Donnerstag, Januar 25, 2018

Homeward bound

Es ist 7:40h ich sitze eingemümmelt in meine Strickjacke im Zug von Zürich nach Basel, es ist mucksmäuschenstill, ein bisschen kalt, niemand hupt, es riecht nach gar nix.
Die Stempel in meinem Pass sagen "Arrival 23. January", "Departure 24. January" und ich höre von allen Seiten "Waaaas? für einen Tag nach Indien? Das ist ja irre, das lohnt sich ja gar nicht!" und denke mir: "Ihr wart nicht dabei, ihr wisst nicht, dass es praktisch 48h Indien waren mit nur ungefähr 8 Stunden Schlaf zum Abziehen, ihr wisst ja gar nicht, was ich da gemacht habe und dass aus den verschiedensten Gründen mehr (okay, ein halber Tag mehr hätte Sinn gemacht, dann hätten wir nicht jeden Tag >10 Stunden auf der Site verbringen müssen und mehr als 10 Minuten Mittagspause machen können) eben überhaupt keinen Sinn gemacht hätte." Klar, vielleicht hätte man noch ein bisschen was dranhängenkönnen und mehr von Hyderabad sehen als den 15. Stock und das Erdgeschoss des Hotels, die Stunde Fahrt zur Site und zurück und zum Flughafen. aber ... erstens gab es Gründe, warum das eben diese Woche keine gute Idee gewesen ware (ich erzähl gleich, wie es auch ohne "Day of the Republic" am Flughafen von Hyderabad zuging) und ehrlich ... für mich war das Indien light (das westliche Luxushotel im IT-Viertel, der Blick aus dem Auto auf die vermutlich nicht mal unglaublich allerärmsten Slums der Welt, die Produktionsbedingungen auf der Site) absolut genug. Es hat mich noch nie nach Asien gezogen, weder Bali, Thailand, Vietnam, Indonesien und jetzt Indien: ich weiss nicht, vielleicht bin ich zu spiessig, zu langweilig, zu wenig abenteuerlustig, zu bequem, zu "ich möchte bitte danke nicht auffallen. Also: schon ein bisschen, aber nicht so" und so hatte ich gar kein Bedürfnis näher als so an Indien ranzukommen. Kann man jetzt doof finden, is aber halt so.


Ich bin gespannt, wie sich das Projekt weiterentwickelt, da tut sich auf verschiedenen Ebenen einiges und ich weiss noch nicht, ob es zu einem Follow-up-Besuch kommen wird.


Der Rückflug übrigens war extrem spannend, wobei: das ist falsch. Der RückFLUG war recht ereignislos, ich habe auf dem Flug nach Abu Dhabi einen mittelmässigen Thriller gesehen, mit dem mitreisenden Kollegen mit Champagner auf den Erfolg und das Heilbleiben angestossen, dann sassen wir todmüde eine Stunde in der Lounge und versuchten krampfhaft wachzubleiben, dann ab in den Dreamliner, Sitz in Bettposition, Ohrstöpsel rein und 5h erstaunlich gut (also: ne, ich schlaf ja überall ausser zu Hause echt schlecht. Aber anscheinend reichen 48 Stunden wachbleiben für einen Reset des Schlafprofils und ich kann überall schlafen) schlafen, bis zu einem Frühstück über dem schwarzen Meer, Kaffee-Refill über Belgrad, Gesichtsrestaurierung über dem Plattensee (sehr süss, die Flugbegleiterin, die mir, als ich mit Mascara vor der Handykamera rumfummelte, mit einem kleinen Zwinkern ihren privaten Schminkspiegel in die Hand drückte), Landen, fertig. (und um 6:15 war von dem ganzen "Oh, die Air Force One landet in Zürich"-Tralalala noch nix zu spüren. Alle nur müde und still.


Der spannende Teil passierte vorher, nämlich ab unserer Ankunft am Flughafen.
Schon vor dem Betreten des Flughafengebäudes muss man einem Soldaten Ticket und Pass vorzeigen, in Sicht- und natürlich auch Reichweite eines mit Sandsäcken geschützen Maschinengewehrpostens. (Der Kollege, dessen Flug über Doha erst morgens um 3 ging, wurde erst nicht ins Flughafengebäude gelassen, dann doch, der Ticketschalter hatte aber noch nicht offen und man kann in Hyderabad nur mit einem gedruckten Boardingpass abfliegen und so konnte er nicht in die Lounge oder auch nur dahin, wo es mehr als Kaffee zu trinken und zu essen gegeben hätte, er durfte aber auch nicht mehr aus dem Flughafen raus.
Mein anderer Kollege und ich haben uns (auf einem Flughafenklo, das fände ich ja schon in Zürich grenzwertig gruselig) zwar nicht duschen können, aber dafür umziehen, wir hatten ja noch die dreckverschmierten ud verschwitzten Klamotten nach 8h Site-Tour bei 30Grad, incl Besichtigung des Coal Yards und der Abfallentsorgung, an. Die stopfte ich dann mitsamt den staubigen Sicherheitsschuhen in das auzugebende Gepäck. Gottseidank war die Schlange am Schalter für die BusinessKunden sehr kurz, es dauerte trotzdem noch ewig bis die Boardingpässe gedruckt, die 40000 Gepäckanhänger (mein Koffer und Handgepäck hat jetzt in etwa so viele Wapperl dran wie eine neue H&M-Unterhose) und meine Loungecard gedruckt und gestempelt waren (ganz grosse Stempelliebe in Hyderabad).


Nächster Stop: die Schlange vor dem Immigration check, wo wir uns den Ausreisetempel abholen mussten. Die war ...... lang. Wir stellten uns also an, auf einmal kam dann ein Etihad-Jüngling auf uns zu und meinte zu meinem Kollegen: "If you come with me, I can get you through security faster. Sorry, not for you, M'am, there is no female staff, so you have to wait." Mein Kollege war sehr solidarisch und meinte, dann würde er auch nicht gehen. Und so standen wir da. Und standen. Irgendwann dann vor einem Imigration Officer, der ein Foto machte, den Pass und den Boardingpass (ZWEIMAL!) abstempelte (deshalb die unabdingbaren Papierdinger), und mich ans Ende der nächsten Schlange wedelte. Mein Kollege wurde von "seinem" Immigration-Officer ungefähr 20Leute vor mir in die Schlange gequetscht, und dann standen wir da. Lang. Sehr lang. Es bewegte sich nahezu nichts ausser dem Zeiger auf der Uhr. Abflug war 21:30h, Gate Closing war um 21:00h. Es war mittlerweile 20:15h, ich war keinen Schritt weiter auf den Security Check zugekommen, da kam auf einmal Bewegung in das Ganze: Militärs (keine Ahnung, Leute in beigen Uniform-Onesies , Schirmmützen und mit Maschinenpistolen) scheuchten alle Frauen in eine "special ladies line", weil anscheinend nur zwei der 10 Scanner für Frauen geeignet waren (Anders, als ich es von jedem anderen Flughafen bisher kenne, marschierte man da in voller Montur durch, mit Schuhe, Gürtel, Jacken, Schal, Geldbeutel, Schlüssel, Burka, Niquab, dann piepste alles wild und jede(r) einzelne Person wurde dann abgeklopft und gescannt, die Frauen halt von einer Frau in eine geschlossenen Kabäuschen, die Männer auf so einer Art Podest von einem Mann.)
Ich stand also nun mit allen anderen Frauen in der special lane ... und stand. Ungefähr alle 5 Minuten durfte eine Frau durch den Scanner gehen und vor mir waren ungefähr ...50. Es war so ca. halb neun und ich überlegte, wem ich am besten sagen könnte, dass es mir wurscht ware, von einem Mann auf einem Podest abgescannt zu werden, wenn ich dafür bittedanke meinen Flug erreichen würde, da kam wieder Bewegung in das Ganze: alle Frauen wurden vorgescheucht zu ihren zwei Scannern, wo sich nun statt zwei Schlangen vier Schlangen (je zwei für die Scanner und zwei für die Bänder, auf denen das Handgepäck gescannt wurde) und eine Riesentraube Frauen drumrum bildete. Es wurden wild Taschen aufs Band geworfen (nix von wegen Elektronik, Flüssigkeiten in Plastikbeutel, Schuhe, Gürtel extra, alles einfach so aufs Band geschlotzt). Ich stellte mich also brav in eine Schlange furs Band und wartete, während von allen Seiten um mich rum Sachen einfach über alle Köpfe aufs Band gesschleudert wurden.
Auf der Männerseite sah ich meinen Kollegen vorrücken, dann durch den Scanner laufen, dann nochmal zurück, weil er den Boardingpass aufs Band gelegt hatte, und natürlich kann man sich nur mit Boardingpass zum Nachscannen anstellen, und auf einmal kam der Etihad Jüngling nochmal an und meinte zu mir: "Come with me!" und dann nahm er mir mein ganzes Gepäck (also: Handtasche mit Geld, Laptop, Handies, ALLES!) ab, schlotzte sie aufs Band, direkt vor den Scanner, also vorgedrängelt vor allen anderen und scheuchte mich in die Schlange für den Bodyscan. Ich hatte vor lauter Langeweile beim Warten schon Gürtel und so abgelegt und war so ca die einzige Person, die ohne Piepsen durch den Scanner kam. Nachscan gab es aber trotzdem und zwei neue Stempel auf den Boardingpass.


Draussen angekommen, fand ich den Etihad-Jüngling mit einem Teil meines Handgepäcks, die Handtasche war aber noch beim Sicherheitstyp und ich musste mich (ohne den Rest) wieder anstellen, um zu klären, was jetzt weiter passiert. Mein Kollege stand währenddessen schon im DutyfreeShop und hatte mir (bester Reisekollege!) schon eine Schüttelkugel für Little L. (der sammelt die ja) rausgesucht. Der Securitymann meinte dann: "You have to remove coins from your purse, then we will scan it again." Ich war dann so proaktiv (es war 15 Minuten vor Gateclosing) nicht nur meinen Geldbeutel, sondern auch Schlüssel, Handies, Kabel, Powerbank rauszunehmen. er Securitytyp leerte also meinen Geldbeutel in eine Wanne (Danke dafür!) und schickte meine Handtasche erneut durch den Scanner. Diesmal war alles ok, ich schnappte mir all mein Zeug, warf es lose in den grossen Shopper, den ich ursprünglich zum Transportieren der Ordner dabei hatte, rannte mit rutschender Hose zu meinem Kollegen, schnappte mir noch ein Set Magneten für Q., raste an die Kasse und ..... dann war es wieder schwierig. Der Boardingpass liess sich nicht scannen (kein Wunder, mit mittlerweile 4 Stempeln quer über alle Strichcodes drüber), mein Pass auch nicht, der Ländercode hatte zu wenig Buchstaben und überhaupt könnte ich ja noch Parfüm oder Zigaretten kaufen? Währenddssen vertröstete mein Kollege einen neuen Etihadjüngling, der ihn "Last call for AbuDhabi" zum Gate schleifen wollte. Der Hübsche rief an, weil ich ihm vrsprochen hatte, mich vom Flughafen zu melden und er sich Sorgen machte, und irgendwann fauchte ich den Kassentyp an: "I don't have time for this, keep this stuff, I just want to go home" und zack, das war das Zauberwort und schon klappte alles.
Wir zwei rannten also mit schwappender Schüttelkugel, klappernden Münzen, rutschender Hose zu unserem Gate, sausten durch den Business-Class-Pass- und Boardingpass-Check, rannten den Gang zum Flugzeug hinunter ("Hurry, Hurry"), nur um hinter der ersten Biegung fast über einen Tisch zu fliegen, hinter dem SCHON WIEDER 4 Security-Typen sassen und unser Handgepäck filzen und uns scannen mussten. Wir lachten beide leicht hysterisch, leerten all unser Gepäck wieder auf den Tisch, liessen und abtasten, stopften alles wieder zusammen, rannten weiter zur nächsten Biegung, wo nochmal die Boardingpässe kontrolliert und gestempelt werden mussten (dafür mussten wir fast nicht langsamer werden), rannten ins Flugzeug, fielen auf die Sitze und ab dann ging es eigentlich.





So war das also und deshalb fällt die Selbstbeweihräucherung heute ganz kurz aus: Ich in wieder da.




PS: grad beim Duschen festgestellt: ich habe einen dicken roten, juckenden Fleck am Knöchel. Entweder also doch Unverträglichkeit oder Mückenstich. Mal sehen, was als nächstes kommt. Nix oder ganz rot werden und anschwellen oder Fieber (gsd habe ich die Malariainfo und alles andere noch nicht weggecshmissen).

10 Kommentare:

Evi hat gesagt…

Schön, dass du wieder da bist. Das am Flughafen war sicher nicht lustig, aber sorry, ich musste schmunzeln. Ich erinnerte mich an den Flughafen in Tel Aviv, wo man nur meinen Mann mit 20 Schülern nach München fliegen lassen wollte und mich einfach stehen ließ. Erst nach Jahren kann man drüber lachen.

Uschi hat gesagt…

Vermutlich darfst du nicht darüber sprechen, aber ich frage trotzdem mal ;-) Lasst ihr in Indien Generika herstellen oder nur einen Wirkstoff? In den Medien wird ja öfters über gefälschte Medikamente oder unhygienische Bedingungen bei der Produktion in Billiglohnländern berichtet. Kontrolliert ihr sowas bzw. habt ihr da Einfluss drauf?

Katrin hat gesagt…

Ich muss jetzt mal ein Danke schön für den Einblick in die "fremde" Arbeitswelt da lassen - insbesondere bei den Instagram Stories. :) Ansonsten: willkommen zurück und gedrückte Daumen, dass der Fleck am Knöchel sich als Nix herausstellt.

Hans-Georg hat gesagt…

Hm, schmunzeln musste ich auch, besonders deshalb, weil ich ziemlich großes Kopfkino hatte wegen der ganzen Stempelei und Scannerei. Ich glaube, ich möchte auch nicht nach Indien.
Vielen Dank für den bildhaften Bericht!

Frau Brüllen hat gesagt…

@Uschi: "wir" verkaufen keine Generika. In den Medien wird viel berichtet, was so nicht stimmt oder falsch dargestellt wird :-).
Wir sind gesetzlich verpflichtet, uns um Herstellbedingungen und Qualität zu kümmern, ausserdem wird das auch durch die Gesundheitsbeörden all der Länder, in die die Produkte geliefert werden, also nicht nur durch die indischen Behörden, kontrolliert. De endgültige Analyse und Freigabe der fertigen Medikamente (und meistens von noch viel früheren Stufen in der Produktion)erfolgt durch unsere interne Qualitätskontrolle. Fälschungen sind ein Problem, das wird streng verfolgt und es gibt auch immer strengere Richtlinien, wie Verpackungen fälschungssicherer gemacht werden müssen. Schon jetzt ist es recht leicht, rauszufinden, ob ein Medikament original oder gefälscht ist.

Sunni hat gesagt…

Ach liebe Frau Brüllen, was für ein Glück, dass Sie wieder da sind, und bis auf den Knöchel, wohl ok. Zurücklehnen und denken: Das alles ist jetzt Geschichte, und man muss es nicht jeden Monat haben. Und zu Ihrem herrlichen Text: Lesen ist einfach besser als erleben, jedenfalls in manchen Fällen! Herzlich, Sunni

Anonym hat gesagt…

Vorsichtig! können auch Bettwanzen sein! Die sind in Indien nicht unüblich. Koffer auf den Balkon und alles rausholen und waschen.

Übrigens, dass mit der Stempelorgie hast du auf jedem Flughafen in Indien.

Lg

cosy

Simone hat gesagt…

Ach wie schön - einmal mit dir schnell um die halbe Welt gehüpft! Danke.

PaulineM hat gesagt…

Das hab ich jetzt ganz gemütlich im Sessel miterlebt und muss es nicht life haben. Aber interessant. Punkto mehr Zeit in Indien. Was hätten 2-3 Tage mehr schon gebracht. Vermutlich wäre alles so überwältigend gewesen, dass es im Kopf auch als Chaos geblieben wäre. Wenn man wirklich ein kleines Stück Indien erleben wollte, würden man vermutlich mindestens 3 Wochen brauchen. Bei einem reinen Businesstrip finde ich Ihre Art des Reisens auch besser.

Frau Brüllen hat gesagt…

@PaulineM: dazu kommt: es war ein beruflicher Trip. Und allein dafür hätte ein Tag extra noch was gebracht, aber das war wegen "Day of the Republic" nicht drin. Und sonst: Selbsterfahrung oder Sightseeing ist zwar nett, aber nichts, wofür ich bezahlt werde :-).