Montag, Juli 08, 2013

A song. And a story #1

Heute morgen, als ich im Auto aus Gründen (Xavier Naidoo. Einer der Gründe, die immer ziehen) das Radio abstellen musste und auf Speicherkarte umstellen musste, habe ich mich verdreht und bin statt bei Coldplay bei Sunrise Avenue gelandet und da kam mir die Idee zu einer neuen Rubrik hier: ich werde (ohne Anspruch an die musikalische Qualität, das sei schon mal vorab erwähnt) hier ein paar Lieder vorstellen, v.a. wegen der Geschichte, die für mich dran hängt. Und den Anfang dürfen die Jungs aus Finnland machen.


Also. Als ich dieses Lied vorletztes Jahr (oder?) das erste Mal im Radio (wieder: Radio.) hörte, war mir als erstes klar, dass ich das Album brauche und zweitens, dass wir im Sommer mit den Kindern unseren Urlaub in San Diego verbringen würden. Ja, mir ist klar, dass die Hollywood Hills in Hollywood sind und nicht in San Diego, aber das, was für die Jungs von Sunrise Avenue eben die Hollywood Hills sind, ist für mich San Diego. 
Und das kam so: Als ich im Jahre 1997 über die Praktikumsplatzvermittlung der Studienstiftung des Deutschen Volkes nach einem Plätzchen für meine zweite, wie es so schön treffend und charmant heisst, „OC-Knechtschaft“ (Offiziellsprech: Fortgeschrittenenpraktikum in Organischer Chemie, Teil 2“) suchte, blieben zwei in der engeren Wahl: Phosphororganische Verbindungen in Iowa (oder Indiana? Idaho? Irgendwo mittendrin aufjeden Fall) oder aber Biochemie in La Jolla. Raten Sie mal. Genau, und so bin ic dann mit grade noch nicht 21 (Tipp vom Küken: relativ blödes Alter, um nach USA zu reisen) Jahren das erste Mal für lange richtig lange alleine weg von daheim gewesen. 

Im Sonoma Valley habe ich illegalerweise trotzdem Wein bekommen ;-)
Ich habe mir eine Wohnung im Surferviertel Pacific Beach organisiert, 

mit geliehenem Futon, nicht klingelndem Telefon und Campingmöbeln ausgestattet, habe erst ganz schlimm Heimweh gehabt, dann aber grossartige Leute kennengelernt und Besuch vom Hübschen (5 Wochen lang! Ein Traum) gekriegt, und drei Monate Biochemie gemacht.
 Ich bin morgens mit den Rollerblades an den Mission Boulevard
 geskatet (der Hübsche auch ;-)),
 dann dort mit den mexikanischstämmigen Hausangestellten in den Bus gestiegen, in die Hügel von La Jolla hinaufgefahren, dort auf den Inlinern dann wieder durch das Villenviertel 
ins Salk Institute gerollert 
und habe dort dann oben auf den Klippen über dem Pazifik Zellen gezüchtet,
 Wachstumsfaktoren exprimiert,

 mich vor den gefrorenen Mäusehirnen in Scheiben in der Tiefkühltruhe gegruselt, Lab-Partys neben am lebendigen Leib Lebern spendenden Mäusen gefeiert (und den Collegekids dort mal gezeigt, wie bayerische Studenten Bierflaschen öffnen, nämlich mit einem ordentlichen Handkantenschlag an der Laborbench. Dann habe ich gelernt, dass amerikanische Bierflaschen einen Kronkorken zum Aufschrauben haben),
 Western Blots am laufenden Band produziert, PCR wie ein Profi laufen gelassen, mit Aerobic und Yoga angefangen (in der Mittagspause), eine Konferenz vor Ort besucht, bin über Mittag die Klippen zum Blacks Beach runtergeklettert zum Baden, ich habe Margarita lieben gelernt (nur echt in der Limetten-Version, gehen Sie mir doch weg mit Erdbeere, und auf jeden Fall und immer nur on the rocks), tatsächlich dort erst Cilantro/Koriander kennen- und lieben gelernt, war in Mexiko, habe Ceviche gesehen, Ananas mit Chili gegessen, den Drehort von Titanic gesehen, war das erste Mal in Disneyland 
Auch wenn es nicht so aussieht: ich hatte eine Hose an.
und Seaworld, Yosemite,
Mitte: El Capitan, Mitte unten: ich, links oben: der Daumen des Hübschen
Malibu, Santa Barbara und San Francisco,
Der Hübsche vor Alcatraz
Ich auf dieser Strasse, die in allen Filmen über SF-vorkommt

 langer Rede, kurzer Sinn, ich habe mein Herz an Kalifornien und besonders an San Diego verloren. Allerdings war die Biochemie dann doch so gar nicht meins und so bin ich dann, anders als die deutschen Freunde, die wir dort kennengelernt haben, zurück in Deutschland in der Anorganik gelandet und der „richtigen“ Chemie treu geblieben. Ein Teil meines Herzens allderdings, der trauert immer noch der Alternativrealität nach, in der ich zur Doktorarbeit die Uni gewechselt hätte und Biochemikerin geworden wäre. Danach wäre ich dann mit dem Hübschen zusammen nach San Diego zurück gegangen, wir hätten auch in DelMar in einem Appartementkomplex am Strand gewohnt,
2004, beim ersten SanDiego revisiting

 wären mit der Zeit sesshaft geworden und hätten vom Forschungsinstitut in eine der hippen Genfirmen dort gewechselt (vielleicht sogar ein Stückchen die Küste rauf und ich würde beim gleichen Arbeitgeber arbeiten wie jetzt auch ;-)), unsere Kinder hätten die amerikanische Staatsbürgerschaft und hätten Surfen vor dem Laufen gelernt. Vermutlich hätte ich auch gelernt, Bakterien und Gelchromatographie zu lieben und Schlenk-Kolben und Magnetrührer gar nicht so sehr vermisst.
Aber: es ist eben eine Alternativrealität und es ist auch nicht so, dass ich diesem Leben hinterhertrauere. Ich bin durchaus so realistisch, nicht drei Monate Praktikum und zwei Urlaube
Hier: 2004 vor dem Abflug
 mit einem ganze Leben dort zu verwechseln. Wir, das ist mir am Wochenende, als wir bei traumhaftem Sommerwetter mit dem Rad am Rhein entlang gedüst sind, leben hier durchaus auch an einem schönen Plätzchen Erde, die Jobsituation ist exzellent, wir haben hier Wurzeln geschlagen und unsere Familie ist nicht ganz so weit weg, wie wenn wir auf einem anderen Kontinent leben würden.
Trotzdem stimmt die Zeile
“I take a part of you with me now and you won't get it back
And a part of me will stay here, you can keep it forever, dear”
für mich und so werden wir immer wieder in meine zweite Wahlheimat (Heimat 2. Wahl?) zurückkommen.

Mein erster und einziger Segeltörn
2004 aus der Bar im Hyatt (Hilton?) am Seaport Village. Da war ich dann schon über 21 ;-)

9 Kommentare:

Mama hat gesagt…

Ja, San Diego ist wirklich wunderschön. Ich war auch unter 21 in Californien, als Au-Pair in San Francisco, und das war eine dumme Idee. Aber San Diego ist schön.

Habe ich gerne gelesen!

Grüsse, Christine

juniwelt hat gesagt…

Das liest sich sehr schön...und die Fotos sind extrem toll!

kleine fluchten ♥ hat gesagt…

Schöne neue Rubrik :-)
Ich sammle inzwischen alle Lieder, die eine bestimmte Bedeutung haben, in einer Playlist und ich liebe es, sie zu hören...
Sunrise Avenue haben wir letztes Jahr in München gesehen, als Auftakt zum Champions League-Finale. Die waren klasse live!

LG Tina

KlosterFrau hat gesagt…

Hey, cool. Ich war 1998 mit 21,5 zum Sprachkurs (auch auf Stiftungskosten) dort und totalst begeistert und hab fast die gleichen Fotos gemacht *fg*. Die Margheritas waren super und das Schaukeln im Bett hinterher unvergesslich ...

Andrea

musematschka hat gesagt…

Auch wenn ich das Video nicht angucken kann - schöne Geschichte dahinter! Bin schon auf die nächsten Lieder gespannt...

Und außerdem: diese langen Haare... die haben was! So ganz, ganz anders und doch toll - wollen Sie nicht mal wieder zur Abwechslung züchten?

Anonym hat gesagt…

"Heute morgen, als ich im Auto aus Gründen (Xavier Naidoo. Einer der Gründe, die immer ziehen) das Radio abstellen musste"

kann ich voll und ganz verstehen!!

Viele Grüße
Heike

Katrin hat gesagt…

Eine unvergesskiche Erfahrung, toll!
San Diego stand hier auch mal eine Zeit zur Debatte, hat sich aber aus Gruenden zerschlagen b.a.w.
Das Lied liebe ich auch - wenn unsere Tochter etwas aelter ist, steht Kalifornien auch noch auf unserer Liste. 2 Urlaube dort haben auch ein Stueck meines Herzens da behalten.

reboka hat gesagt…

Total schön geschrieben. Ich kann sowohl die Sache mit Xavier Naidoo nachvollziehen, als auch das Gefühl, eine schöne Erinnerung ans andere Ende der Welt zu haben. Bin schon gespannt auf die weiteren Lieder und Geschichten, die da noch kommen werden...
Gruß aus Graz
Reboka

steffi hat gesagt…

bis auf die haarlänge seht ihr beide aber noch genau gleich aus. chemie konserviert anscheinend ganz gut :-)

lg