Samstag, November 14, 2020

141120 Auf die Welt gekommen

 Nachdem das mit dem kurzzeitigen Grenzübertritt gestern so gut geklappt hat, haben wir das heute grad nochmal gemacht und zwar alle zusammen.

Der Hübsche hatte Optikertermin für Kontaktlinsen und Brille und alles, ich habe ein Paket bei einer Kollegin abgeholt (die diesjährige Krippenfigut), Q. brauchte Schlafanzüge und Jeans und überhaupt müssen wir mal wieder was anderes sehen als unsere Hood zu Hause.

Und, holla, das haben wir. Erst sind wir am Krankenhaus vorbeigegangen und haben geschluckt, als in den paar Minuten, die wir da in Sichtweite waren, 5 Krankenwägen kamen, aus denen Leute im Vollschutz in Empfang genommen wurden.

Dann standen auf unserer Einkaufsliste Nurofen-Softgelatine-Kapseln. Die sind in der Schweiz nicht zugelassen, allerdings für L. in der Nacht bei Wachstumsschmerzen (und dafür auch in Schulreisen, PFadilagern etc., wo man vllt. kein Wasser im Schlafbereich hat und nicht noch ewig rumgeistern möchte) ohne Wasser viel angenehmer zu nehmen als der hier ubiquitäre Algifor-Sirup für Kinder (oder halt Ibuprofen Tabletten ohne Wasser) Und seitdem ich bei uns für unser sehr limitiertes Softgelatinekapsel-Portfolio (nicht Nurofen natürlich) verantwortlich bin und weiss, wie mühsam die Herstellung ist, bin ich denen sozuagen noch mehr zugetan.

Ich bin also in die Apotheke, in die wir immer gehen, weil sie inmitten der Fussgängerzone liegt und wunderte mich schon über dieses Plakat:




Erstens das Sujet, zweitens die dilettantisch handgeschriebenen Schilder, dann ... was hat das in einer Apotheke zu suchen, Apotheker können doch keine Corona-Leugner sein.

Ich wollte eigentlich drinnen nachfragen, was sie mit diesem Plakat meinen, aber dann musste ich ausgiebig verhandeln, dass ich mit Sofgelatinekapseln NICHT Schmelztabletten ("Die schmecken nach Zitrone!") meine, sondern Softgelatinekapseln, die, glaube ich, nach Orange schmecken, aber das ist tatsächlich wurschtegal. Ich habe also nichts gekauft, was super war, weil beim Rausgehen sah ich diese Auslage im Schaufenster nebendran.

Ich war so perplex, dass ich direkt umdrehen wollte, um drin zu sagen, dass ich NIE WIEDER da einkaufen würde und ob sie Lack gesoffen hätten und wie das mit einer Apothekenzulassung vereinbar wäre. Die Kinder meinten, das wäre aber schon arg peinlich und vielleicht sollten wir lieber zum Legoladen weitergehen.

Wir sind also zur nächsten Apotheke gegangen, haben ausgiebig die Schaufenster inspiziert, da stand nur, dass man Maske tragen müsse und krank nicht reinkommen dürfe, man würde beliefert werden. Die Softgelatinekapseln hatten sie btw auch nicht, jetzt haben wir halt Schmelztabletten, aber nicht bei den Covidioten gekauft.

Als wir uns dann auf den Weg zum Legoladen machten, wurde es noch skurriler: 

Ein Demonstrationszug von Coronaleugnern in Tyvek-Anzügen mit silbernen Gesichtsmasken, Plakaten und Boombox, aus der schwurbeliges tönte ("Heiliger Söder, vergib uns unsere Sünden" etc) schritt durch die Fussgängerzone. L fand das creepy as hell, die samstagmittägliche Einkaufsgesellschaft filmte und fotografierte das Ganze amüsiert bis irritiert. Ein Kollege, den ich beim Zuschauen traf, (Samstag Mittag vor dem Müller; 10 Minuten rumstehen und man trifft IMMER zwei, drei, vier Ex/Kollegen) klärte mich auf, dass der Strippenzieher der Sache eben der Apotheker von vorher ist, der das jeden Samstag abzieht incl Kundgebung auf dem Marktplatz.

Ab dann hatte ich die Erlaubnis der Kinder, nochmal zurückzugehen und zu erklären, dass wir nie wieder dort einkaufen würden und dass sie eine Schande für ihren Berufsstand wären. Als ich dort ankam war allerdings ausser fünf Kunden nur die ungefähr ... 17 jährige Lehrtochter zu sehen und so sehr ich von der Sache überzeugt bin, so sehr weiss ich auch, dass das alles bei ihr am ganz falschen Ort wäre. Deshalb werden wir dort einfach nicht mehr hingehen und stattdessen in die andere Apotheke mit dem schönen goldenen Löwen vornedran.



Ansonsten wurde mir per Mail der Link zu diesem Artikel geteilt (danke!), der sich nochmal mit dem Ballerina-Video befasst. Für alle, die so empört waren, wie man etwas so rührendes und respektvolles und so gut gemeintes nicht uneingeschränkt superst finden kann, und die sich darüber echauffiert haben, wie sehr ich das mit Vergleichen zu Igelbabies und Kinderfotos und Herzogin Kate ins Lächerliche gezogen habe (habe ich btw gar nicht. Mir war jeder einzelne Satz und Vergleich bitterster Ernst.), lesen Sie das ruhig mal. Und dann fragen Sie sich, wie weit man für den vermeintlichen guten Grund ethische Grundsätze über Bord werfen darf. (Ich habe übrigens schon letzte Woche bei der Organisation nachgefragt, wie es denn mit der Einverständniserklärung der gezeigten Patienten aussah, aber auch nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet). 

"Der Zweck, mit Empathie und Schönheit Geld für Gutes zu sammeln, heiligt nicht das Mittel des Diebstahls von Lopatkinas Identität. Wer mit einem bewegenden individuellen Schicksal wirbt, sollte die Rechte des Individuums am eigenen Bild respektieren. Lopatkina ist weltberühmt und bestens zu erkennen. Für manche ist es eine Neuigkeit, dass eine Ballerina gar nicht wie die andere aussieht."

Herzchenaugen.


Gegessen:

Halbes Silsergipfeli

Zwei Printen

Weintrauben

Kürbismassamancurry mit Tofu


Gelesen: gestern "Ich darf nicht vergessen" aus, heute schaue ich mal in die Leseprobe des diesjährigen Gewinnerbuches des Schweizer Buchpreises

Gesehen: "Pulp Fiction". Mit der ganzen Familie :-)

Stressleveldurchschnitt gestern: 13

Selbstbeweihräucherung: bin nicht sicher, ob es gut war oder nicht, in der Apotheke nix zu sagen, aber naja ist jetzt halt so

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