Tauglichkeitsprüfung: check
Während das Auto fit für die Motorfahrzeugkontrolle gemacht wird, hatte ich heute einmal wieder das Vergnügen, das für mich skurrilste Erlebnis in Verbindung mit eidgenössischer Bürokratie zu erleben: die Verkehrsuntersuchung.
Dazu muss man sagen, dass ich erstens alt bin, d.h. meine Führerscheinprüfung kurz vor meinem 18. Geburtstag im Jahre 1994 gemacht habe, also im letzten (glaube ich) Jahr, in dem man die Berechntigung, einen 7.5 Tonner zu fahren gratis zum normalen Führerschein dazu bekam. Uns (aka der Fahrschulklasse) wurde damals eingebläut, dass wir totale Glückspilze wären und alle jüngeren Menschen total gearscht wären, wenn sie denn mal umziehen würden, weil ohne 7.5 Tonner geht das ja gar nicht und deswegen wäre das das Beste am Führerschein überhaupt.
Zweitens muss man seinen deutschen (und auch sonst alle) Führerschein abgeben bzw. gegen einen Schweizer Führerschein eintauschen, wenn man länger als ein Jahr in der Schweiz lebt und dort autofahren möchte. Lustigerweise ist das andersrum nicht so, die Deutschen und auch alle anderen, glaube ich zumindest, erkennen den Schweizer Führerschein anstandlos an, d.h. den wird man nicht wieder los.
Nun denn. Als es 2002 so weit war, habe ich mir logischerweise das durch die Gnade der gerade noch rechtzeitigen Geburt sozusagen verdiente Recht auf den 7.5-Tonner in den Schweizer Führerschein eintragen lassen. Das ist aber nichts, was in der Schweiz einfach so geht, nein, dazu muss man alle fünf Jahre (mit meinem aktuellen Alter, mal sehen, was die Zeit so bringt) zur eben heute wieder einmal stattgefundenen Verkehrsuntersuchung bei einem Amtsarzt im Wohnkanton oder wenigstens einem Vertrauensarzt mit Spezialgebiet Verkehrstauglichkeit (oder so). Diese Untersuchung zahlt man selber direkt, in der Schweiz hat offensichtlich fast niemand dieses Zusatzfeature im Führerschein, dementsprechend mussten wir, als wir denn endlich tatsächlich mal umgezogen sind und uns schon freuten wie die Schnitzel, endlich unseren 7.5-Tonner-Bonus ausspielen zu können, enttäuscht feststellen, dass es auch keine 7.5-Tonner zu mieten gibt, sondern "nur" 2.5 Tonner, die btw. auch ganz schön gross sind und in einem 7.5 Tonner wären unsere Habseligkeiten auch ganz schön hin und her geschlackert.
Anyway: heute war es mal wieder soweit: Verkehrsuntersuchung.
Ich bin also mit dem Rad (Sie erinnern sich: Auto ist bei der MVK) zu dem Arzt, bei dem ich vorher noch nie war, gefahren, füllte brav mein "Neuer Patient"-Kärtchen aus und kam auch schon dran. Ich war ja auf eine skurrile Untersuchung gefasst, beim ersten Mal wurde ich von einem (und das ist natürlich nicht despektierlich gemeint, es wirkte nur so, wie Alanis Morissette "Ironic" besingt) einbeinigen Arzt auf Vollzähligkeit von Extremitäten und Augen untersucht. Heute aber, das wurde mir als zweites gesagt, wäre aber alles ganz anders werden, weil "Im Aargau ist diese Untersuchung extrem streng, seien Sie mal nicht traurig, wenn Sie es nicht schaffen". Als erstes wurde natürlich erstmal versucht rauszufinden, warum um alles in der Welt ich diese Untersuchung haben wolle: "Wie oft fahren Sie so LKW? Mhmm. Nicht so oft. Wann das letzte Mal? Sie wissen, dass das teuer ist? Sie können das auch nicht von der Steuer absetzen. Das ist Besitzstandswahrung, das ist nicht abzugsfähig." Wir konnten uns drauf einigen, dass ich das halt wolle und wer weiss, vielleicht ja mal ein Wohnmobil (Ha!Ha!Ha!) mieten würde und da bräuchte man das auch und ich könnte ja in fünf Jahren nochmal drüber nachdenken. Fairerweise muss man sagen, dass ich den LKW-Teil ja wirklich nicht brauche und ernsthaft (Fahrlehrer Schnepel jetzt bitte weglesen) drüber nachgedacht habe, das verfallen zu lassen, aber das geht nicht einfach so, da muss man nämlich einen neuen Führerschein beantragen, mit Formular und Bild und das ist ja auch Aufwand, da dachte ich, es wäre einfacher (und wer weiss, Wohnmobil und so), diese Untersuchung in Ehren hinter mich zu bringen.
Also, es ging also los (die Einwürfe zum Thema Steuer, Kosten, selber zahlen und so denken Sie sich dazu, die kamen bis zum Schluss):
"Fühlen Sie sich fit?" (diese Frage kam sehr oft und jedesmal mit einem sehr fragenden, ungläubigen Unterton, der mich sehr irritierte)
"Äh, ja?!?"
"Gut. Sie sind Chemikerin? Bei der Pharmafirma, die wir jetzt natürlich hier nicht nennen? Biochemie?"
"Ja, also, nein, schon richtige Chemie."
"Aha, Analytik also."
"Äh, nein, Produktion."
"Mhmmm, Produktion. Wie ist es da so? Mobbing?"
"Ähhh, nein, alles super."
"Ok" (macht Kreuz bei "Psychische Belastungen: nein")
Allgemeine Fragen zu Grösse, Gewicht, Jahrgang, immer wieder unterbrochen durch wahlweise: "Fühlen Sie sich fit?" und "Sie wissen schon, dass Sie das ganz allein selber zahlen müssen?", ich vermute, um rauszufinden, ob ich mich in Widersprüche verstricke, aber ich bleibe knallhart bei meiner Story mit dem Wohnmobil in einer alternativen Zukunft.
"Sooooo, Sie tragen eine Brille. Wie stark?"
"Keine Ahnung, ich kann Ihnen aber das Optikerkärtchen raussuchen"
Kleinder Exkurs über "Wieviele Karten haben in so einem Portemonnaie eigentlich Platz?" gefolgt von einem fachmännischen: "Oh, das ist ja praktisch nix, da fühlen Sie sich sicher auch ihne Brille wohl."
Und da mache ich den einzigen Fehler in der Untersuchung: "Nein, eigentlich nicht. Ich habe die Brille seit ich 9 Jahre alt bin und trage sie immer, ohne fühle ich mich unsicher."
"Mhmm, da machen wir gleich mal einen Sehtest. Ziehen Sie mal bitte Ihr T-Shirt ab."
Ich wunder mich kurz, aber auch in Arztsprache heisst "gleich" nich "jetzt" und es wird erstmal Herz- und Lunge abgehört, dann kommt ein Hörtest, wo ich mir selber immer ein Ohr zuhalten muss (und ich bin beeindruckt ob des Vertrauens in meine Ehrlichkeit, wo ich doch immer wieder eingebläut bekam, dass der Test im Aargau viel strenger sei, als ich vielleicht aus Basel gewohnt sei und überlege noch kurz, ob ich die geschreiflüsterten Zahlen jetzt auf schweizerdeutsch wiederholen muss oder hochdeutsch okay ist), endlich dann kommt der Sehtest (Farbsehen wird mir geglaubt, als ich auf "Rot auch? Grün? Blau?" wissend mit dem Kopf nicke), der mit den E, M, W und dem falschrummen E. Wie erwartet und auch in diversen SUVA-Untersuchungen bei meinem Arbeitgeber schon erahnt, breaking news: mit Brille sehe ich super, ohne: NIX. Das wäre an sich ja nicht schlimm, nur dummerweise ist bei dem "Deutschen Führerschein auf Schweizer Führerschein umschreiben, dann Schweizer Führerschein mit neuem Namen neu beantragen" der Vermerk 01, was heisst: "Sehhilfe obligatorisch" verloren gegangen. Und, auch das breaking news, meine Blindheit wirkt sich nicht nur auf das Führendürfen von 7.5Tonnern (und Wohnmobilen) aus, sondern, und das hätte ja kaum jemand gedacht, auch auf das von normalen Autos. Und so werde ich, nachdem das mit 250CHF in bar bezahlte ausgefüllte Formular beim Strassenverkehrsamt Aargau verarbeitet wurde, vermutlich doch einen neuen Führerschein für Blindfische bekommen; ob ich da ein Formular ausfüllen muss, nochmal zu einer Untersuchung muss oder ob evtl. sogar ein neues Foto reicht, das wusste der Arzt auch nicht.
Naja, ansonsten: Herz tiptop, Reflexe tiptop, Trucker dürfen wohl mal Nierensteine gehabt haben, auch im Aargau, obwohl, Sie wissen schon, Beweglichkeit super (den Kopf nach unten drücken, das hätte noch besser gehen können), Diabetes ist wohl ein Knockoutkriterium ("Wie, nein? Wann wurde das das letzte Mal getestet? 2012? Wieviel Millimol hatten Sie da? Sie als Chemikerin müssten doch wissen, was Millimol heisst?" Und weil ich zwar weiss, was Millimol heisst, nicht aber, wie mein Zuckerwert 2012 bei der Einstellungunstersuchung war, musste das auch noch getestet werden. Zum Nachlesen für in fünf Jahren: 4.9mmol/L. Das reicht für Truck und Wohnmobil im Aargau), niedriger Blutdruck (schon wieder so eine Fangfrage: "Wird Ihnen manchmal schwindlig beim Aufstehen? Ah. das wussten Sie schon. hmm.") dagegen nicht.
Wäre das also mal wieder geschafft.
Ich finde, viel mehr als all das Gedöns befähigt mich zum Truck (und Wohnmobil)fahren, dass ich auf dem Rückweg die in voller Fahrt bergab rausgesprungene Kette professionell wieder montiert habe. Ohne Sturz, ohne Fluchen, nur mit wenig Dreck und unter erschwerten Bedingungen, weil der Finger, in den mir zum Zuckertesten gepiekst wurde, auch eine halbe Stunde danach noch blutete wie Schwein. Muss mal mit der hausinternen Diagnostikabteilung reden, so geht das nicht.
4 Kommentare:
Oh je, was für ein Aufwand!
Der Fahrlehrer konnte übrigens nicht gut in die Zukunft gucken... ;-) Ich habe 1998 nämlich auch noch "als eine der allerletzten Glücklichen" den Klasse 3 Führerschein machen dürfen und darf auch 7,5 Tonner fahren. Und Anhänger. Hab ich aber beides noch nie gemacht. Aber nun denn, ich DÜRFTE. ;-))
Ich meine 1999 war es dann aber endgültig vorbei.
LG
Mareike
Mein Mann darf auch weiterhin Lastwagen fahren, trotz Sehhilfe, Diabetes (okay, so sehr im Anfangsstadium, dass keine Medikamente nötig sind) und leichter Farbenblindheit. Sogar im Aargau *g*.
Er verfügt übrigens über einen amerikanischen und einen japanischen Führerschein (beide abgelaufen), so viel zu "anderswo kann man mit Schweizer Fahrausweis rumfahren".
Und 4.9 mmol/L ist sogar eher untere Grenze, hattest wohl noch nicht viel gegessen ;-).
Komischer Arzt jedenfalls, es kommt mir vor, als halte der nicht viel von Frauen am Steuer von Lastwagen?
Warum tust du dir das an? :D
Mein Freund muss das auch machen. Der hat im Militär den LKW Führerschein gemacht (Logistiktruppe) und war jetzt auch schon einmal bei diesem Arzttermin weil er das nicht verfallen lassen will. Aber wirklich brauchen wird er das auch nie wieder... aber bei ihm lief das lockerer als bei dir (auch im Aargau). Der hat das doch ausgekostet, dass mal eine Frau kommt ;).
;-)
Ich habe ja im Dezember 1990 einen DDR-Führerschein gemacht und beim Umschreiben auf den bundesdeutschen Führerschein (weil mein schöner rosa Schein in den Autovermietungen der USA inakzeptabel war) auch irgendeine LKW-Klasse "geerbt", die ich eigentlich nie gemacht habe. (Hab gerade mal gesucht - ich dürfte 7,5t plus Anhänger fahren: maximales Gesamtgewicht 12t) Hatte aber bisher noch nicht das Bedürfnis, mehr als 3,5 Tonnen zu bewegen ;)
Ich habe beim letzten Abesatz übrigens vorgestellt, wie du während der Bergab-Fahrt die Kette montierst.
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