So war das mit dem Wurststipendium
Also, versprochen ist versprochen.
Also. Ich habe vor ungefähr 100 Jahren an einer Technischen Universität in Bayern promoviert. Damals war das in meinem Fachbereich zumindest so, dass die Doktoranden an den meisten Lehrstühlen eine halbe Stelle bekamen (nur bei den echten Anorganikern war es eine ganze, weil da echt kaum einer hin wollte), das war ok, aber grosse Sprünge konnte man damit nicht machen (eh nicht, weil man ja eine Doktorarbeit zusammenwurschtelte und für das Geld eben Praktika betreute, ich grüsse alle Bierbrauer, Getränketechnologen, Agrarwissenschaftler, Biologinnen, Ökotrophologinnen und sonstige Studiengänge, von denen ich vorher noch nie was gehört hatte, die aber alle irgendwie mit Essen und Trinken zu tun hatten, und natürlich unvergessen, die kleine Gruppe der Geologen, die der Hübsche und ich jeweils zusammen lebendig durchs Praktikum gebracht haben, was echt nicht ganz einfach war. "Kann ich das Kaliumcyanid haben?" "Ist die Lösung auch sauer?" "Eh klar" "Dann nicht.").
Der Arbeitskreis war, ich würde sagen, mitteldivers, ich hatte damals da noch nicht so einen Blick dafür, ich war aber nicht die einzige Frau, glaube ich, wobei, direkt beim Lehrstuhlinhaber und nicht bei einem seiner Habilitanden oder Honorarprofessoren oder C3 Professoren vielleicht schon, ich weiss es nicht mehr. Anyway, eines Tages kam mein Doktorvater (oder sein ... wie nenne ich es .... Adlatus, weil mein Doktorvater damals schon nicht mehr soooooo viel mit Lehre und Forschung zu tun hatte, sondern mehr mit Hochschul-/Landespolitik, d.h. echte Facetime war sehr, sehr selten) zu mir und meinte: "Frau *Mädchenname*, ich hab Ihren Vertrag auf den nächsten Monat beendet, wir haben da jetzt nämlich eine ältere Dame, vielleicht sagt Ihnen *xyz-Wurscht* was, die will junge Frauen fördern und das sind Sie und noch eine andere bei Professor xyz, das ist was Gutes, auch im Lebenslauf."
Naja, so weit so gut, ich war Vegetarierin, hatte überhaupt keine Überblick über die verschiedenen Wurschtdynastien, respektive, wieviel Geld da drinsteckt, (bis ich da gestern mal nachgegoogelt habe, dachte ich übrigens, dass es die Zimbo-Wurst gewesen wäre, die mittlerweile entweder Bell oder Tönnies gehört, aber war es nicht. Immerhin.). Ich hatte Stipendiatenerfahrung aus dem Diplomstudium, aber irgendwie war es diesmal anders. Ich wurde nicht vorgeschlagen, musste mich nicht bewerben, kein Auswahlseminar in einer abgeschiedenen Jugendherberge am Ende der Welt mit lauter Überfliegern und Superbrains bestehen, es gab keine feierliche Urkundenübergabe, mir wurde das mehr oder weniger auf dem Gang mitgeteilt und ab dem nächsten Monat kam das Geld (naja, viel mehr Geld als für eine halbe Stelle!) von woanders auf meinem Konto an. Es hat sich überhaupt nicht wie eine Auszeichnung angefühlt, es war halt entschieden worden, ich reimte mir zusammen, weil ich halt die in der Gruppe war, die am besten auf "Junge Frau" passte, zack, hier. (Mir war damals übrigens schon klar, dass das nicht nur keine Auszeichnung, sondern auch unfair war, wie mir das zugeschustert wurde, hatte damals aber nicht das Gefühl, dass ich irgendwas dagegen ausrichten könnte, mich nicht getraut, das auch nur ansatzweise zu verbalisieren und wüsste auch nicht, ob ich das heute in einer ähnlichen Situation tun würde. Ich glaube allerdings, Wurschtmillionärinnen sind eine aussterbende Gattung, langfristig gesehen)
Nun. Ich hatte in meiner Zeit am Lehrstuhl gelernt, solche Dinge zu akzeptieren, was hätte ich auch tun sollen, mein Vertrag war ja auch weg (ich weiss gar nicht, ob ich aus Solidarität mit dem Hübschen weiter mit ihm die Praktika betreut habe, obwohl ich ja keinen Vertrag mit der Uni mehr hatte und gemäss den nichtexistenten Unterlagen / Bestätigungen zu dem Stipendium auch irgendwie zu nix verpflichtet war, aber ich glaube schon.).
Irgendwann war es dann soweit und die Steuererklärung wurde langsam fällig und weil ich ja im ersten Jahr meiner Doktorarbeit stolz wie Oskar meine erste eigene Steuererklärung abgegeben hatte, wurde ich etwas nervös, weil ich hatte zwar jede Menge Wurschtgeld auf dem Konto, aber keinerlei Beleg oder Vertrag oder irgendwas, was das als Stipendium und nicht als Drogengeld oder was auch imemr ausweist und so habe ich also beim Finanzamt München II Aussenstelle Deggendorf angerufen, die für mich anscheinend zuständig waren und habe gefragt, was ich machen soll. Der Herr am Telefon war sehr nett und meinte, ich solle mir mal keine Sorgen machen, Stipendien wären steuerfrei (ich hatte übrigens das ganze Jahr über die Hälfte des Geldes auf ein separates Konto überwiesen, weil ich auf gar keinen Fall am Ende mit zu wenig für Steuern dastehen wollte), ich sollte das alles angeben, die Stipendienbestätigung beilegen, abschicken fertig. Mhm. Stipendienbestätigung. Ich hatte halt nix ausser eine hingeworfene beiläufige Mitteilung auf dem Institutsflur und Millionen an Wurschtmark auf dem Konto. Ich bin also am nächsten Tag zu dem Adlatus gegangen und habe gefragt, wie ich denn an so eine Stipendienbestätigung käme, weil eben Steuer. Die Antwort war sehr, sehr vage, "Aha, mhm, Bescheinigung? Brauchen Sie das? Sicher? Aha, mhm, noch nie gehört." Das war einerseits unbefriedigend, andererseits auch zu erwarten, weil ich aus sehr guten Gründen (Kenner der bayerischen Landespolitik in den frühern Nullerjahren wissen, was ich meine) in steuertechnischer Hinsicht kein uneingeschränktes Vertrauen in die, sagen wir, Expertise meines Doktorvaters hatte.
Nun ja. Ich habe immerhin die Telefonnummer der Wurschtstipendienfrau bekommen, da könne ich ja mal nachfragen. Und dann wurde es richtig hässlich.
Ich habe also dort angerufen, mit irgendjemandem gesprochen ("Grüss Gott, ich bin eine der Wurschtstipendiatinnen, danke übrigens, eine Frage: könnte ich so eine Stipendienbestätigung bekommen, weil das Finanzamt möchte die."), mir wurde ein Rückruf angekündigt und holla, der hatte es in sich.
Die Wurschtstipendienfrau war ausser sich vor Wut, dass ich undankbares Stück ihr Geld einstreichen würde, mich nicht mal bedanken würde, geschweige denn erkenntlich zeigen, aber wenn es um die Steuer geht, da käme ich auf einmal angekrochen, das würde ja schon zeigen, wie weit es mit mir her sei.
Oooooooookay. Ich weiss noch, wie fassungslos ich auf den Telefonhörer (ich sag ja: vor 100 Jahren war das) starrte und mir nur dachte, ich wäre im falschen Film. Klar, ich fand auch seit Monaten, dass das eine sehr seltsame Stipendienorganisation wäre, ich kannte das von meinem vorherigen Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes so, dass es Stipendiatengruppen gab, Vertrauensdozenten (auch alles sehr skurril), Referenten, jedes Semester Treffen, Vorträge, ich musste Berichte über mein Studium abliefern, wurde beraten und gecoacht, es gab Sommerakademien, Sprachkurse, Vermittlung von Praktika, und ja, tatsächlich in ungefähr 15. Instanz gab es auch Geld. (Und ich musste micht nicht "erkenntlich zeigen", was auch immer das bedeutet). Im Falle des Wurschtstipendiums gab es .... Geld. Und anscheinend monatelang unausgesprochene Erwartungen an mich, die ich ganz offensichtlich nicht ansatzweise erfüllt hatte.
(Wenn ich da heute dran denke, werde ich nachträglich so wütend auf all die Beteiligten, den Doktorvater, der das alles hintenrum irgendwie gedeichselt hat, die Wurschtfrau, die offensichtlich keine Ahnung hat, wie man eine Stiftung oder was auch immer organisiert, und auch ein bisschen auf mich, die das alles mit sich hat machen lassen, was sich angesichts der geflossenen Geldmengen sehr seltsam anfühlt.)
Naja, ich hatte das Gefühl nicht viel Wahl zu haben und habe also einen Entschuldigungsbrief geschrieben, in dem erklärte, wie geehrt ich mich fühlte, als Stipendiatin ausgewählt worden zu sein (naja), wie dankbar ich wäre, dass damit meine Forschungsarbeit unterstützt würde (naja), wie leid es mir tue, dass wir einen so unglücklichen Start hatten (naja) und wie sehr es mir am Herzen läge, das wieder gut zu machen (kotzi) und dass so ein Beleg natürlich nicht nur für die Steuer wichtig wäre, sondern auch später als Beleg für meine Stipendiatinnenzeit in Bewerbungsunterlagen (hehehe).
Als Antwort kam eine auf Büttenpapier geprägte Einladung zum Wurschtbrotessen Kaffee in der Wurschtmillionärinnenvilla in Bogenhausen (oder Grünwald? Ist ja auch wurscht. Höhö). Ich war zum ersten Mal in meinem Leben in so einer Villa mit automatischem Tor, Kameraüberwachung, Butler und Kaffeetafel, wie man das halt aus Hollywoodfilmen kennt. Ich erinnere mich tatsächlich nicht mehr an sehr viel von der Unterhaltung, nur noch an eins (und das ist auch das erste und einzige, was dem Hübschen eingefallen ist, als ich gestern mit der Wurschtstipendiumsgeschichte anfing): Natürlich war das nciht vor 100 Jahren, sondern 2001/2002, 9/11 war noch nicht lange her und beim Kaffee, während ich vor allem Angst hatte, irgendwas zu verkleckern oder zu zerbrechen, fragte mich die Wurschtmillionärin, was ich von Al Quaida und Osama bin Laden hielte. Ich weiss nicht mehr, was ich antwortete, vermutlich irgendwas wie "tragisch, was da passiert ist, die Situation in Afghanistan ist ja seit Jahrzehnten sehr verworren und schrecklich", aber das war auch egal, weil wichtig war die Meinung der Wurschtfrau und das ist wörtlich: "Ich weigere mich, von einer Horde bärtiger Männer in dreckigen Nachthemden mein Leben ruinieren zu lassen."
OK, naja. So war das also. Auf dem Rausweg wurde mir wie so Trinkgeld ein erstaunlich unspektakulärer Wisch zugesteckt, in dem mir die Höhe des Stipendiums bestätigt wurde, das FInanzamt München 2 Aussenstelle Deggendorf war happy, ich konnte die beiseitegelegte Hälfte des Gelds nutzen und habe davon bahnbrechende Grundlagenforschung betrieben der Hübsche und ich sind davon für 2 Wochen nach Korsika zu einem legendären Wanderurlaub gefahren und hatten immer noch genug übrig.
Mit der Wurschtfrau hatte ich übrigens nur noch einmal zu tun und das auch nicht direkt und das kam so: nach dem Taliban-Kaffeedate waren ein paar Monate vergangen, mir war immer noch nicht klar, was von mir erwartet wurde, ausser halt forschen, es gab aber auch keine Beschwerden mehr, ich hatte meinen Zettel für die Steuer, soweit alles ok. Dann wurde ich auf dem Gang vom Lehrstuhlinhaber persönlich angehalten und mir wurde konspirativ zugewispert, dass die Wurschtfrau 80 Jahre alt würde und die Uni etwas Grosses plane und es wäre gut, wenn wir Stipendiatinnen uns was einfallen lassen würden. Na super.... ich besorgte mir also die Nummer der Costipendiatin und vereinbarte ein Treffen. Wir haben gemeinsam ein wenig hin und her überlegt, und ausser einem Fotoalbum, das unsere Forschung illustrierte, hatten wir keine Idee. Man muss dazusagen: die Costipendiatin war Limnologie-Habilitandin, das ist irgendwas mit Wasser, und hat das Wurschtgeld tatsächlich für ihre Arbeit genutzt, also Tauchausrüstung gekauft und damit Bäche nach ich weiss gar nicht, ob Pflanzen oder Tieren durchsucht, also das war ganz sicher etwas bildgewaltiges. Ich hingegen war mir sicher (bisschen was hatte ich ja gelernt), dass die Wanderfotos aus Korsika eher kontraproduktiv wären und im Labor, meine Güte, das ist halt Labor, nix besonderes und ausserdem ein Riesensaustall. Aber: besser als nix, also habe ich den Hübschen zu einem Fotoshootingtag verdonnert. Ich habe mir (nicht vom Wurscht-, sondern vom Institutsgeld, weil das lief alles via Kostenstelle, ich hätte das Wurschtgeld gar nicht für irgendwas forschungsrelevantes ausgeben können, ausser ich hätte mir zB Chemikalien von Sigma Aldrich zu mir nach Hause bestellt, aber das ist ja auch was, was man seit 2001 auch eher nicht mehr macht, wenn man nicht auf einer Blacksite gewaterboardet werden möchte) einen blütenweissen Laborkittel gekauft, mein neues (bei einem Internetgewinnspiel gewonnenes) Mariah Carey-Glitter-Shirt angezogen (fragen Sie nicht), und wir haben eine Riesenmenge an "Junge Frau forscht"- Stockfotos gemacht. Natürlich alles noch in echt auf Film, deswegen sind all die schaurig schönen Bilder, wo ich versonnen auf ein Reagenzglas mit pinkem Inhalt im Gegenlicht schaue, flüssigen Stickstoff mit grosser Nebelentwicklung in Kühlfallen schütte, eine mittlere kleine hübsche Explosion im Abzug veranstalte, den Klassiker: eine bunte Flüssigkeit durch die Kühlschlangen eines Rotationsverdampfers "destilliere" (das, was in ALLEN Filmen mit Laborbeteiligung gezeigt wird und halt einfach falsch ist. War eine Riesensauerei, das hinterher zu putzen, so dass man es wieder richtig verwenden kann), wie ich fachmännisch die Riesen-Argon-Flasche im Gasflaschenschrank wechsle, leider eben in dem zu verschenkenden Fotoalbum gelandet und für die Nachwelt verschwunden. Obwohl, wer weiss, vielleicht liegt das in irgendeiner Nachlasskiste und irgendein Urenkel wundert sich, wie man damals "geforscht" hat. Das Fotoalbum mit liebevollen Bildunterschriften, einer gefühligen Geburstagskarte und schön verpackt habe ich dann für den offiziellen Festakt mitgegeben, eingeladen war ich nicht, keine Ahnung, ob wegen meiner mangelnden "Gegenleistung" oder ob das nie geplant war, ich war ganz froh drum.
Aber: Sie glauben ja wohl nicht, dass wir nur so gestellt seriöse Bilder gemacht hätten? Diese zwei hier haben es nicht ins Album geschafft, weil halt unscharf und ... naja, schauen Sie selber:
Astrein seriöses Forscherinnenbild, nur halt leider unscharf (ich habe dieses Mikroskop ganz hinten in einem Laborschrank gefunden) |
So war das mit dem Wurschtstipendium. Im Lebenslauf habe ich das übrigens natürlich drinstehen, und auch wenn es ausserhalb der bayerischen Wurschtmagnatenszene nicht den vermutlich angenommenen Türöffnereffekt hatte, war es doch immer für einen Eisbrecher im Bewerbungsgespräch gut." I know "Studienstiftung des Deutschen Volkes", but what is "xyz-Stiftung?" "Well, glad you asked, it is actually a quite funny story....."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen