Mittwoch, Januar 18, 2017
Ich arbeite ja nun schon lange in einem hochspezialisierten technischen Umfeld. Wie in jeder Filterblase ist es auch da so, dass man eine gemeinsame Sprache und Erfahrungswelt hat und für die Aussenwelt, die bei uns manchmal nur ein Stockwerk weiter sitzt, klingen unsere Unterhaltungen wie Suaheli. Da wir aber nicht für uns allein leben und arbeiten, müssen wir eine Möglichkeit finden, unsere Projekte, Probleme, Erfolge und Arbeit überhaupt so vorstellen zu können, dass es auch jemand versteht, der nicht seit drölfzigtausend Jahren in einem chemischen Produktionsbetrieb im GMP-Umfeld arbeitet. Eine gern verwendete Technik ist, das dem berühmt berüchtigten Vierjährigen, manchmal auch Fünfjährigen oder auch der 75jährigen Grosstante (interessanterweise wurden die fiktiven Grosstanten eher zu Unizeiten in Prüfungen herangezogen. So ändert sich dasfiktive Publikum also mit der Zeit) zu erklären. Gefühlt. Das ist einerseits gar nicht so leicht, weil man sich ja von den vielen Details und Nuancen und Unmengen Daten und Fakten, die man gesammelt und generiert hat und auf die man ja unglaublich stolz ist, lösen muss und sich nur auf das Wesentliche konzentrieren muss. Andererseits gewinnt man dadurch schon in der Vorbereitung manchmal erstaunliche Erkenntnisse, die einem tief vergraben im Detailmodus vielleicht entgangen wären.
Diese Technik funktioniert übrigens auch mit nicht wissenschaftlich-technisch basierten Themen. Wenn man zB Befindlichkeiten oder Streit im Internet jemandem erklärt, der nicht mit drinsteckt, und wenn man bei dieser Erklärung dann noch das Schulz-von-Thunsche Vier-Seiten-Modell im Kopf behält und sich nur auf das tatsächlich Gesagte/Geschriebene und weniger auf das potentiell Gemeinte und eben das Ankommene und Reininterpretierte bezieht, dann sitzt man irgendwann auf dem Sofa und das Gegenüber sagt: „Ok, und das war jetzt alles? Und deswegen so ein Aufriss?“ und man muss sich eingestehen: „Ja, das war alles. Viel Lärm um nichts.“ Und dann lacht man ein bisschen hilflos, wundert sich, wie man mal denken konnte, dass es viel mehr sein könnte und macht weiter. Mit dem echten Leben und den wirklich wichtigen Dingen.
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3 Kommentare:
Ja. 💕
So geht es sicher ganz vielen :).
Ich sage sogar meinen kaufmännischen Lernenden, sie sollen ihre Präsentationen die sie über ihre Arbeit im Betrieb halten sollen den Eltern oder Geschwistern vortragen. Wenn die verstehen was wir eigentlich machen, dann ist es verständlich und einfach genug erklärt ;).
Und manchmal braucht es nicht einmal das "Vier Seiten Model" - ein Meter Abstand genügt, um zu sagen: Die sache nicht wert! A Mäusdreck eben!
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