Dienstag, April 01, 2014

Origami

Jeder kennt sie, jeder liebt sie: Beipackzettel. Und nein, heute soll es nicht um lange Nebenwirkungslisten oder Einnahmeanleitungen gehen, eigentlich sind die Beipackzettel an sich eher Einleitung, es geht um das Falten. Man kennt das: einmal aus der Packung genommen und aufgefaltet kriegt man das hauchdünne Papier kaum wieder in die Packung zurück, schon gar nicht so ordentlich und platzsparend wie ursprünglich.
Ich hatte im Rahmen einer Vorstellungsrunde einmal die Gelegenheit, einen hochmodernen Blisterverpackungsbetrieb zu besichtigen. Ich sags ihnen: Hammer! Seitdem ich das gesehen habe, drücke ich die Ibuprofentabletten mit einem gewissen Respekt aus der Packung. Von "Ein kleines Tönnchen voller Tabletten kommt über ein Robotersystem aus dem Lager in die Startkabine" bis zu "Immer 50 Schachteln werden in einen grossen Karton gepackt" ist alles automatisiert. An definierten Stellen wird über ausgeklügelte Kamerasysteme überprüft, ob zB alle Tablettenmulden befüllt sind, keine Tablette zerbrochen oder angeditscht ist, ob der Aufdruck von Chargennummer und Haltbarkeitsdatum gut zu lesen ist, ob die Blister richtig zugeklebt sind, und alles, was nur annähernd nicht entspricht, wird (auch mittels eines automatisierten Systems) vom Band in einen Ausschusseimer geschubst. Natürlich arbeiten dort auch Menschen, die aber eben nicht Tabletten in Mulden legen und Schachteln falten, nein, sie leeren die Ausschusseimer aus, sie kontrollieren nochmal ob alles läuft, wenn was nciht mehr läuft reparieren sie es, sie füllen die Kartonschachtelrohlinge (die liegen da als flache Kartonbögen, von einem Roboterarm werdne sie gegriffen, in Form gefaltet, geklebt, und dann kommen auch schon die gestapelten Blister angeschossen, nehmen noch einen Beipackzettel mit und rein gehts in die Schachtel. Der nächste Arm macht den Deckel zu und weiter gehts) nach und auch, tadaaaa, Schwenk geschafft, die Beipackzettel. Und auch hier gibt es keinen Beipackzettelfalter, die liegen ganz glatt und ohne Falten auf einem Riesenstapel und wenn wieder die richtige Anzahl Blister fertig ist und afugestapelt wurde, dann wird eines dieser hauchdünnen Blätter eingesaugt, wie auf so einer Art T-Shirtfaltbrett in einem Affenzahn zusammengefaltet und eben mit den Blistern in den nächsten Schachtelrohling geschossen.

Warum ich das alles erzähle? Erstens, weil es ganz, ganz grossartig ist, zweitens, weil ich heute mal wieder Besuch von meinem Projektingenieur hatte, ich musste einige Montage- und Demontageschemata unterschreiben. Diese R+I-Schemata haben wir für jeden Zentimeter Rohrleitung und jedes einzelne Ventil in der Anlage und bei ca 6-8 6300L-Kesseln, 1-2-Zentrifugen und einem Trockner pro Anlage sind das ganz schön viele (Kilo)Meter Rohrleitung, Tausende Ventile, Temperatur-, Druck-,Gewichts-, Durchfluss-, pH-Messgeräte, Pumpen, Rührer, Antriebe, Vorlagen, Tanks, also: viel, was genau auf Papier abgebildet sein muss. Dementsprechend gross sind solche Schemata. Auch wenn nur ein Ausschnitt der Anlage drauf ist, ist das Papier, auf das diese Schemata geplottet werden, so rieisig, dass ich die Formatbezeichnung gar nicht kenne. Nachdem wir aber auch ordentliche Menschen sind, bewahren wir diese Seiten ordentlich gefaltet auf DINA4 gefaltet abgeheftet ab. Ich dachte ja ganz, ganz lange, dass zu einem Einarbeitungsplan für Ingenieure bei uns, die ja diese Schemata erstellen und pflegen, ein Kurs "Wie falte ich ein R+I-Schema richtig?" gehört und war sehr beeindruckt, als letztens ein recht neuer Ing-Kollege mit schon perfekt gefalteten Schemata auf Unterschriftenrunde vorbeikam. Gottseidank habe ich ihn nicht zu seinen Faltkünsten beglückwünscht, weil als ich nämlich letztens mal wieder im Grossraumbüro der Ing-Abteilung auf der Suche nach dem Sitzungs-Cubicle verlaufen habe, bin ich im Plotter-Cubicle gelandet. Und man glaubt es kaum: neben dem Riesenplotter steht eine Riesenfaltmaschine, in die man die riesigen Schemata reinsaugen lässt und hinten kommen sie, zack, auf DINA4-Grösse gefaltet heraus. Wieder eine Illusion weniger. Zur Sitzung bin ich aber trotzdem zu spät gekommen, weil ich der Faltmaschine noch ein bisschen zuschauen musste.

4 Kommentare:

mcmurdo hat gesagt…

Und wenn diese Wundermaschine mal kaputt gehen sollte, wird Ihr Ingenieur sicher manuell nach DIN 824 falten können (wir Deutschen haben aber auch für alle eine Norm, und ich stelle mir gerade lebhaft vor, wie die Mitglieder des Normenausschusses jahrelang Papier falten üben, von der Vornorm bis zur endgültigen...)

steffi hat gesagt…

bei der sendung mit der maus kam das mal. seidem bekomm ich die beipackzettel wieder klein und platzsparend zusammengefaltet. aber eigentlich sollte ich die gar nicht lesen, weil ich dann immer ALLE nebenwirkungen habe ;-)

LG

huntjeblöm hat gesagt…

Oja, mit "Freude" erinnere ich mich, den Getriebeentwurf im Rahmen meines Maschinenbaustudiums auch auf A0 ausplotten zu dürfen, um anschließend stundenlang die Faltung zu optimieren, um das große Stück Papier in einem Stück in den Ordner zu bekommen.
Und, wehe, eins meiner Kids kommt irgendwann auf die Idee sich das Getriebe mal anschauen zu wollen...
Vor 15 Jahren gab es, zumindest an der Uni solche tollen Automaten noch nicht. Dafür gab es Studenten :-)
Es ist immer wieder spannend etwas aus ihrem Arbeitsleben zu lesen.

Herzlicher Gruß,
Britta

Anonym hat gesagt…

Jaja, genau, die Maus! Meine Packungsbeilagen waren immer Wild zusammengeknüllt in die Packungen gestopft (die dann nicht mehr ordentlich zugingen, ausleierten...) und DANN - hab ich die Maus gesehen. Das geht ja SOOOO einfach! Jetzt kann ich's. Ohne Maschine ;-)