Samstag, Februar 17, 2024

170224 Wieder unten

 So, hier sind wir wieder. Die Ferienwohnung ist geräumt (wir hatten wirklich gut gepackt und pro Nase maximal noch ein Kleidungsstück sauber "über" (ich die superwarme Skiunterwäschengarnitur zB), das Essen war weg bis auf die Bonuspackung Kaffeekapseln, die Flammkuchenböden und den Sauerrahm / Käse, die Smacks, die irgendwie keiner mehr mag, da hat auch die Bergluft nichts dran geändert), dementsprechend wenig war einzupacken). Autobeladen war einfach, es war ja vorher alles drin, jetzt war es weniger, demenstprechend leichter ging alles rein.

Noch einmal Frühstücken mit Talblick, Küche putzen, Betten abziehen, Schlüssel abgeben, und runter mit uns. Wegen Bergsturz eine ohne Witz NOCH schmalere Strasse als auf dem Weg nach oben. Die Bewohner der Bergdörfer mit den winzigen Strassen amüsierten sich über die schockierten Gesichter der Flachlandbewohner mit ihren breiten Autos, die kaum glauben können, dass man zwischen Wand und Abgrund durchkommt. Ich nehme an, im Lauf des Samstags vergeht ihnen jeweils das Lachen und sie sind (zu Recht!) genervt von der (nicht grossen, aber halt nicht geplanten) Blechlawine, die sich ins Tal wälzt.

Superchargen in Bulle mit nur Holländern (und einem BMW, bisher hatte ich noch nie eine Fremdmarke an einem Supercharger gesehen), dann Stau bis Egerkingen, dann Nebel und daheim.

Die Katzen haben beide auf uns gewartet und so getan, als hätten sie die ganze Woche hungern müssen und insbesondere keine Snacks bekommen.

Die Skisachen waren binnen einer Stunde ausgeräumt, Waschmaschine läuft, Post ist erledigt und abgeheftet (ich habe meine neue "Mofa-Vignette" für 2025), draussen ist es unendlich grün und frühlingshaft und die Vögel veranstalten einen Heidenlärm!

Ich habe meine 4 Microgreenzuchtstationen neu bestückt, nur eine schimmlige Orange weggeworfen und dann beschlossen, dass ich nicht einkaufen gehen muss, der Kühlschrank ist wohlgefüllt und ich kann ja immer noch am Montag gehen, weil frei, aber Geschäfte hier offen.

Jetzt machen wir einen verspäteten Pizzafreitag (gildet fast, weil ja: genau, Montag frei) und um den Ferienspirit aufrecht zu erhalten, habe ich gerade noch dem Hübschen und mir Hotelzimmer in Hamburg und Kopenhagen für den Sommer gebucht. Ach, das wird auch sehr schön!


Auf der Wunschliste wird heute gefragt:

Was war ihr schlimmster bzw kürzester Job und warum?
Ich lasse jetzt mal alle Schüler- und Studentenjobs aussen vor, die waren alle mittelmässig aber mei, das ist halt die Natur der Sache. Ansonsten war mein schlimmster auch mein kürzester Job, nämlich nur eindreiviertel Jahre. Ich habe in der Marketing und Sales-Abteilung (lol, allein das schon) eines kleinen CMOs ("Contract Manufacturing Organisation", halt ein Lohnhersteller) als "Proposal Manager" gearbeitet. Dort gelandet bin ich, weil ich nach der Übernahme meines ersten Arbeitgebers durch DEN deutschen (und "deutsch" war dort so sehr Programm, das war nicht auszuhalten.) Chemiekonzern einen neuen Job gebraucht habe. Mir war mitgeteilt worden, dass ich ein Jahr (oder so) Zeit hätte, etwas neues zu finden, dann würde meine Stelle verschwinden. Das war per se nicht so schlimm, weil: dieser Konzern war der einzige, bei dem der Hübsche und ich einstimmig nach dem Studium und unseren Kontakten dort mit Leuten von dort beschlossen hatten, dass wir uns dort nicht bewerben werden und niemals für diesen Verein arbeiten wollen. Tja. Und dann haben sie unseren Arbeitgeber gekauft und das war noch schlimmer, als wenn man von vorherein dort gearbeitet hätte, weil man halt nur die teuren Leute aus der Schweiz waren, die man eh loswerden wollte. Die Zusammenarbeit mit der Zentrale war katastrophal, man liess uns einerseits am ausgestreckten Arm verhungern, andererseits sollten wir als unbürokratisches Kilolabor fungieren. Irgendjemand hatte ihnen wohl gesagt, dass die Vorschriften in der Schweiz nicht so streng wie in Deutschland wären und das führte zu dem denkwürdigen Telefonat mit einer Forschungschemikerin, die mir Versuchsunterlagen für eine Kilolaborkampagne in meinem Betrieb geschickt hatte. Ich hatte mir das durchgeschaut und die Daten sagten: Wenn wir das so machen, fliegt uns einfach das Gebäude um die Ohren. Ich rief also an und fragte nach den Sicherheitslaboruntersuchungen, die ja wohl nötig gewesen wären, um das im Labormassstab zu machen, vielleicht hatte ich ja was übersehen?! Es gab aber keine und auf meine entgeisterte Rückfrage, wie das denn gehen solle, so langsam könne man gar nicht dosieren, dass man diese Exothermie auffangen könne? kam aus Ludwigshafen: "Mit Eisbad drunter ist es nicht exotherm" Naja. Wir haben das dann nicht gemacht, aber ich war auch nicht traurig zu gehen.
Stellensuche damals war nicht ganz einfach (Übernahme bedeutet ja schon auch, dass viele Leute auf die Strasse gestellt werden), ich erinnere mich, dass ich mich aus lauter Verzweiflung sogar bei Weleda als Project Managerin beworben habe. Diese ach so achstsamen Eurhythmisten sind übrigens die einzigen, die mir nicht mal eine Eingangsbestätigung geschickt haben.
Anyway: für die Stelle als Proposal Managerin beim kleinen CMO war ich bestens qualifiziert, mit Verfahrensentwicklungs- und Betriebserfahrung, sie haben mich mit Handkuss genommen. Ich hatte da die Nase von Grosskonzernen so gestrichen voll, dass ich mir dachte: vielleicht ist was kleines, wo man direkt am Geschehen ist, doch besser? Da lässt uns niemand an einer SAP-Schnittstelle einfach verhungern?
Naja. Mein erster Chef dort war sogar sehr cool, ich hatte einen netten Bürokollegen und noch zwei Teamkollegen, aber der Job war halt schon hartes Brot. Die Firma kratzte an der Wirtschaftlichkeit, man wusste nicht wirklich, ob man Pharma oder Spezialchemie machen möchte. Der Job meiner Kollegen und mir war es, entweder Kundenanfragen "wir brauchen Produkt xy, bis wann könnt ihr das machen und was kostet das?" zu bearbeiten (entweder mit ihren eigenen Verfahren, das war einfach, oder aber selber schnell eines entwerfen, das war nicht ganz so einfach, und halt mit recht vielen Annahmen und Unsicherheiten verbunden) oder aber, für den Fall, dass keiner was anfragt, die Pipelines der verschiedenen Pharmaunternehmen zu durchsuchen und sich zu überlegen, wie diese Wirkstoffe wohl hergestellt werden und was wir davon wie machen könnten und zu welchem Preis. Und damit sind wir dann mit den wirklichen Sales Personen Klinkenputzen gegangen, d.h. man hat um einen Termin bei irgendeinem Einkaufsmenschen gebettelt, der eh keine Lust auf einen hatte, dann haben die Salesreps die Firma vorgestellt und dann durfte der/die von uns, die mitgekommen war, zeigen, was wir uns anhand ihrer Pipeline ausgedacht hatten. Bei mir hat das EINMAL geklappt, dass wir da einen Auftrag bekommen haben und dann wurde es richtig mühsam, aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt, so von der anderen Seite gesehen, ist das totaler Irrsinn und Verbraten von Manpower und Ressourcen auf allen Seiten. Die Einkaufsmenschen auf der Pharmaseite haben überhaupt keine Ahnung, welche Zwischenstufen es überhaupt braucht und wie die Synthese davon funktioniert, die Supply Chain steht eh schon fest und wenn nicht, dann hat jedes grosse Pharmaunternehmen seinen Pool an CMOs, mit denen man zusammenarbeitet (und welche, mit denen man nie wieder zusammenarbeiten wird), da wartet niemand auf ein Dreamteam, das dir anhand einer halbtägigen Datenbankrecherche mal erklärt, wie deine Synthese laufen sollte.
Naja. Nach einem halben Jahr hat mein Chef dann gekündigt und der neue war einfach furchtbar. Ich meine: der Job war jetzt nicht grossartig, aber ich konnte ihn. Ich konnte anhand eines Verfahrens und des Anlagenparks ausrechnen, wie viel man wie schnell und für welchen Preis produzieren kann, ich kannte mich mit Lösungsmittelrecycling und Ausbeuten und Cycle Times aus, ich wusste, was ging, was man optimieren kann und wieviel Unsicherheit drinsteckt. Der neue Chef.... naja, war so sehr Mikromanager, dass er mit dem Rotstift die Offerten korrigierte, das ist mir in meiner gesamten Karriere vorher und nachher nicht mehr passiert. Er hat unrealistische Zahlen gefordert, war sachlichen Argumenten nicht zugänglich ("Da schreiben Sie jetzt hin: ab Kampagne 2 Recyclingquote 90%" "Das ist aber technisch nicht möglich, weil Azeotrop, das kriegen wir nicht getrennt" "SIE. SCHREIBEN. 90%." ). Meine Kollegin hat regelmässig weinend sein Zimmer verlassen, wenn ihre Sachen zerpflückt wurden. Ich habe zwei Wochen nach seinem Start angefangen, einen neuen Job zu suchen, und solche Offerten nicht mehr unterschrieben. Er wusste praktischerweise nicht, dass Firmenstandard war: der Proposal Manager und der Head of Marketing & Sales unterschreiben das gemeinsam, ich habe meinen Namen einfach immer weggelassen und ihn das allein unterschreiben lassen, wenn es Quatsch war. (Die Firma wurde dann zwischendrin von einem Hedgefond übernommen, der Produktionsleiter gespickt, alles bis auf Marketing und Sales auf Kurzarbeit umgestellt, es war echt nicht schön dort).
Es ging dann Gottseidank nicht ewig, bis ich meinen Vertrag bei meinem jetzigen Arbeitgeber in der Tasche hatte. Der skurrilste Tag war dann tatsächlich der meiner Kündigung: mir wurde wieder mal eine Rechnung zerpflückt und als er fertig war, meinte ich nur: "Ich hätte noch eine kurze Sache, ich red nicht lang drum rum: ich kündige." Ich weiss nicht mehr, wer das danach gesagt hat, aber es ist so wahr: "Wenn der Chef ob einer Kündigung aus allen Wolken fällt, ist das die Bestätigung dafür, dass der Schritt richtig ist."
Ein sehr skurriler Moment kam dann nochmal ein paar Jahre später, als mich der neue Produktionsleiter der Firma anrief und fragte, was es bräuchte, damit ich zurückkäme und zwar als Betriebsleiterin. Im Nachhinein tut es mir ein bisschen leid, ich kannte ihn ja gar nicht, aber ich musste so lachen, und meinte "Es gibt einfach NICHTS, was mich dorthin zurückbringt."
Ein zweiter sehr skurriler Moment war, als ich in meinem letzten Job vor dem aktuellen für ein Outsourcingprojekt Offerten verschiedener CMOs von technischer Seite beurteilen sollte. Ein Angebot war doch tatsächlich von meinem ehemaligen Chef unterschrieben, der mittlerweile auch die Firma gewechselt hatte, nicht aber seine Strategie, technisch nicht machbares vom Himmel zu versprechen. Naja. Das Angebot hat eh hinten und vorne nicht gepasst, aber ich habe mir die Mühe gemacht, es aus wissenschaftlicher Sicht zu zerlegen und meiner Kollegin vom Procurement, die das telefonisch verhandelte, eine Liste an Fragen und "bitte nochmal revidieren, das ist technisch nicht möglich" an die Hand gegeben. Er hat nie erfahren, dass das von mir kam, aber mir hat es Spass gemacht.
Nun ja. Nicht bald danach wurde die Firma mehrfach vom Kanton und anderen offiziellen Stellen geschlossen, verklagt, etc. es ging um hässliche Sachen wie seit Jahrzehnten leckende Abwasserleitungen und massive Sicherheitsmängel. Mittlerweile sind sie pleite und es ist vom ganzen Firmenareal nichts mehr übrig, es ist nur noch eine leere Betonfläche (hoffentlich in alle Richtungen gut versiegelt.)
Ich referenziere diese Zeit dort übrigens immer als "Ich habe viel über das CMO-Business dort gelernt, und sei es nur, wie wichtig es mir ist, bei einem forschenden Pharmaunternehmen zu arbeiten."

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was ist denn ein Kilolabor?

Frau Brüllen hat gesagt…

Das ist so ein Mittelding zwischen Syntheselabor, wo man im Gramm-Massstab arbeitet, und Pilotbetrieb, wo man je nach Reaktorgrösse zwischen ca 50 und 500kg pro Ansatz produziert. Im Schnitt sind die Reaktoren so 5 - 20L und man kann, wie der Name sag, im kleinen Kilogramm-Massstab arbeiten. Macht Sinn, wenn man entweder eh nicht viel braucht, oder aber das alles so teuer ist, dass man zwischen Labor und Betrieb nicht nur die Pilotstufe einbaut, oder aber die Synthese besonders tricky ist und man lieber einen langsamen scale up machen möchte.