Freitag, Februar 28, 2020

280220: Corona-Chroniken: I told you so

Heute nach von L. worden mit den Worten: "Könnt ihr mir helfen, Q. zu wecken, ich will bei ihm schlafen, weil mir unheimlich ist, und er rührt sich nicht und ich hab Angst, er kriegt einen Schreck, wenn ich mich einfach dazulege."
Der Einfachheit halber durfte er bei uns schlafen, wir waren ja eh wach. (Gestern abend die Folge "Orville", wo es um eine Simulation mit verschiedensten Urängsten ging, das war nix für ihn).


Dann war ja heute Freitag und zwar ohne Homeoffice, weil die Kinder ja Ferien haben und ich Kazillionen Überstunden. Trotzdem halt aber Freitag und deshalb: Einkaufstag.
Obwohl wir gestern abend beim lokalen Supermarkt bei uns im Dorf nix von Hamsterkäufen bemerkten (alles, bis auf Handdesinfektionsgel, gibt es in rauen Mengen), war ich dann doch ein bisschen nervös, als ich die verschiedenen Bilder von geräumten Regalen auf Twitter zB sah (und zwar nicht, weil ich Angst habe, dass wir OMG verhungern werden, wenn wir heute keine 489 kg Nudeln und Reis und Bohnen kaufen können, sondern weil unser Klopapier, die Dosentomaten, die Nudeln und Essiggurken und sowas halt grad aus sind und ich keine Lust habe, für so banales Zeug zu kämpfen oder durch die Weltgeschichte zu gondeln
Erste Station: Drogeriemarkt: als die Türen geöffnet werden, werden die Wartenden mit "Es gab keine neue Lieferung" begrüsst und gemeints ist Handdesinfektionsgel. Das ist alle, ausserdem die antibaktierelle (well....) Seife von Sagrotan, alles andere gibt es noch, auch Flächendesinfektion, Desinfektionstücher etc. Daür gilt aber die neue Regel, dass es nur drei Artikel aus diesem Sortiment pro Einkauf gibt. Das akzeptieren alle, die meisten haben ein, zwei Päckchen/Flaschen im Einkauf dabei, nur eine Frau wird ausfällig, als sie erfährt, dass sie nicht "wie gestern aber noch!" eine ganze Palette Desinfektionsspray kaufen darf. Ich wünsche der Kassiererin gute Nerven für den Rest des Tages, sie meint stoisch: "In einer halben Stunde ist das alles ausverkauft, dann hängen wir ein Schild an die Tür und es ist Ruhe im Karton."


Weiter geht es zum Supermarkt meines Vertrauens und als ich den Laden betrete, entgleisen mir die Gesichtszüge: es ist herrscht gähnende Leere, manche Warengruppen sind total alle, von anderen sind nur nur abstruse Restbestände da und als ich gerade Luft holen will und "Seid ihr denn alle bekloppt geworden?!" in den Raum stellen will, sehe ich die grossen Plakate (die, wenn ich ganz ehrlich bin, vermutlich schon seit Wochen da hängen und die ich immer ignoriert habe), die mitteilen, dass der Supermarkt umgebaut wird und ab morgen für drei Wochen total geschlossen wird. Dementsprechend: Abverkauf von so viel wie geht, damit man nicht so viel in andere Filialen transportieren muss. Okay, das macht das Ganze etwas abenteuerlich, aber ich bekomme alles, was ich wollte (bis auf Barista Oatly oder irgendeine andere Hafermilch, aber wir haben noch 8 L, damit kommen wir relativ lang aus, und Flammkuchenböden), nur halt von anderen Marken, als ich sie sonst immer kaufe. Es gibt die nächsten Tage also eine kulinarische Horizonterweiterung :-).


In der Zwischenzeit (I TOLD YOU SO!) hat der Bundesrat entschieden, dass alle Grossanlässe mit mehr als 1000 Besuchern in der Schweiz bis Mitte März abgesagt werden müssen, das ist das Aus für die diesjährige Fasnacht. Ich bin sehr gespannt, ob sich die aufrührerische Stimmung innerhalb der Cliquen bis Montag beruhigt oder ob es tatsächlich eine revolutionäre Gassenfasnacht geben wird und die Fasnächtler dann gebüsst werden. (Jedes einzelne Familienmitglied hatte die Idee: "Oh, unsere Schule / unsere Firma sind auch mehr als 1000 Leute, das heisst, wir haben frei?!" Antwort: nein. Also: nach aktuellem Stand, wer weiss das schon.)


Stimmung: joah, es gibt jetzt die Fälle in Basel Stadt, in Basel Land, im Aargau, ich bin erstaunlich ungestresst (eh wegen kaum Angst vor dem Virus an sich, erstaunlich wenig wegen der Unsicherheit, was das öffentliche Leben angeht. Ich bin mir sicher, dass ich egal ob aus dem Büro oder von daheim weiterarbeiten werde, das liegt in der Natur meines Jobs. Beim Hübschen ist es ähnlich, es ist nur mit anstehenden Messen und Grossanlässen eine gewisse Planungsunsicherheit. Ob die Kinder zur Schule gehen können oder nicht ... wir werden es sehen, aber wenn nicht, dann nicht, solange Netflix, das Internet und der Crosstrainer funktionieren, sehe ich kein Risiko für unser psychisches und physisches Wohlbefinden. WIr haben jetzt ja ganz neue Gummibärchen- und Kekssorten...)


Kleines Highlight (ich habe da heute ohne Witz schon mehrfach Tränen gelacht beim Lesen): unsere AirBnB-Vermieterin für den Sommerurlaub in Ligurien hat uns gestern geschrieben, um uns zu versichern, dass bei ihnen alles super ist und falls es schlimmer wird, könnten wir verschieben. Anscheinend sagen reihenweise Leute ihre Italienurlaube ab, also wollte ich ihr (während ich mit kalten klammen Fingern vor dem dm wartete) eine kurze Nachricht schicken, dass sie sich keine Gedanken machen soll, bis Juli wäre das ja wohl alles rum. Womit ich nicht gerechnet hatte: der strategisch ungünstigen Platzierung des "Send"-Buttons in der Airbnb App und meiner Autokorrektur.


(Eigentlich muss ich jetzt doch stornieren. Ich kann der Frau, der ich so einen Mist geschickt habe, eigentlich nicht unter die Augen treten ....)