Montag, November 10, 2014

Verhandlungstipps vom Profi

Liebe Versicherungsmakler,

im Moment muss ich mich notgedrungen mit Versicherungen auseinandersetzen, mit denen ich bisher nicht viel am Hut hatte. Deswegen brauche ich verschiedene Offerten, es wäre also zur Zeit eigentlich gar nicht so schwer, mit mir ins Geschäft zu kommen.
Anscheinend sind ein paar elementare Regeln aber doch nicht so ganz offensichtlich, deswegen möchte ich hier anhand von ein paar Beispielen aufzeigen, was Sie tun müssten, um mich in die Nähe eines Vertragsabschlusses oder wenigstens nicht aus meiner gelösten Geisteshaltung zu bringen.

1. Beispiel: 
Sie erhalten via Kontaktformular der Haupthomepage Ihrer Versicherungsgesellschaft über verschlungene versicherungsinterne Kanäle eine Offertenanfrage zu verschiedenen Versicherungen. Da die anfragende potentielle Kundin sich durchaus vorab informiert hat, enthält die Anfrage sämtliche relevanten Daten, die Sie zur Erstellung einer Offerte benötigen. Ausserdem beinhaltet das Kontaktformular auf der Haupthomepage Ihrer Versicherung ein Auswahlmenü, wo man die gewünschte Kontaktaufnahme ankreuzen kann. Und Achtung, jetzt kommt ein ganz krasser Geheimtipp: Wenn Ihre potentielle Kundin aus dem Menü "Ich möchte ausschliesslich per Email kontaktiert werden" (Alternativen wären "Per Telefon" oder "Ich möchte einen persönlichen Gesprächstermin vereinbaren" gewesen) und dementsprechend das Feld mit "Telefonnummer" schon gar nicht ausgefüllt hat, dann wäre es eine ganz tolle Idee, ihr die Offerte per Mail zu schicken. Eine relativ ungeschickte Idee ist es, aus dem Telefonbuch ihre Nummer rauszusuchen, sie Freitagabend um 19:30h anzurufen, den mit den Details nicht so vertrauten Ehemann nach genau den Fakten zu fragen, die schon in der Offertenanfrage stehen, und einen persönlichen Gesprächstermin vereinbaren zu wollen.

2. Beispiel:
Sie erhalten via Kontaktformular der Haupthomepage Ihrer Versicherungsgesellschaft über verschlungene versicherungsinterne Kanäle eine Offertenanfrage zu verschiedenen Versicherungen von einer potentiellen Kundin. Da diese sich durchaus vorab informiert hat, enthält die Anfrage sämtliche relevanten Daten, die Sie zur Erstellung einer Offerte benötigen. Ihr Kontaktformular bot nicht die Möglichkeit, sich für einen Kommunikationskanal zu entscheiden, deswegen müssen Sie sich jetzt auf Ihre Intuition verlassen. Auch für Sie habe ich einen ganz krassen Geheimtipp: die perfekte Antwort wäre eine Antwort per Mail. Die zweitbeste Lösung ist tatsächlich ein Brief, allerdings sollten Sie den bitte an die potentielle Kundin adressieren, und NICHT an deren Ehemann, dessen Namen Sie aus irgendwelchen Versicherungsunterlagen für eine ganz andere Versicherung rausgesucht und auch noch falsch abgeschrieben haben.

3. Beispiel:
Sie sind ein Callcenter- oder Telemarketingmitarbeiter einer Krankenkasse oder einer "unabhängigen Krankenkassenteststelle, die mir total unabhängig nur zu meinem eigenen Besten eine massgenschneiderte Empfehlung erarbeiten möchte". Eigentlich ist es ganz einfach: Sie werden niemals mit mir ins Geschäft kommen. Nienienienienie. Wenn Sie allerdings bei mir anrufen (Montag abend um 18:30h, immerhin) und so anfangen: "Wir beide haben uns vor einem halben Jahr schon einmal unterhalten und da haben Sie gesagt, Sie wären total zufrieden mit Ihrer Krankenkasse. Jetzt ist ja die Zeit der neuen Prämienbriefe gekommen und da wollte ich mal nachfragen, ob das immer noch der Fall ist, und...", dann, ja dann, wird es ein bisschen unangenehm. Weil ich folgendes sagen werde (und heute getan habe): "Wenn Sie vor einem halben Jahr auch nur ansatzweise zugehört hätten und Ihre Telefonlisten ordentlich führen würden, dann hätten Sie gehört und notiert, dass ich nicht nur mit meiner Krankenkasse  absolut zufrieden bin, sondern auch nienienienie in meinem ganzen Leben mit jemand am Telefon Geschäfte machen werde. Ich habe Ihnen vor einem halben Jahr gesagt, dass Sie mich von sämtlichen Listen streichen sollen und nie wieder hier anrufen sollen. Wenn Sie das nicht hinbekommen, wie soll ich dann glauben, dass Sie irgendetwas komplizierteres, wie zB Krankenkassen vergleichen, hinbekommen? Nochmal in aller Deutlichkeit: ich möchte nicht mit Ihnen sprechen. Nicht jetzt, nicht in einem halben Jahr, nicht in meinem ganzen Leben. NIE!" Und auch für Sie habe ich jetzt noch einen krassen Geheimtipp: ich würde nicht nochmal bei mir anrufen.

4. Beispiel:
Sie sind ein Callcenter- oder Telemarketingmitarbeiter einer anderen Krankenkasse oder einer "unabhängigen Krankenkassenteststelle, die mir total unabhängig nur zu meinem eigenen Besten eine massgenschneiderte Empfehlung erarbeiten möchte" und rufen ohne Witz 5 Minuten nach dem 3. Beispielanruf bei mir an. Sie machen einen Anfängerfehler, Sie nennen nämlich nur Ihren Namen, nicht Ihren Arbeitgeber und wollen "den Herrn Gss.....Gssstt....Gessstttööd.....Gesssstttööödmmmeiar" sprechen. Ja, ich weiss, der Name ist kompliziert, aber bitte: das sieht man auch vor dem Anrufen. Entweder üben Sie oder umgehen Sie das mit dem Namen. So ist das wirklich peinlich. Genauso wie Ihre Reaktion auf mein "Der ist nicht zu sprechen, um was gehts denn?". Da hätten Sie den Schnitzer ausbügeln können und direkt versuchen können, mit mir über Ihre blöde Offerte zu reden. Der saudumme Flirtversuch "Dann sind Sie wohl die Tochter?" und "Sie haben eine so junge Stimme, kaum zu glauben, dass Sie verheiratet sind" ist ...... mir fehlen die Worte. Ehrlich. Gottseidank haben Sie dann schnell noch die Kurve zu der Krankenkassengeschichte gekriegt, weil da bin ich mittlerweile richtig gut im Abspulen meiner Brandrede zum Thema Krankenkasse und Telefonmarketing.

Alles in allem ist die Wahrscheinlichkeit, mit mir ins Geschäft zu kommen, am höchsten, wenn Sie die eine eherne Regel befolgen: RUFEN SIE MICH NICHT AN!

Yours truly
Frau Brüllen

6 Kommentare:

giardino hat gesagt…

Dass jetzt aber auch schon Frauen Versicherungen abschließen wollen, wer soll denn da noch durchblicken.

Monika hat gesagt…

.

(ich ergänze hierzu: ja, ich trage einen ausländischen Nachnamen. Und ja, ich spreche auch diese Sprache. Ich bin trotzdem nicht interessiert an irgendwelchen Bücherclubs/Sonderangeboten für irgendwas oder ähnlichem in dieser Sprache. Und nachdem ich dies einmal SEHRSEHR deutlich kundgetan hatte erwarte ich NIE mehr angerufen zu werden. Anscheinend spreche ich jene Sprache nicht gut genug...)

dunski hat gesagt…

Genau so. Druckreif. :-) da bin ich ja froh, dass ich seit Monaten keinen dieser saublöden Anrufe erhalten habe. Aber falls es doch noch einer wagt, bin ich ja jetzt Ansagetechnisch vorbereiter

asty hat gesagt…

Ach, aber manchmal, also wenn ich Zeit habe, dann kann es doch auch ganz lustig sein, den CallCenter-Damen ein bisschen die Zeit (und die Provision?) zu stehlen :-)
Dann plaudere ich mit ihnen und frage sie Dinge und sage ihnen "ich muss Ihnen nicht sagen, bei welcher Versicherung ich im Moment bin." oder "ach, bei meiner Versicherung ist alles bestens." usw.
Irgendwann merken sie dann, dass sie wohl keine Chance haben.
Aber wie gesagt, nur wenn ich gerade Zeit und auch gute Laune habe....
Liebe Grüsse
asty

Unknown hat gesagt…

Großartig! Ich hab mir ein klein wenig geklaut, für den Fall der Fälle...Herrlich!

sabigleinchen hat gesagt…

Köstlich :).
Am meisten hasse ich ja die Sache mit dem Mann. Oder wenn so eine Callcentermitarbeiter anruft und mich dann mit dem Namen meines Partners anspricht, der aber NICHT mein Name ist und das auch wenn ich mit MEINEM Namen den Höhrer abnehme. Ich hasse es. Auch nett finde ich die Callcenter die über Mittag oder am Abend anrufen, geht schonmal GAR NICHT und diejenigen die mitten am Tag meinen Freund verlangen und so erstaunt sind, dass er arbeitet. Ja die Krankenkassenprämien muss man sich auch leisten können...
Ich habe sämtliche dieser Nummern auf dem Handy gesperrt. Die können mich noch tausend Mal anrufen, es stört mich überhaupt nicht mehr. Und ich würde auch niemals so einem Telefonnerver etwas abkaufen oder unterschreiben. Total überflüssig die ganze Sache.