Mittwoch, August 22, 2007

Narbenschau

Bei Tertia gesehen und für interessant befunden:

Folgende Verletzungen haben auf meinem dreissigdreiviertel Jahre jungen Körper ihre dauerhaften Spuren hinterlassen:

  • Rechtes und linkes Schienbein, je ca. 3 cm: die Anfänge des Beinerasierens in den Zeiten vor Venus und so Zeug. Grosse Stücke Haut mit nur zwei Klingen abgeschnitten.
  • rechter Oberschenkel, leicht oberhalb des Knies, ca 4 cm: Der Sturz über die Zeltschnur mit unsanfter Landung auf dem Hering im evangelischen Zeltlager mit 12. Geblutet wie abgestochen, aber schlimmer war, dass sich die Jeans beim Begutachten durch den Betreuer nicht so weit raufkrempeln liess und ich die Hosen runterlassen musste. Schlimm, wenn man gerade in den Anfängen der Pubertät steckt.
  • rechter Oberschenkel, drei parallele Narben, ca. 2-3 cm: Katze schläft auf dem Schoss unter der Kuscheldecke beim Fernsehen, ein an sich recht ruhiger Film, als im Fernseher dann aber das Telefon klingelt, erwacht die Katze panisch und startet durch.
  • Im Bauchnabel und in der linken Leiste, zwei ca. 1 cm lange Narben von meiner Bauchspiegelung. Wurde 2002 durchgeführt, nachdem ich auch die zweite Gynäkologin mit meinen linken Dauerbauchschmerzen nicht mehr weiterwusste. Danach wusste man auch nicht mehr, ausser dass ich einen 30 cm langen Blinddarm habe. Coole Sache und auch die Bauchschmerzen waren weg, sobald ich mit der Doktorarbeit und meinem Doktorvater fertig war.
  • Nochmal linke Leiste und mitten auf der Wirbelsäule, zwei sehr schlecht vernähte Muttermalrausschnipseleien: waren beide gutartig, was ich viel schlimmer fand war, dass a) meine Mutter mich, als es ernst wurde, allein in den Fängen der Hautärztin liess ("Kind, ich kann sowas nicht sehen"), ich aber erst 12 war und mörderische Angst hatte und b) die Hautärztin bei der Betäubungsspritze am Rücken so fest gedrückt hat, dass die Nadel abging, mir die Suppe über den Rücken lief und sie trotzdem einfach geschnippelt hat. Autsch.
  • Unter dem Nabel, eigentlich keine Narbe, nur die zwei Löcher von meinem Piercing, das ich mir vor fast 10 Jahren hier habe stechen lassen und während der Schwangerschaft dann rausgenommen habe. Hat sonst jemand eigentlich noch das Piercing UNTER dem Nabel? Zumindest eine Person, sogar in der Schweiz, muss das haben, denn der Piercer hat mir damals ein Bild davon gezeigt.
  • zwischen rechtem Zeige- und Mittelfinger, zweimal ca. 2mm: mit 4 dachte ich, ich wüsste, wie man Orangen schält. Das einzig richtige daran, war dass ich ein scharfes und spitzes Messer verwendet habe. Und nach dem ersten Fehlversuch nicht aufgegeben habe. Meine Mutter ist sogar mit mir in die Notaufnahme gefahren, so dass ich an meinem ersten Kindergartentag mit coolem Verband aufgekreuzt bin. Leider hat meine doofe Schwester noch am selben Tag den Verband nass gemacht, so dass es vorbei war mit der Coolness.
  • rechtes Handgelenk innen, eine kreisförmige Narbe, ca. 8mm Durchmesser: mit der heissen Wärmflasche unter dem Arm eingeschlafen, Verbrennung bekommen, und während dem Abheilen nicht in Frieden gelassne (Merke: Punktionen des Schorfs mit der Zirkelspitze in langweiligen Mathestunden fördern nicht die Selbsheilung)
  • Linker Daumen, ca. 1 cm, gebogen und mit taubem Teil: die Gemüselasagne
  • Linker Daumen, ca. 0.5 cm, direkt vor dem Nagel: Mein bisher einziger Arbeitsunfall. Man stelle sich vor, eine langsam genervte Doktorandin füllt gerade die gesamten 12 mg Produkt, die im hoffentlich letzten Versuch der Doktorarbeit entstanden sind, in ein NMR-Röhrchen, gibt die letzten 2mL sauteures, mühsam getrocknetes deuteriertes Methylenchlorid dazu, will den Deckel draufmachen, drückt ein bisschen in die falsche Richtung und schon steckt das halbe Rohr in meinem Daumen. Als vorbildliche Mitarbeiterin arbeitet frau natürlich alleine und auch noch ohne Handschuhe. Auf dem Weg zum Telefon habe ich schon eine recht lange, dicke Blutspur hinterlassen (welche den Hübschen dann fast umgeworfen hätte). Die Sekretärin ruft den Notarzt, der im Urlaub ist, stattdessen kommen zwei schneidige Sanitäter mit Blaulicht angerast. Ich sitze, blass um die Nase, aber schon lang nicht mehr blutend im Kaffeeraum, betüdelt von den Sekretärinnen. Nachdem ich den Herren erklärt hatte, was in dem Röhrchen drin war und dass vermutlich noch was von dem Röhrchen in meinem Daumen drin ist, sehen sie keine andere Möglichkeit, als mich mit dem Krankenwagen (ohne Blaulicht) ins Schwabinger Krankenhaus zu bringen.... lange Wartezeit, etliche schaurige Arbeitsunfallgeschichten von Mitwartenden, einen uninteressierten, aber metzgerartigen Arzt später bin ich mit einem Riesenverband auf dem Weg nach Hause. Zu Fuss, ohne Blaulicht. Unfallbericht musste ich auch schreiben. Und einen Zehnminutenvortrag über "Sicheres Arbeiten mit Glasgeräten" halten.
  • Genick, kreisförmig, ca 5 mm: noch ein Muttermal, diesmal allerdings beieinem anderen Hautarzt, freiwillig alleine und aus rein praktischen Gründen, nachdem mir die Friseurin schon dreimal reingeschnitten hatte ("Autsch" "Ups, sorry, ist aber nicht so schlimm.... aaaaaahhhhh, das blutet ja.... ahhhhhh, das hört ja gar nicht mehr auf"), was ausserdem auch eine Scheissfrisur zur Folge hatte
  • Stirn rechts, ca 5 cm: mit zweieinhalb beim vom Startblock Hüpfen beim 100. Mal das Wasser verfehlt und auf den Fliesen gelandet. Auch hier hat meine Mutter geschwächelt, ist sogar in Ohnmacht gefallen, so dass ich nicht mal als einzge im Krankenwagen abtransportiert wurde. Meine Schwester hat einen gelben Lolli gekriegt, mir hat man gesagt, ich solle endlch aufhören zu brüllen. Baden durfte ich auch nicht mehr. Aber mein Papa fand mich tapfer. Am Tag nach dem Fädenziehen (vier Stiche) habe ich mich vor Freude in der Küche um die eigene Achse gedreht: Türpfosten, wieder vier Stiche.
  • Und jetzt noch die Krönung: Scheitel, ca 1 cm: Treppe gegen Schädel, Treppe gewinnt. Ich habe gerade die fertig gedruckten Exemplare meiner Diplomarbeit im Copyshop der Maschinenbauer abgeholt, passend gekleidet in einen beigefarbenen Kurzmantel, beuge mich im Laufen über den Karton, um die Meisterwerke zu zählen, da knallt mir eine (vorher sicher noch nicht dagewesene) Betontreppe an den Schädel. Mein erster Gedanke war: "Scheisse, wie peinlich, hoffentlich hat das niemand gesehen." Mein nächster, als ich mir beim Türöffnen über die Stirn fuhr, das warme Tropfen spürte: " Scheisse, mein Mantel, scheisse, die Diplomarbeiten". Es hatte natürlich doch jemand gesehen, nämlich die vermutlich einzigen beiden weiblichen Maschinenbaustudentinnen. Sie haben mich auf der Damentoilette rudimentär abgeschrubbt, danach snd wir zum Betriebsnotarzt, der aber wieder mal im Urlaub war. Die Krankenschwester hat mir einen Sprühverband auf die Haare gemacht. Sah toll aus: blutverschmiert von oben bis unten und mit Punkfrisur.

So, das war ich und jetzt wüsste ich gerne, welche Narben Frau....äh....Mutti und die Jette zieren.

7 Kommentare:

Katharina hat gesagt…

ich glaube DAS toppt keiner - wow, respekt ;)

jette hat gesagt…

Whoa!!!
Genau, das ist nicht zu toppen. Aber ich schau und zähle und mach das dann morgen.

Ich freu mich über dieses Stöckchen!!!

:)

Anonym hat gesagt…

feines Stöckchen, ich mache mich an die Arbeit!

Bella hat gesagt…

das ist wirklich schwer zu toppen und wieder wunderbar herrlich geschrieben! ;O)

Karin hat gesagt…

Bevor ihr mich hier zum Scarface der Bloggergemeinde kürt: die meisten sind klein und fein und nur mit sehr viel Blut verbunden gewesen. An sich sieht das grosse Ganze eher normal aus.

"Der Hübsche" hat gesagt…

Ich habe keinen Narbenfetisch (fand "Crash" auch einen selten dämlichen Film) und kann deshalb bestätigen, dass das kleine Brüllen sehr hübsch und nicht verunstaltet ist. Sie hat einfach immer nur sehr theatralische Verletzungen und noch theatralischere Eigendiagnosen ("mein Arm schmerzt seit dem Klettern. Ich vermute mal ich hab mir nen Venenriss zugezogen...")

jette hat gesagt…

Ich würde die schöne Frau Brüllen NIEMALS zum Scarface küren.
(Das wär ein schlechter Dank für die ganze Schokolade.)