Donnerstag, November 01, 2012

Hand und Fuss und weihnachtliche Bettelbriefe

Offensichtlich bin nicht nur ich schon voll auf Weihnachtskurs, auch die Bettelbriefwelle ist angerollt.

Jetzt verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiss, dass es uns sehr gut geht, dass unsere Probleme Luxusprobleme sind, am meisten haben mich am Sterben der alten Waschmaschine der organisatorische Aufwand und die Wäscheberge gestört (und dass ich, wenn ich soviel Geld ausgebe, das lieber für was täte, wo ich richtig Spass dran habe), und dass wir von unserem Wohlstand sicher noch mehr abgeben könnten, als wir es tun.
Aber. Genauso, wie ich aus Prinzip mit Leuten, die mir an Telefon oder Haustür was verkaufen wollen, keine Geschäfte mache (und das den Krankenkassentürspionfischölzeitschriftenwasserenthärtungsanlagentiefkühlessenverkäufern auch offen kommuniziere, bevor ich einfach auflege oder die Tür wieder zumache), weil ich das als Eindringen in meine Privatsphäre sehe, genauso eine Abneigung habe ich gegen Bettelbriefe um Spenden für irgendeinen guten Zweck. Wir versuchen, bei Katastrophen etc. spontan zu spenden, meist für das rote Kreuz vor Ort oder an SOS-Kinderdörfer in der betroffenen Region, ausserdem haben beide Jungs ein SOS-Patenkind bzw. –dorf, das wir monatlich unterstützen, wir freuen uns über die Infobriefe über diese Projekte und in dem Fall habe ich auch nichts gegen weitergehende Spendenanfragen für aktuelle Projekte oder im allgemeinen. Für diese Organisation haben wir uns selber entschieden, dazu hat uns niemand gedrängt.

Ich verstehe das Dilemma von Hilfsorganisationen und Vereinen durchaus: wenn einen keiner kennt, spendet keiner, klar. Aber für mich ist die Grenze dann übeschritten, wenn ich das Gefühl habe, in ein schlechtes Gewissen hinein manipuliert zu werden und mit für mich unlauter erscheinenden Methoden fast schon erpresst werde. Grenzwertig finde ich zB die (ich glaube) unicef-Weihnachtskarten, die einem ungefragt zugeschickt werden mit einem Infobrief und einer Spendeanfrage. Ich fühl mich dann immer ganz mies, wenn ich nicht spende und die Karten trotzdem verwende.

Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat aber gestern der Brief eines schweizer Mund-und-Fussmalervereins, in dem ein Packen Weihnachtskarten incl. Umschläge lag, dazu ein (vermutlich mit Mühe mit den Füssen geschriebener) Brief, in dem stand, wie arm dran Mund-und-Fussmaler wären (unbestritten) und die Karten hätten sie gemalt und die würden 16.90CHF kosten, oranger Einzahlungsschein wäre beigelegt und für noch mehr Geld würde man noch mehr Karten bekommen. Mit Umschlägen. Und genau da ist bei mir Schluss. Die Karten (die ich jetzt noch nicht mal schön fand) habe ich nicht bestellt, ich will also auch nicht dafür bezahlen. Moralisch fühle ich mich allerdings dazu genötigt, weil: ich hab die Karten ja in den Händen. Allerdings weigere ich mich aus Prinzip, was zu tun, wozu ich genötigt werde. Was also tun? Die Karten nicht bezahlen? Klar. Was mache ich aber mit den Karten (und den Umschlägen, wir haben hier chronischen Briefumschlagsmangel)? Benutzen? Unbezahlt? Da komme ich ja direkt in die Hölle! Zurückschicken? Ich habe sie nicht bestellt, ich habe keine Lust, eine Briefmarke, einen meiner eh schon knappen Umschläge und einen Weg zur Post zu investieren, um sie wieder loszuwerden. Wegschmeissen? Die hat jemand mit Mund und Füssen gemalt (und die Umschläge sind astrein ;-)), das ist ja wie Kätzchen töten..... Nun ja, der Hübsche hat Gottseidank weniger Skrupel und so ist unser Altpapiersack ein Stückchen voller geworden und ich habe den Mund-undFussmalerverein auf die Liste der für mich gestorbenen Spendenempfänger gesetzt. (Und fühle mich sehr schlecht dabei).

16 Kommentare:

Irene hat gesagt…

Das schlechte Gewissen ist unnötig. Erstens darf man über unverlangt zugesendete Dinge frei verfügen (ausser, es handelt sich eindeutig um eine irrtümlich erfolgte Lieferung), zweitens sind die Nichtzahler bei dem Preis natürlich mit einkalkuliert.
Wir verwenden alle Karten, die wir bekommen.
Mein Mann spendet an die Mund- und Fussmaler, ich an die Sehbehindertenhilfe. Ärgerlich nur, dass ich letzten Monat versehentlich eine Krankenkassenrechnung nicht beglichen habe, sondern den Betrag auf einen Einzahlungsschein fürs Rote Kreuz eingetragen habe. Gsd nur eine Medikamentenzahlung und keine Vierteljahres-Beitragsrechnung...

Anonym hat gesagt…

Nächstes Mal einfach "Annahme verweigert" auf den Umschlag schreiben und wieder in den Briefkasten werfen.
Gruß
Barbara

Anonym hat gesagt…

hallo frau brüllen,

das alles kann ich gut nachvollziehen. die obligatorischen weihnachtskarten mit bitte um spende bekommen wir auch immer. gleiches dilemma, aber ich seh nicht ein, auf zwang etwas zu spenden ohne vorher gefragt zu werden. dieses jahr kamen keine karten, sondern ein kalender für nächstes jahr. da kam mir sofort in den kopf, dass die nun eine schippe drauf geschmissen haben, um an mein geld zu kommen. schade ums papier, denn auch kalender suche ich mir selber aus und der ging ins altpapier. papier stapelt sich hier eh immer genug.

mein arbeitgeber organisiert sich auch bei einer hilfsorganisation, um denen möglichst gut zu helfen. so weit so gut und auch vorbildlich und erstrebenswert. doch nach den ersten jahren geht es inzwischen nur noch auf den nerv, wenn man mit seiner gehaltsabrechnung ein schreiben bekommt, dass man ja direkt vom gehalt spenden kann. oder bei jeglicher jobtechnischer veranstaltung eine spendenbüchse vor die nase gehalten bekomme. da fühlt man sich auch direkt mit bösen blicken konfrontiert oder getuschel, wenn man nix in die büchse schmeisst.

halten sie durch und bleiben sie hart :-)

lg
corinna
PS: die ihren blog liebt, weil ich auch zwei jungs hab und viel parallelen ziehen kann :-) (meine sind drei und ein jahr alt)

Uschi hat gesagt…

Bloß kein schlechtes Gewissen haben, das ist ja genau das, was die erreichen wollen! Zudem sind die Karten ja keine Originale, sondern Drucke, zu tausenden verfielfältigt. Die kalkulieren schon mit ein, wieviel Prozent davon nicht bezahlt werden und machen am Ende immer noch Plus.
Ich unterstütze meine lokalen Projekte und gut ist. Die Frechheit war letztens an der Haustür ein privates Unternehmen für Krankentransporte, die Geld sammeln wollten und mir nach Verneinung meiner Unterstützung dann an den Kopf warfen, dass ich hoffentlich nie einen Notfall habe und einen Krankenwagen brauche. Die kommen dann nämlich nicht ... Aha ... Also wenn ich 112 rufe, wird da schon jemand kommen und nicht erst meine Spendenquittung verlangen. Da wird mit der Angst der Leute gespielt, ich wette, meine alte Nachbar-Omi hat vor lauter Einschüchterung gleich Geld gegeben ...

Graugrüngelb hat gesagt…

Meine Mutti bekommt die Karten der Mund- und Fußmalenden Künstler auch und meist finde ich sie auch durchaus hübsch, bin aber ganz froh, dass ich solche Sachen nicht bekomme, denn wegwerfen könnte ich sie wohl nicht.

Hier hat auch jemand das gleiche Problem: http://www.chefkoch.de/forum/2,22,435478/Was-machen-mit-Karten-vom-Mund-u-Fussmalende-Kuenstler-Verlag.html und da läuft es auf Annahme verweigern oder unfrei zurück schicken hinaus. Das wäre vermutlich das, was ich auch machen würde.

Sabine hat gesagt…

Politisch vollkommen inkorrekt, aber bei Feststellung, dass Mund-und Fussmaler "arm dran" sind, musste ich schmunzeln ...
Ich habe die Karten auch mal bekommen und zurück geschickt, aber das kann es wirklich nicht sein

dunski hat gesagt…

Sehr schön formuliertes Dilemma. Wir spenden auch grosszügig dort hin wo wir wollen. Manipulation hasse ich.

asty hat gesagt…

ha, raten Sie mal, was ich gerade aus dem Briefkasten gefischt habe, Frau Brüllen: Die Mund- und Fussmaler-Karten für 16.90 :-).

Ich spende da auch nicht, weil, so wie Sie auch, ich die Karten gar nicht bestellt habe.

Anscheinend muss es sich aber für die Organisation wohl lohnen, Porto zu investieren. Es werden also wohl doch noch genügend Menschen etwas bezahlen.

Liebe Grüsse
asty

P.S.: allerdings sooooo hässlich finde ich die Bilder nicht..... Das mit der glitzerigen Schneelandschaft ist doch ganz hübsch...

Tanja hat gesagt…

Ich streiche meine Adresse auf solchen Anschreiben mit dickem schwarzen Stift durch, schreibe "Annahme verweigert, unfrei zurück an Absender" darauf und werfe sie bei passender Gelegenheit in den nächsten Briefkasten. Erstaunlicherweise werden diese Bettelbriefe von Jahr zu Jahr weniger - man könnte vermuten, dass bei diesen Organisationen die Adresslisten nach solchen Rücksendungen tatächlich überarbeitet werden.

ichbindiegute hat gesagt…

Diese Karten gibt es nicht nur in der Schweiz. Bei mir wandert der Überweisungsträger direkt ins Altpapier. Und die Karten auch, wenn sie mir nicht gefallen. Die Umschläge benutze ich meist. Unbezahlt. Skrupellos. (Man muss ja auch an die für die Umschläge gefällten Bäume denken. Und da wäre Wegschmeißen ja auch keine gute Alternative.)

Ich sehe das genau wie sie: Was ich nicht bestellt habe, bezahle ich nicht. Und ob da nun jeman mit Mund- und oder Fuß gemalt hat, spielt dabei keine Rolle. (Außerdem kann das ja jeder behaupten.)

Frau Miest hat gesagt…

Die Karten bekommen wir wohl alle. Und ich denk dann ja immer ganz böse: wenn sie die zu 100.000en verschicken können, ungebeten, dann können sie so ganz arm nicht sein... Und ich beutze meist auch nur die Umschläge -unbezahlt

Anonym hat gesagt…

Selten wurden meine Empfinden originalgetreuer aufgeschrieben, ich kann jedes Wort dieses Beitrags unterschreiben...man bekommt etwas, was man nicht will und fühlt sich dann noch schlecht, dass man dafür kein Geld ausgibt...ich tröste mich dann immer damit, dass ich nicht allen helfen kann und dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Hand- und Fussmaler am Ende ein Betrügerverein sind gar nicht so klein ist...;-)

sabigleinchen hat gesagt…

Hol doch die Umschläge wieder aus dem Altpapier ;). Wie jemand schon geschrieben hat, darf man sowas behalten und zwar ohne schlechtes Gewissen.
Wir erhalten lustigerweise kaum Bettelbriefe. Aber mich nerven diese Anquatscher auf der Strasse die Geld für WWF, Blindenverein, Pro Infirmis etc etc wollen. Ich melde mich selber wenn ich jemanden unterstützen will. So ein Stand wird mich niemals dazu bringen zu spenden oder eine Mitgliedschaft einzugehen. Ausserdem finde ich es traurig, dass man für diese Anwerbungen Studenten und junge Joblose anstellen muss (gegen Provision) die keinen blassen Schimmer von der Institution und deren Zwecke haben und die ganz bestimmt auch selber kein Mitglied sind. Sollte es mal Ausnahmen geben, dann herzliche Gratulation.

Anonym hat gesagt…

Ich finde das auch nervig, und vor allem, wenn man noch was bekommt (Karten, CDs, irgendwelche Geschenke halt), habe ich immer das Gefühl, dass diese Organisation sowieso keine Spenden nötig hat. Sollen sie sich doch die Produktion der teuren Teile sparen und das Geld dann wiederum für ihre Projekte verwenden?

Hier meine Gedanken dazu, aus dem letzten Jahr: https://buntgestreifthuepfig.wordpress.com/2011/11/11/spendenpost-mit-give-away/ :-)

Viele liebe Grüße
Nele
(die regelmäßig hier mitliest, aber meistens eher still schweigt...)

Karen hat gesagt…

Ich hätte die mit "Porto zahlt Empfänger" zurückgeschicht - wenn das genug Leute so machen, überlegen die sich das im nächsten Jahr dreimal, ob sie Leuten einfach so was aufdrängen!

Anonym hat gesagt…

siehst du... und deshalb packe ich die Karten zur Verwendung in die Schublade ohne den dazugehörigen Brief gelesen zu haben.
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Karten die letzhins bei uns im Briefkasten lagen also auch solche Fuss-Mund-Karten waren... wär mir nichtmal aufgefallen.

Mein schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen, aber ich sehs genau so wie du... Bettelanfragen, Telefone usw... nerven und werden so gut es geht ignoriert.

LG
Odette