090619: Essen wie die ganz grossen
Ich bin nun wirklich kein Poet oder Foodblogger oder was auch immer, deshalb kann ich wenig über "kitzelt am Gaumen" und "im Abgang grüsst die Kirsche" oder so sagen, nichtsdestotrotz war der Abend im Stucki gestern ein Fest.
Ich war zwischendrin sehr nervös, weil wir uns halt schon ordentlich, aber nicht ultraschick gekleidet waren, ich habe drei bis viermal auf dem Weg überprüft, ob unsere online-Reservierung auch tatsächlich funktioniert hat,, und dann war der Eingang so schrecklich vornehm...
Wir wurden in den Garten für einen Aperitiv geleitet und während wir da so über einem Glas Weisswein im Kräutergarten sassen und die Atmosphäre genossen und die Gäste beobachteten ("Basler Daig" at its best, ausserdem ganz viele abenteuerliche Konstellationen, zu denen ich mir später Geschichten überlegte, die der Hübsche kaum glauben konnte), schneiten auf einmal .... des Hübschen Kollegin und ihr Mann rein, die auch bei uns im Dorf wohnen und deren Kinder mit unseren Kindern zusammen bei Lagerfeuerkost mit den Pfadis unterwegs waren. Das war, so komisch es klingt, eine Erleichterung, sozusagen zu wissen, dass diese Extravaganz, die wir uns da leisteten, immerhin so im Rahmen ist, dass auch andere Eltern auf die gleiche Idee kommen.
Unscharf wegen aufgeregt |
Wir entschieden uns für die 12 Gänge statt 9, inclusive Weinbegleitung (wenn schon, denn schon), wobei ich auch froh war, dass man da von Glas zu Glas entscheiden konnte, und jederzeit auch mal pausieren, weil alles in allem waren das 7 Gläser a 0.1, dazu der Aperitiv und hey, erstens will ich bei Sinnen das Gourmetfest geniessen, und zweitens müssen wir danach noch in die richtige Tram steigen (oder halt eine halbe Stunde durch die "Wolfsschlucht" nach unten zum Bahnhof laufen), alles nichts, was ich mit 0.8L auch vom allerbesten Wein der Welt intus hinbekomme.
Das Essen war .. einfach unglaublich. Der Gruss aus der Küche wurde von Tanja Grandits im Rahmen der Begrüssung persönlich serviert (ich Depp habe mein Kochbuch daheim vergessen, aber so habe ich uns allen peinliche Fangirlmomente erspart und so müssen wir halt nochmal hin und ich hole mir mein Autogramm).
Tomatenconsomme mit kleinen (also: johannisbeergrossen oder eher -kleinen) Tomaten und irgendwie knusprigen Tomatenscheibchen auf Ricottacreme auf Sable |
Was uns mengenmässig fast das Genick brach: Brot. Minibaguette und Rüebli-Gewürzbrot mit Salzbutter und der göttlichen Butter mit 5 (12? 7? viele= Gewürzen und knusprigen Bergamottescheibchen |
Fenchel: Röst Essenz, Salz Zitronen, Calamaretti. Dank Italienprojekt kein übermässiges Problem mehr für mich: Tentakel. (Offenbarung: das Stückchen Salzzitrone) |
Heilbutt: Safran Dashi, Kokos Rüebli: einfach perfekt. Gefühlt 18 verschieden Aggregatszustände von Karotten und Safranbrühe und Ingwer und Kokos.. |
Jakobsmuschel: Basilikum Butter, Matcha Erbsen: ganz weit vorne unter meine absolute Favoriten. |
Schweinebauch: Dill-Jus, Ingwer-Gurken (daszu ein "Dumpling" mit unglaublich faszinierender würziger Füllung aus .. keine Ahnung) |
Aprikosen: Passionspfeffer Creme, Haselnuss Krokant (unscharf von mir wegen Gier) |
Zum Abschied: Himbeerlollies, Irgendwas mit Himbeer auf einem Sable und Sellerie-Irgendwas-Mousse, dunkle Schokolade mit Tonkabohnen |
Alles in allem haben wir 5 Stunden geschlemmt, wir waren übersatt und gegen Ende auch ein wenig überwältigt von der schieren Fülle an Aromen, so dass wir den späten Gängen vielleicht nicht mehr ganz gerecht wurden. Wir hätten nie gedacht, dass wir grade noch so die letzte Tram/S-Bahn erwischen (naja, sonst wären wir mti dem Taxi heimgefahren, das wäre rein finanziell trotz Schweizer Taxipreise auch nicht mehr ins Gewicht gefallen), es kam uns vor Ort überhaupt nicht so lang vor.
Fazit: überwältigend. Wir haben uns kein einziges Mal unwohl oder fehl am Platz gefühlt, wir waren innerlich ehrfürchtig und äusserlich begeistert. Irgendwann hat sogar der Sommelier, vor dem ich ein wenig Angst hatte, ein Spässle gemacht und ab dann war alles gut.
Wir hätten es beim Brot langsamer angehen lassen sollen, so waren die 12 Gänge (plus Gruss aus der Küche plus Verabschiedung aus der Küche) eine echte Herausforderung, aber was soll ich sagen, die Saltzbutter mit Bergamotte und Gewürzmischung war ... unglaublich.
Heute ein sehr müder, fauler, gemütlicher Tag, mit Ausschlafen, mit Frühstück auf der Terrasse, Recherche und (bitte Daumendrücken, dass alle mitmachen) EINER UNGLAUBLICH COOLEN IDEE für den Junggesellinnenabschied (das Schwierige wird dann, das geheim zu halten, weil es ist .... echt cool.), viel Kaffee, Lesen im Bett, der letzten Folge "Black Mirror", Katzen, die vorbildlich immer wieder brav heimkamen (ein Hoch auf Nieselregen!), ein bisschen Mitleid mit den Pfadikindern (REGEN!), Marillenknödeln zum Abendessen und später noch "Designated Survivor"-Bingewatching.