Dienstag, Juli 11, 2017

#noerdstrom Tag 3: Überfahrt und Oslo



Das mit dem Schlafen in den Ferien … muss ich noch üben. Während der Rest der Familie sich in Kiel die lange Fahrt ausschlief, wachte ich das erste Mal «Oh, je, hoffentlich ist es noch nicht zu spät für die Fähre» um 4:04 auf. Und danach alle 10 Minuten.
Irgendwann dann Regendusche, wärmere Kleider als gestern anziehen, Schminken, Rest aus dem Bett schütteln, Frühstücken mit Blick auf den Yachthafen und unsere einfahrende Fähre aus Oslo, zusammenpacken, Auto abstöpseln, und einmal um die Förde rum an den Norwegenkai fahren. Wir waren (natürlich!) weit vor Boardingbeginn da und bekamen einen Platz fast ganz vorne. Hinter uns kam ein zweiter Tesla (aus Holland), dann noch ein dritter (aus Norwegen) und wir waren uns dann doch irgendwie sicherer, dass das Auto schon reinpassen würde, auch wenn auf dem Ticket «small car» stand.
Während der Hübsche und die Jungs sich unsere Fähre nochmal von unten ansahen, sauste ich schnell noch zurück zu einem Supermarkt, um ein paar Semmeln (jajaja, Brötli, Brötchen, mir wurscht) und zwei Salate zu holen, wir hatten nämlich erst das Abendbuffet auf dem Schiff reserviert.
Irgendwann dann setzte sich die Schlange in Bewegung, rechts an uns zog ein ganzer Motoradclub in Kutten und allem, was der geneigte «Sons of Anarchy»-Fan kennt, auf röhrenden Bikes vorbei…
Ich nehme an, der Hübsche war noch nervöser als ich, musste er doch unser Schlachtschiff in die engen Schiffseingeweide zirkeln. Trotz ein paar Mal «bümmelümmelümmmm, STOP!» hat alles kratzerfrei geklappt und wir haben einen ganz guten Parkplatz bekommen.


Unsere Kabine haben wir schnell gefunden und waren dann … erst etwas überrascht, wie klein sie im Vergleich zu dem Bild im Internet aussah und auch etwas verwundert, dass wir doch eigentlich eine Vierbettkabine gebucht hatten und beim Ausklappen aller Sofas doch nur zwei Betten zum Vorschein kamen. Aber hey: computerspielerefahrene Menschen drücken und ziehen alle Knöpfe und Hebel in einem Raum und so haben wir die zwei Stockbetten, die sich aus dem Deckenpanel ausklappen lassen, dann doch noch gefunden.


Irgendwie landeten wir bei unserer ersten Besichtigungstour des Schiffes kurz vor Abfahrt in der Observation-Bar und just als wir da so rumstanden, standen zwei Leute auf und machten uns einen Platz mit Aussicht frei. Also konnten wir das Auslaufen stilecht mit alkoholfreiem Cocktail (Kinder) und dringend benötigtem Kaffee (Ü40-Fraktion) verfolgen. Direkt am Fenster sass übrigens der Motorradclub und ich konnte mich nur ganz knapp beherrschen, mein aus 7 Staffeln «Sons of Anarchy» erworbenes Hintergrundwissen an die 6 Männer und 1 Old Lady zu bringen.




Den Rest des Tages verbrachten wir im Aqualand (sehr nett, klein, aber ein gutes Zeitverbringding), beim Little L. verlieren (keine Fährfahrt ohne weinendes Kind an der Rezeption, wobei ich diesmal nicht ganz so viel Panik hatte, da er noch keine 5 Minuten weg war, mindestens die Hälfte der Leute an Bord deutsch spricht und er auch ein gutes Stück älter ist. Wir waren auch nur Sekundenbruchteile nach ihm und der netten Frau, die ihn dort abgeliefert hatte, an der Rezeption, wo er dann mit Fundarmband versehen wurde), uns Wind um die Nase blasen lassen, extrem lecker und ausgiebig essen, pixelcraften und malen/Zauberfolie spielen, den Hübschen verlieren (er hat leider kein so schönes Findearmband bekommen, aber dann immerhin seine eigene Bordkarte), lesen, mit dem Fernglas andere Schiffe beobachten, und irgendwann dann haben wir die Betten auseinandergeklappt und unsere Kabine in eine Art Schlafregalsystem verwandelt und den Sonnenuntergang durch das Bullauge bewundert.






In der Nacht wachte ich das erste Mal um 4:08h auf (ich erkenne ein System!), allerdings nicht allein, Little Q. hatte seine Decke aus dem oberen Regal verloren und kletterte nach unten.
Im weiteren Verlauf war ich mir nicht ganz sicher, ob ich das Zwischenspiel mit Little L., der sagte "Ich habe Blähungen und mir ist wirklich übel" und mich dazu bewegte, im Pyjama auf den Flur zu sausen, um eine der an jedem Lift in grossen Mengen aufgehängten Kotztüten zu holen, nur geträumt hatte, aber alle anderen waren sich am nächsten Morgen einig, dass wohl ehe schon, und auch, dass L, sich nicht so ausdrücken würde. Nun ja.


Weil ich mir nach den strikten Angaben für das Abendessen "Nach 15 Minuten verfallen die Sitzplätze" nicht ganz sicher war, wie ernst "Frühstück 7:00" gemeint war, sassen wir also Punkt sieben an einem Fensterplatz und speisten gemütlich (Little L. 5 Pancakes!), während die Fähre durch den Nebel in den Oslofjord tuckerte.


Danach hatten wir dann noch gemütlich Zeit für einen letzten Rundgang, Zusammenpacken und Auto wiederfinden. Die Ausfahrt war viel einfacher als die Einfahrt, allerdings benötigte das Auto ein paar Minuten zu lang, um sich erst ins norwegische Netz einzuroamen, dann um uns richtig zu verorten (es war sehr panisch, weil es der Ansicht war, dass wir die Strecke vom Norwegenkai in Kiel bis zum Hotel in Oslo auf gar keinen Fall ohne Laden schaffen würden), so dass wir erstmal in die verkehrte Richtung fuhren, was sich aber schnell erledigte.


Unser Hotelzimmer war noch nicht fertig, aber wir konnten unser Gepäck und das Auto abstellen (während ich eincheckte, war der Rest beim Auto geblieben, was gut war, weil wir aus Versehen auf dem Parkplatz des srilankesischen Botschafters geparkt hatten und direkt die Polizei ankam, aber durch das schweizer neutrale Gesicht des Hübschen (und die Zusicherung, dass wir binnen Minuten verschwinden würden) besänftigt wurde. Im Kiosk gegenüber (finden Sie mich jetzt total zwanghaft, wenn ich Ihnen sage, dass ich schon von daheim aus via Google Streetview den nächsten "Narvesen"-Kiosk, wo man Prepaidkarten kaufen kann, ausfindig gemacht hatte... und den nächsten Kaffee-Laden?) schlossen wir uns ans mobile Internet an (war noch ein bisschen spannend, weil man sich da mit einer norwegischen social security nummer registrieren muss, die wir natürlich nicht haben, aber der Kundenservice von Telia war unglaublich schnell und hilfsbereit) und machten uns dann auf den Weg zu unserem ersten (von Little Q. ausdrücklich gewünschten Programmpunkt: dem Vikingskipshuset, dem Wikingerschiffsmuseum. Dort werden drei Wikingerschiffe ausgestellt und erläutert, die mit Kriegern oder Königinnen drin begraben wurden. Little Q. hat letztens erst alle "Viking Warrior"-Bücher gelesen und neben der spannenden Geschichte hat er darin auch einiges gelernt. Zusammen mit dem Museumsprospekt, den ich ihm während des Anstehens an der Kasse in die Hand gedrückt habe, war er danach so gut wie ein Audioguide :-).



Nach einer kleinen Brotzeit vor dem Museum stellten wir das Auto wieder am Hotel ab und machten uns mit der Tram auf den Weg in die Stadt. Dachten wir. In Wirklichkeit waren wir aber am Regionalzugbahnhof gelandet, wo genau die Linie 13 (also: wir wollten Tram 13, das war aber der Zug) nicht fuhr wegen "Arbeid", also waren wir erst sehr verwirrt, vor allem als wir feststellten, dass noch dröflzig andere Linien auch zum Nationalteateret fuhren, obwohl das auf unserem Plan gar nicht so stand. Egal, wir wissen jetzt, dass es eben eine Tram 13 gibt und einen Zug 13, beide fahren in Skoyen, die Tramhaltestelle ist aber ein paar Schritte vom Zugbahnhof weg und irgendwann waren wir dann vor dem Nationaltheater. Und dem Königsschloss, was super war, weil unsere Jungs ja grosse "Dr. Proktor"-Fans (Amazon Affiliatelink) sind und deshalb eine Führung für uns starteten mit den interessanten Wegmarken "Hier stand das grosse Waffeleisen" und "das sind die Soldaten mit den Federpuscheln".


Die durfte man übrigens fotografieren und das ist ein sehr skurriler Job. Aber sie haben einen Mannschaftsbus! (s. Instagram). Lowlight unseres Aufenthalts in Oslo (und ich entschuldige mich vorbehaltslos bei der norwegischen Königsfamilie und dem ganzen norwegischen Volk) war, dass ein nicht näher genanntes Familienmitglied unglaublich dringend pinkeln musste und weit und breit kein halbweg öffentliches Klo zu finden war (ich hatte Hemmungen, den Jungen mit Maschinengewehr, Federpuschel und Bajonett zu fragen, ob man in ihrem Wachhäuschen mal das Klo benutzen dürfte) und so hat dieses nicht näher spezifizierte Familienmitglied im königlischen Schlosspark ins Gebüsch gepinkelt. Es tut uns sehr, sehr leid.

Im Anschluss zeigte sich, wozu gut ist, dass ich morgens vor dem Rest der Familie aus dem Haus gehe: ich ertrage Fernsehen in der Früh so überhaupt nicht, der Rest schon. Und so konnte Little Q. uns einen fundierten Gossip-Vortrag über Königin Sonja, Prinz Haakon und die frisch enthüllte Statue halten.

Weiter führte uns unsere Tour durch die Irgendwas-Johan-Gate (mit Zwischenstopp bei viel Kaffee und Gebäck), vorbei am Parlament,



 am Freimaurer-Orden, auf die Festung Akershus ("Hier war Lises Papa Kommandant und Dr Proktor und Bulle waren gefangen. Und Gregor Galvanius hat aus Versehen an den Hämorrhoiden des Mondchamäleons geleckt." Lesen Sie Ihren Kindern vor. Das bildet.),

wieder runter zur Oper (das war so toll!)





und dann nach Grünerlökka in die Mathallen, wo wir Naivlinge dachten, um 18:10 nach annähernd 20000 Schritten aus einem reichen internationalen Streetfoodangebot auswählen zu können. Wir hätten es ja besser wissen müssen, man informiert sich natürlich vorher über lokale Gebräuche, aber so wenig wie ich mir vor zwei Tagen noch knappe 18 Grad Aussentemperatur vorstellen konnte, so wenig konnte ich glauben, dass Foodstände um 18:00h die Schotten dicht machen. Is aber so, passiert uns nie wieder. Dank Vulkanfisk wurden wir doch noch satt (Little L. war so hungrig, dass er sich beim Fish&CHips-Verspeisen volle Möhre in den Finger biss und das tat lange weh). Für den Rückweg nahmen wir dann tatsächlich die Tram (und fanden Linie 13), und selten tat eine Dusche so gut, wie die nach 22000 Schritten über Kopfsteinpflaster.
Kudos v.a. an die U12-Reisegefährten, die das nicht nur klaglos, sondern voller Begeisterung mitgemacht haben!


5 Kommentare:

Kruschkramerin hat gesagt…

Spannender Bericht. Danke dafür. Falls noch einmal ein Familienmitglied dringend muss: zumindestens in Schweden geht man in solch einem Fall einfach in das nächste cafè, Restaurant, Hotel und fragt nach der Toilette. Klingt für Deutsche, die an das Schild "nur für Gäste" gewohnt sind, unvorstellbar, ist dort aber total normal. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch in Norwegen klappt. Einen Versuch wäre es mal wert.
Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt auf weitere Berichte.

Ulrike hat gesagt…

Vielen Dank für den tollen Reisebericht, ich bin schon auf den weiteren Reiseverlauf gespannt.

Eine treue Leserin aus Wien
Ulrike

Queergedacht.de hat gesagt…

Ach, die Opernmöwe ist immer noch da. Die haben wir 2013 auch getroffen.

natalie hat gesagt…

Danke für den schönen Bericht! Und die erinnerungenweckenden Fotos!
Habe letztes Jahr den Fähr-Törn nach Oslo mit der gleichen Linie gemacht. Hachz....
Tip, falls Ihr die Rückfahrt auch mit der Fährlinie macht: abends ins Musical gehen! Auch wenn man sonst kein Musicalfan ist (ist sonst echt nicht meins), sind die Shows der Knaller! Und ist im Überfahrtspreis mit drin. :-)

Wünsche Euch noch weiter einen tollen Urlaub!

Liebe Grüße (von ungefähr 15km vom "Überkopf-Haus")
Natalie

Anonym hat gesagt…

Oh ihr seid in Kiel gewesen!
Ein sehr schöner Reisebericht von einer Reise die wir noch machen wollen. Endlich mal eine Innenansicht, die uns natürlich noch sehnsüchtiger macht.