Freitag, Januar 06, 2017

Hogwarts Letter

Heute morgen bin ich mit den Jungs wieder zur Wasserfallen aufgebrochen, heute war nämlich zum ersten Mal diese Saison die Schlittelpiste geöffnet. Eine Tour mit einem Erwachsenen/Kind-Verhältnis <1 war ein Novum und ich deshalb ein bisschen nervös. Es ist kein Hochgebirge, aber schon auch nicht dummisicher abgesichert, was auch gut ist, so ist die Strecke durch den Wald nämlich traumhaft schön. Es lief aber supergut, für die steilen Strecken bzw. die schnellen am ungesicherten Abhang entlang nahm ich L. zu mir auf den Holzsschlitten, den Rest sind Q. und L. auf dem Lenkschlitten alleine gefahren. Gestürzt sind übrigens nur L. und ich einmal, aber nicht schlimm. Wir sind zweimal gefahren und dann einig durchgefroren nach Hause. -10Grad, das hat man hier echt selten. Ich liebe dieses Wetter so sehr, sowohl das Draussen als auch das Drinnen danach, wenn die Wangen immer noch nachglühen....






 

Daheim dann wartete ein voller Briefkasten, nicht nur mit Rechnungen, sondern auch mit einem namentlich an mich adressierten Werbeflyer des Kloster-Internats Disentis.

Ich hätte das Ding einfach ungeöffnet wegwerfen sollen, aber irgendwie war ich gerade so im "Aufmachen, Sortieren, Abheften"-Modus, dass ich den Umschlag mit dem tollen Slogan aufgerissen habe.

Und dann habe ich den Fehler begangen, Q. durchs Haus zuzurufen: "Cool, Q., deine Unterlagen fürs Klosterinternat sind gekommen!"
Er kam mit sehr sparsamem Gesichtsausdruck runter und wollte sich trotz Beteuerung, dass ich ihn niemals auf ein Internat schicken würde, nicht wirklich beruhigen.
Und da wurde ich dann ein bisschen sauer. Nicht auf Q. natürlich, ich hatte zwar selber mal meine Hanni&Nanni-Phase, in der ich die Vorstellung eines Internats super fand, und dann, als der Münchner Flughafen dann praktisch in unseren Vorgarten gebaut wurde und meine Eltern ernsthaft daran dachten, die Zelte abzubrechen, wäre ich, weil ich ja schon auf die Sprachenfolge "Latein, Englisch, Altgriechisch" festgelegt war, und da die Auswahl von Gymnasien relativ übersichtlich ist, tatsächlich fast als Tagesschülerin auf ein Klosterinternat* gekommen und fand die Vorstellung nur noch so mittel. Nein, ich war ehrlich gesagt sauer auf die Internatsleute. Ich fragte mich zuerst, woher sie unsere Adresse haben. Das Ganze klang sehr auf Eltern von 5./6. Klässlern zugeschnitten, also gehe ich nicht von einer "Wir schicken das an das gesamte Adressbuch der Schweiz"-Werbeaktion.
Ich weiss beim besten Willen nicht, was passieren müsste, dass ich auch nur ernsthaft daran denken würde, Q. oder L. auf ein Internat zu schicken. Vielleicht, wenn entweder der Hübsche oder ich spontan tödlich verunglücken würden und der andere sich entscheiden würde, auf eine Forschungsmission in der Antarktis oder im All aufzubrechen. Aber nicht mal dann sicher. Und wenn, dann würden wir sie ganz sicher nicht auf ein katholisches Internat schicken (jaja, ich habe gelesen, dass bis auf entweder katholischen oder evangelischen Religionsunterricht und diverse Gottesdienste nichts Christliches verpflichtend ist, aber mal ehrlich? Ich lebe doch nicht 20 Jahre als evangelisches Heidenkind in einem katholischen Dorf in Bayern, mit allen Anfeindungen, die dazugehören, dann gebe ich doch nicht meinen Mädchennamen auf, um sicherzustellen, dass meine Kinder auf gar keinen Fall katholisch getauft werden, und dann schicke ich sie in ein Benediktinerkloster? Zu guter Letzt: die staatlichen Schulen in der Schweiz sind auf einem dermassen guten Niveau, da werde ich einen Teufel tun, und 20 000+ Schweizer Franken pro Kind und Halbjahr dafür bezahlen, dass mein Kind auf ein Gymnasium am anderen Ende der Schweiz geht! Und ja, ich habe auch gelesen, dass es nicht aufs Geld, sondern auf die Leistung ankommt und es unendlich viele Stipendien- und Förderungsmöglichkeiten gibt, aber ganz ehrlich? Ich möchte nicht, dass meine Kinder länger als unbedingt nötig (und das ist: gar nicht) in Kontakt mit Kindern/Jugendlichen/Eltern/Lehrern kommen, für die es normal ist, soviel Geld für einen Schulabschluss zu bezahlen, den man auch umsonst und unter ganz normalen Leuten bekommt. Halt ohne "Animation" und Klostertrallala.

Ich war ehrlich gesagt gahz kurz davor (die Telefonnummer stand ja auf dem Flyer), dort anzurufen und zu fragen, woher sie unsere Adresse überhaupt haben und dass wir auf gar keinen Fall je wieder von ihnen hören wollen, aber dann wollte ich überhaupt nicht mit einem Internatsdirektor telefonieren und zu guter Letzt stellte ich mir dann vor, wie ich wieder unseren Nachnamen buchstabieren müsste, damit er uns von der blöden Verteilerliste für immer streicht und dann kam mir eine bessere Idee: ich schicke einfach den Antwortabschnitt zurück. Leider war nicht genug Platz für alle meine Argumente, ich musste mich also kurz fassen:
Vielleicht müssen Sie draufklicken, um das besser lesen zu können, sorry.

Ich schicke das morgen zurück, die 1.00CHF (sogar frankieren muss man das, das gesamte Schulgeld scheint in die Bildung gesteckt zu werden, sehr löblich) Porto ist mir das wert. Falls jemand von Ihnen allerdings an Informationen über diese bestimmt supere Schule interessiert wäre, ich könnte Ihre Namen da noch einen Abschnitt weiter oben eintragen. Ich weiss allerdings nicht, ob sie wirklich was bekämen...

Immerhin, nach dem Durchlesen ist Q. wieder beruhigt, dass er auf jeden Fall da nicht hin muss.

* Den Witz, in dem "Maria, Schutzfrau von Bayern" zu "Maria, Putzfrau von Scheyern" verhunzt wird, kennen Sie, ja?

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…


Wir haben so einen Brief auch vor 3 Jahren bekommen. Namentlich an unseren Beluga adressiert, der hatte da aber seine Matura schon bestanden.

Also die Quellen woher die ihre Daten haben ist offenbar zweifelhaft.
Das Kloster, die Mönche die durchs Dorf spazieren etc sind nett, wie haben unsere Ferienwohnung in dem Dorf. In der Kirche dort war ich noch nie, aber im Klosterkaffee ;-)

Christian hat gesagt…

Das ist sehr großartig und ich bewundere Sie da gerade sehr hart für.

Hans-Georg hat gesagt…

Wenn ich so sauer gewesen wäre wie du hätte ich die Rückantwort unfrankiert zurückgeschickt.
Unerwünschte Werbung, ob persönlich adressiert oder "An alle Haushalte" / "An alle Bewohner des Hauses xy" kommen ungeöffnet in den nächsten Briefkasten mit dem Vermerk "zurück an Absender". Ist wohl nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, aber mich befriedigt das etwas.

Martina hat gesagt…

Sie sind die Coolste....die Antwort ist großartig.

Martina

Anonym hat gesagt…

Ich wäre an dem Witz interessiert :D