
Das war natürlich Aufwind für meine Belchenpläne. Mitte Juni wurden die Grenzen wieder geöffnet, der Bund hatte Ferienlager für bis zu 300 Teilnehmer erlaubt, die Pfadibewegung Schweiz hatte ein Schutzkonzept erarbeitet und die Abteilung stampfte in kürzester Zeit (normalerweise haben die grossen Lager fast ein Jahr Vorlaufzeit) ein Lager aus dem Boden, "nur" eine Woche, Enddatum 1. August.
Das bedeutete für meine Abenteuerplanung: wir übernachten nicht am Geburtstagsabend dort, sondern feiern rein, der Belchen ist ja so nah, dass man das auch nach der Arbeit noch locker erreicht.
Der Hübsche und ich sind ja absolut keine Camper, wir hatten aus Schüler- und Studentenzeiten noch uralte Isomatten (unser letzter Campingurlaub war 1999 auf Korsika, da war meine Isomatte schon 10 Jahre alt), die wir irgendwann einfach entsorgt haben. Die Kinder haben, weil Pfadis, natürlich selfinflating Isomatten, sowas wollte ich für uns also auch, ist ja auch ein schönes materielles Geschenk. Ich habe also online im Bergsportladen meines Vertrauens Isomatten verglichen und mich dann für eine (in doppelter Ausführung) entschieden, die klein gepackt werden kann, gut isoliert und mit sowas wie "auch für alte Knochen, die sowas nicht mehr gewohnt sind" in Outdoormarketingsprech angeschrieben war. Als die beiden dann ankamen, war das Paket WINZIG und ich hatte schon Angst, dass ich aus Versehen Puppenbettmatratzen bestellt hätte, aber nein: in der Isomattentechnologie hat sich nicht nur in den Jahren 1985 bis 2010, wo wir die der Kinder dann gekauft haben, einiges getan, nein, auch seitdem noch! Die Matte ist verpackt ungefähr so gross wie eine grössere Trinkflasche, ist nicht selfinflating, sondern wird mit dem zu einem Pumpsack umwandelbaren Packsack aufgepustet, das sieht sehr lustig aus, geht aber superschnell.
Der Termin rückte näher, ich fing an, das Wetter für den 1. August zu monitoren, las mich noch mehr in die Karten und Routenplanung ein und fragte dann zu guter Letzt den Kollegen, der das ja vor einem Jahr gemacht hatte, wo genau sie denn gelagert hätten.
Und dann kam die Ernüchterung: Er schrieb mir: "Ja, klar, war toll, das war da und da, aber ich muss dir was sagen, das wusste ich damals auch nicht: das ist überhaupt nicht erlaubt, weil der Schwarzwald ist ein Naturschutzgebiet und Biosphäre und deshalb darf man da nicht wild campen und lagern. Und aufgrundderaktuellen Situation ist alle Welt auf der Suche nach Mikroabenteuern in der Region und weil das total überhand nimmt, wird vermehrt darauf geachtet, dass das eben nicht aus dem Ruder läuft und an Hotspots kontrolliert und wenn man dann erwischt wird, kostet das 200€ pro Nase. Aber: war schon toll!"
Na super.
Ich bin halt ich und wenn ich weiss, dass was verboten ist, dann mache ich das auch nicht, relativ unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, weil allein die Möglichkeit, DASS man erwischt werden könnte, mir den Spass versaut und natürlich gibt es solche Verbote aus gutem Grund und ja, wenn Hinz und Kunz und all ihre Freunde im Naturschutzgebiet rumliegen, dann ist irgendwann fertig mit Natur.
Aber was sollte ich denn jetzt mit dem Geburtstagsgeschenk machen? 2 Isomatten für Nichtcamper ist ja ein etwas seltsames Geschenk mit sehr limitierter Verwendungsmöglichkeit und entsprechend limitierter Beschenktenfreude.
Ich überlegte also hin und her (daheim schlafen und Wecker um zwei stellen und dann hin fahren und nur rauflaufen? Ist doch doof) und vor und zurück und kam dann endlich mit folgendem Plan auf:
Wir fahren hier später los, als eigentlich geplant, gehen gemütlich essen, fahren zum Parkplatz der Talstation, schlafen ein paar Stunden im Auto und wandern dann halt im Dunkeln so rauf, dass wir zum Sonnenaufgang oben sind. Auf die Isomatten können wir uns ja dann oben draufsetzen, ist ein besserer Verwendungsgrund als gar keiner. Pluspunkt: es ist nicht so viel zum Rauftragen, das krieg ich in meinen Rucksack, dann kann der Hübsche das Fotoequipment mitnehmen, das wäre mit Schlafsäcken irgendwie knapp geworden.
Letzter Zwischenschritt: Q. merkte in der Vorplanung seines 100km-Marsches an, dass er noch gut eine Stirnlampe gebrauchen könne und so besorgte ich mit ihm im Outdoorladen grad zwei, weil: dunkel würden wir es auch haben! Ich tauschte ausserdem eine der neuen Isomatten mit Q. gegen seine alte, weil wer, wenn nicht ein Pfadi braucht eine echt klein zu packende Matte? Zum Draufsitzen würde uns eine reichen und für im Auto könnte ich ja Q.s alte nehmen.
Statt totale Überraschung habe ich ihn ja vorgestern eingeweiht und er hatte den grossartigen Plan, das "Wir schlafen im Auto" in der Garage mal auszuprobieren (also: ohne Schlafen, das wäre ja arg strange). Und so haben wir die Sitze flachgelegt und gemerkt, dass sehr wohl eine Kante bleibt. Statt Isomatten schlug der Hübsche unsere Allzweckwaffe "Tchibo-Klappmatratzen" vor, die zwar ein bisschen zu breit, aber dafür sehr gemütlich waren. Übrigens: Auto ganz zu mit Licht aus in der dunkeln Tiefgarage ist ein gutes Stück jenseits dessen, was ich mit meiner leichten (höhöhö) Phobie vor geschlossenen Räumen aushalten kann.
Und so lief das dann gestern:
Abendessen im Nachbarsstädtchen:
Danach sind wir gemütlich eine knappe Stunde in den Südschwarzwald hoch gefahren, sehr ungewohnt, das im Sommer ohne Schnee und Skier im Auto zu machen. Die letzte Unsicherheit war tatsächlich, ob der Talstationsparkplatz über Nacht gesperrt wäre oder übernachten dort verboten wäre. Aber: als wir dort ankamen, stellten wir erstens einen Camper und zweitens ein Hotel direkt dort fest (zu meiner Verteidigung: wir waren EINMAL da, im Winter und wollten nur direkt zum Skifahren. Keine Ahnung, ob es da ein Hotel hatte!)
Wir haben also geparkt, der Hübsche hat ein paar Sternenfotos probiert,
wir haben mit Taschenlampe geschaut, wo der Weg am nächsten "Morgen" denn losgehen würde, dann haben wir den Kofferraum gemütlich gemacht (Centerscreenlagerfeuer nur fürs Foto, in echt geht das nämlich mit romantischer Musikuntermalung und Hitze auf volle Power einher, um eben das Lagerfeuer zu simulieren, und es war zwar gsd viel kühler als im Tal, aber halt nicht kalt.).
Wir hatten einen Cocktail-Mix vorbereitet und einen Piccolo zum Aufgiessen dabei, das war schon sehr gemütlich.
Danach: Einkuscheln mit Decke und Kissen, dank Dachfenster und nahezu Vollmond ging es auch im geschlossenen Auto. Den Wecker haben wir auf viertel nach drei gestellt.
Schlafen ging erstaunlich gut, Aufstehen auch, loswandern auch.
Ich muss dazu sagen: ich hatte nach unserer letzten Tour mit knapp über 1000 Höhenmetern rauf und runter einen Heidenrespekt vor der Tour hier, die mit 860 Höhenmeter rauf und runter angegeben war. Eine von beiden Angaben war falsch (oder ich bin in den letzten zwei Wochen zum Hulk mutiert und nein, ich denke nicht), weil heute, das war nicht mehr als ein Spaziergang. Wir brauchten eine Stunde (im Stockfinsteren, Stirnlampe war super) von der Talstation zum Gipfel, und dabei sind wir einen Riesenumweg aka ab dem Belchenhaus gelaufen, weil wir den direkten Weg zum Gipfel nicht gefunden haben (naja, wenn man nicht weiss, in welche Richtung man gucken soll, dann sieht man auch den Wegweiser nicht).
Sehr skurril: man kreuzt irgendwann die alte Belchenstrasse, die zwar für Autos gesperrt, aber halt immer noch eine Strasse ist. Auf der radelte langsam eine Gruppe Fahrradfahrer bergauf, mit extrem hellen Frontlampen, aber halt langsam und sehr, sehr leise.
Wir trafen uns am Belchenhaus wieder, wo sie ihre Räder abstellten, um den letzte Weg zu Fuss zu gehen.
Am Gipfel stellten wir zwei Dinge fest:
1. Wir waren by far nicht die einzigen, die diese Idee hatten.
2. Ganz viele andere wussten nicht, dass das oben schlafen verboten ist, oder es war ihnen egal. Es waren etwa 30 Leute da, die Hälfte noch in Schlafsäcke eingemummelt.
Es war allerdings keine Ballermann-Party-Stimmung, sondern alle sassen brav da (wir auf einer super Isomatte!) und warteten (wir mit Kaffee) auf die Sonne. Ich hatte von unseren Nachbarn schon gehört, dass es nicht nur 3 Belchen gibt, einen deutschen, einen Schweizer und einen französischen und die zusammen "irgendein präshistorisches Dreieck" bilden, naja. Dazu gab es auch eine Infotafel ("Energie-Orte"), ein paar Steinkreise und eine recht grosse Gruppe, die dort ein .... Ritual (?) mit Laternen und Predikt und sowas wie Yoga oder TaiChi vollzog. Wir haben so getan, als würden wir das nicht sehen (der Hübsche war pragmatisch: "So lange keiner gegen seinen Willen geopfert wird, sollte es ok sein."). Es hatte ein bisschen was von der Stimmung auf dem Gipfel des Haleakala, wo wir 2003 in unseren Flitterwochen wie alle Maui-Touristen auch den Sonnenaufgang bewundert haben.
Ich sass also auf der Isomatte, freute mich meines Pulverespressos mit Milch, an Melone und Schokoweggli, der Hübsche machte Fotos über Fotos.
Spannend: auf der einen Seite sah es aus, als ob wir uns oberhalb einer Weltstadt befänden, auf der anderen Seite schälten sich immer mehr Bergketten aus dem Dunkel. Je mehr Licht kam, deste mehr entpuppte sich die vermeintliche Weltstadt als halt irgendwelche Pupsdörfer. Und beleuchtete Stromleitungen.
Sehr, sehr schön war das. Der Runterweg war dann lustig, weil wir uns für den gleichen Rückweg entschieden hatten, aber halt mehr als nur unsere Füsse und den Weg sahen. Und erstaunlich schnell wieder unten waren.
Wir waren sogar so früh, dass wir es trotz Rückfahrt noch rechtzeitig zur Öffnung des Naturbads kamen, das erstens superschön und zweitens heute eine der drei Verteilstationen der legendär coolen #seifenboss (erinnern Sie sich an den Start der Kampagne?)-Handtücher des Kantons Basel Stadt ist. Vier Fliegen mit einer Klappe:
- Coole Corona-Handtücher für umsonst
- Warme Dusche
- Morgenschwumm im Naturbad
- Super Kaffee im Schwimmbad-Kaffee