Sonntag, Mai 23, 2021

230521 Reicht dann auch mal wieder mit Kultur

OK, ich muss vorab etwas ... beichten wäre das falsche Wort, weil das implizieren würde, dass ich deswegen Schuldgefühle habe oder denke, es wäre falsch oder es müsse anders sein und das ist nicht so, deshalb nennen wir es "klarstellen": 

Kunst ist mir egal. 

Damit meine ich, dass ich jenseits der durchschnittlichen Allgemeinbildung (Arcimboldo: Gemüsegesichter, Picasso: Kubsimus/auseinandergerupfte Gesichter, Magritte: Männer mit Melonen, Dali: zerfliessende Uhren, Miro: rotblaugelb, Rothko: Blockstreifen, Ruben: dicke Frauen, Rembrandt: dunkle Bilder, Bosch: Höllenszenarien, Breughel: Beschauliche Szenarien mit zB Eislaufen, Franz Marc: der blaue Fuchs, der bei meinen Grosseltern über dem Gästebett hing, Gauguin: Südseefrauen, Christo: eingewickeltes Zeug, Damien Hirst: Diamantentotenkopf, Jeff Koons: Kitsch, Caspar David Friedrich: Romantische Landschaften mit viel Nebel. Keith Haring: Männchen und Hunde mit dicken Linien, naja, blablabla, you get the picture, pun intended) und Anerkennung für das handwerkliche Können einfach nullkommanull emotionalen Zugang dazu finde. 

Manche Sachen finde ich "schön" oder "nett", manche scheusslich, Installationen verstehe ich meistens nicht, und alles in allem, naja, wie eingangs erwähnt, ist es mir einfach egal.

Wenn Sie das anders finden, finde ich das sehr grossartig für Sie und freue mich für Sie, aber eben: ich kann damit nix anfangen und finde das auch nicht schlimm, also bitte keine Bekehrungs- oder Belehrungsversuche. Ich interessiere mich für so viel im Leben, anscheinend ist Kunst da einfach hintenübergekippt.

Also. Ab und an packt mich aber doch der Rappel oder ich habe das Gefühl, allein aus Allgemeinbildungsgründen würde ich das jetzt mal gern in echt sehen, und ich gehe Kunst angucken. Gestern also Banksy, heute "Olafur Eliasson". Wenn man ein Renzo-Piano-Gebäude mit EICHENFUSSBODEN unter Wasser setzt und das bei uns vor der Haustür, dann schaue ich mir das an (dann sind Q.s Kotzflecken hoffentlich endlich wirklich restlos entfernt).

Also: habe ich dem Hübschen und mir ein Zeitticket gebucht, das Wetter war schön, also sind wir die 14km mit dem Rad gefahren, wir haben unser Ticket vorgezeigt, ein blaues Armband ausgehändigt bekommen und uns auf dem Wen zum Museumseingang gemacht und in die Schlange gestellt. Schon in der Schlange konnte man den einen oder anderne Blick auf den giftgrün gefärbten Teich, der eben in die Museumsräume hineinreicht, erhaschen, auf Holzstegen wanderten kunstinteressierte Menschen übers Wasser, alles sehr toll.

Die Zutrittszahl ins Museum ist natürlich beschränkt, deshalb durfte immer nur jemand rein, wenn jemand rauskam. Irgendwann war es soweit, wir verstauten die Velotasche und meine Handtasche in einem Schliessfach, setzten eine kunstbeflissene ernste Miene auf und mischten uns unter das Pfingstsonntags-Publikum, ein Mix aus mittelalten und alten Kunstkennern, Eltern mit kleinen Kindern, die mal was anderes sehen wollten und mittelalten und jungen Menschen, die wegen "Boah, geil, Wasser im Museum" gekommen waren, so wie wir. 

Neben dem grossen Museumsshop und den Toiletten (mittlerweile gibt es doch einen Wickelraum) fielen zunächst die grosse Rodin und Arp-Plastik auf. Und dann die ausführlichen Künstlerbiographien der beiden und warum eine Ausstellung, in der beide gegenübergestellt werden, so wichtig ist. Ich war bereit, vor dem grünen Wasser auch das noch anzuschauen, so lange die Begründung für den "Dialog" noch in meine Kopf war. Allerdings ..... war bis auf den riesigen "Denker" und das Arp-Dings gegenüber nichts anderes zu finden. Es gab ein paar Plakate (auch zu kaufen), aber sonst .... nix. Hm. Es gab jede Menge verschlossene Räume, in denen die nächste Austellung vorbereitet wird, es gab einen Raum mit, ich glaube, Beckmann-Bilder, relativ zusammenhanglos, ich glaube, die gehören zur Standardausstellung, aber kein Arp-Rodin. (auch kein grünes Wasser übrigens). (Mittlerweile habe ich auf der Homepage nachgelesen: die Arp/Rodin-Ausstellung ist schon vorbei und, wie der Hübsche so schön gesagt hat, vermutlich ist alles wieder zurückgeschickt bis auf die zwei Riesenteile, die sie nicht durch die Tür bekommen und niemand möchte sie mit dem giftgrünen Wasser einsauen.

Soweit so gut, wir waren ja vor allem wegen "Life" gekommen, aber .... hm. Wir hatten das grüne Wasser von aussen gesehen, es war auf der selben Ebene wie die Rodin/Arp-Teile, aber WO?! Wir schritten (mit kunstbeflissenem Ausdruck und gemessenen Schrittes) hinter Kunstauskennern her, die einen Gang an einer Fensterfront mit "Rodin/Arp-Filmen" zielstrebig entlangmarschierten, bis sie (und wir) an einer Mauer landeten. Die Kunstauskenner drehten um, als wäre das so gedacht, der Hübsche und ich setzten uns erstmal auf ein Sofa und schauten aus dem Fenster. Ich bemerkte, dass im Untergeschoss auch noch Leute wären und vielleicht wäre dort der Zutritt und vielleicht konnte man von unten durchs grüne Wasser schauen wie in so einem Haitunnel in Seaworld? Der Hübsche fragte einen Aufsehe, wo es denn zu "Life" ginge und wurde belehrt: "Durch den Ausgang nach draussen." ich konnte das nicht glauben, denn wir wollten ja erstens IN die Ausstellung, nicht von draussen reingucken, zweitens, warum hatten wir uns dann mit 150 anderen Kunstauskennern eine halbe Stunde angestellt? Um die Überreste der Arp-Rodin Ausstellung anzuschauen und die Beckmänner, die noch übrig waren? Ich erspähte am anderen Ende des Ganges mit der Fensterfront einen Lift, in dem regelmässig Leute rauf und runter fuhren, es gab sogar eine kleine Schlange. Also stellten wir uns an, fuhren mit dem Lift runter, schauten in ein abgeschlossenes Zimmer der Piet Modrian-Rekonstruktions irgendwas, gingen weiter, und standen wieder an einer Wand. Sonst war da genau gar nix (doch, ein Dreieck mit Glühbirnen, das hatte auch einen Titel). Wir schritten also in gemessenem Tempo wieder zurück zum Lift und hörten, wie ein Pärchen vor uns auch rätselte, wo um alles in der Welt denn nun das Wasser wäre. Wir witzelten (so halb), dass das Ganze vermutlich ein Experiment wäre und  irgendwo Kameras wären, weil ja ganz offensichtlich ALLE wegen dem Wasser da wären und dann muss man die Leute doch nicht in leere Gänge schicken.

Das Pärchen holte ich vom Aufseher auch die Bestätigung, dass "Life" draussen wäre, also haben wir unsere Radtasche wieder aus dem Schrank geholt, sind an der immer noch elendslangen Schlange nach draussen gegangen, haben einen winzigen Pfad nach rechts genommen, wo ein lustloser Aufseher so tat, als ob er die Bändchen überprüfen würde, zumindest bei manchen Leuten, und dann waren wir da. Man konnte tatsächlich von aussen auf die Holzstege und übers giftgrüne Wasser mit verschiedenen Pflanzen drin durch die Museumssäle wandern, das war schon irgendwie cool. Ich habe sogar einen kleinen Krebs gesehen. Keins der Kinder, die auch da waren, ist reingefallen, und naja, jetzt haben wir das auch gesehen. Oder wie man auch sagen könnte: "Durch den Einbezug einer Vielzahl von Perspektiven - menschlichen ebenso wie nicht-menschlichen-lädt Eliassons Kunst dazu ein, zukünftige Formen der Koexistenz zu erarbeiten. Für seine Einzelausstellung verwandelt der Künster das Museum für eine immersive und grenzüberschreitende Erkundung unserer Vorstellungen von Natur und Kunst"
















Was mich am allermeisten interessieren würde: all die Leute, die da drinnen so in perfekt in ihrem natürlichen Habitat gewirkt haben und trotzdem mit uns die leeren Gänge bis zur Wand abgelatscht sind, haben die sich nicht gewundert? Was ging hinter diesen gemessenen Schritten und kunstbeflissenen Gesichtsausdrücken vor? (Es ging ja draussen noch weiter: wir spazierten durch den Rest vom Park, fanden hinter dem Museum den Teich, in dem ein riesiger muskelbepackter Hase Wasser spuckt (man findet den genauso auf der Fondation Beyeler-Animal-Crossing-Insel) und ich schaute noch hinter die letzte Mauer (ganz ehrlich: um zu schauen, ob wir dort rum schneller zum Ausgang kämen, aber nein, es war nur der Liefereingang und halt eine Zufahrt zu einer Garage. Anscheinend wirkte ich aber doch angemessen auskennerisch, alle Menschen, die auch den Hasen beguckt hatten, schritten auch zur Mauer, verschwanden dahinter und kamen mit kunstbeflissenem Auskennerblick zurück. Vom Lieferanteneingang-Anschauen.

Nun ja. Was soll ich sagen. (Falls Sie es anschauen wollen: Sie müssen sich nicht anstellen, drinnen ist nicht besonders viel, die Sachen aus dem Giftshop gibt es auch im Restaurant, ein paar Schritte hinter dem Schneemann geht es hinter einer Hecke links).

Immerhin war das Wetter super und wir haben eine 30km Radtour gemacht. Auch was wert.

Morgen haben wir als einzigen Programmpunkt, bis die Kinder wieder da sind: das alte Frittierfett in die Ölsammelstelle bringen. Gemessenen Schrittes und mit wichtigem Auskennerblick.

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