150825
So, Feldermäuse. Das war sehr cool gestern. Ich mag das ja sehr, wenn Leute von irgendetwas total begeistert sind und dann andere mitnehmen. Gestern also Fledermäuse. Es gibt in unserer Ecologicals-Freiwilligengruppe eben die Fledermausleute, die unter anderem sich zum Auftrag genommen haben, zusammen mit den Vogel- und Eidechsenleuten ein Biodiversitätskonzept für den neu anzulegenden Park auf dem Gelände der drei alten Forschungsbauten, die noch abgerissen werden sollen, zu erstellen. Hoffnung ist "Nix mit englischem Rasen, sondern halt mit so Asthaufen und so". Weiss ich jetzt nicht, wie realistisch das ist, der aktuelle Garten und der Solitudepark ist sehr englischer Rasen und Rhododendronpfad und null Asthaufen. Auf dem Areal bei uns im Ort hingegen ist sehr viel Asthaufen und null englischer Rasen. Aber eben: die Forschungsbauten stehen auch noch, also alles recht weit im Voraus geplant. Es wurden aber über die letzten Jahr jeweils die Fledermauspopulationen auf den beiden Standorten gemonitored und da darf man als interessierter Laie mitkommen.
So haben sich dann gestern abend um viertel vor neun ca 10 Leute und die zwei Profis an der Porte eingefunden. Im hellen Rezeptionsgebäude gab es ca eine Stunde Einführung über Fledermäuse in der Schweiz (sehr skeptisch beäugt von den Mitarbeitern, die zur Nachtschicht kamen). Es gibt wohl 30 Fledermausarten in der Schweiz, die allermeisten gefährdet. Bestände sind seit den 80ern (DDT Verbot, Pestizid-Einschränkungen) stark gestiegen, stagnieren aber jetzt. Es gibt welche, die Zugfledermäuse sind, also im Winter hier sind, im Sommer im Norden (das bedeutet zB Deutschland oder auch Baltikum. Eine beringte Fledermaus wurde mal getrackt und hat von Estland bis in die Schweiz 30 Tage gebraucht, das ist Wahnsinn, wenn man überlegt, dass die halt wirklich nur so gross sind wie Mäuse (plus Flügel) und nicht geradeaus fliegen, sondern sehr kreiselig. Sie hatten verschiedene ausgestopfte dabei (ich war bei allen überrascht, wie klein sie waren, auch der "grosse Abendsegler" ist winzig. Klar, Flügel immer eingefaltet. Sehr lustig fand ich die Wasserfledermaus, die (angeblich) richtig grosse Füsse hat, weil sie dicht über die Wasseroberfläche fliegt und dort Insekten aus der Luft oder direkt von der Wasseroberfläche schnappt (wenn ich richtig verstanden habe, auch kleine Fische, aber das müssen WINZIGE Fische sein, weil eben: MAUS!) Es sind natürlich keine Mäuse, genauswenig wie Flughunde Hunde sind, beides sind Fledertiere. Lustig auch die Fledermaus (habe mir die Sorte nicht gemerkt), die grosse Käfer im Wald frisst und dessen Krabbelgeräusche auf dem Boden hört, dann landet und ihn unter den Blättern vorgräbt...
Es gab noch eine Livecam zu einer Wochenstube (Fledermausweibchen tun sich dafür zusammen, jeweils ca 2/3 der Gruppe bekommen Kinder, die anderen setzen aus, weil "Schwangerschaft und Aufzucht superanstrengend ist" (feel you, Fledermausfrau) und dann leben sie da alle gemeinsam. Untertags hängen sie rum, in der Nacht fliegen sie zum Jagen. Babys lernen etwa mit 4-5 Wochen fliegen. Wenn man welche zur Aufzucht hat, darf man den Zeitpunkt nicht verpassen, sonst wollen sie das gar nicht mehr lernen. (Geht wohl besser, wenn man auch noch erwachsene Pflegetiere hat). Babies werden übrigens mit Welpenmilch "geschöppelt" (alle anderthalb Stunden) und irgendwann mit zerdrückten Mehlwürmern. Überwinterung von Fundfledermäusen in Raka-Boxen in der kühlen Garage, mit wöchentlicher Gewichtskontrolle. Bei -10% werden sie kurz "aufgetaut", mit Mehlwürmern gebulkt und dann wieder eingefroren (natürlich nicht, aber in Winterschlaf versetzt). Zurück zur Kolonie: dort hat er eine Live-Cam aufgestellt, die wir gucken durften. Wenn sich 400 Fledermäuse aufwärmen zum Losfliegen, dann sieht das sehr cool aus! Temperatur auf dem Dachstock hatte es (am Boden) über 44Grad, das halten sie wohl noch grad so aus. Maximale gemessene Temperatur war über 55Grad am Boden, da sassen sie dann alle an der Nordwand am tiefsten Punkt mit ausgebreiteten Flügeln zum Abkühlen. Klimawandel is a thing....
Dann ging es endlich los und wir bekamen alle Tracker. Das sind letztendlich "Geräte", die man auf eine bestimmte Empfangsfrequenz einstellen kann und Geräusche auf dieser Frequenz werden dann auf hörbare Frequenzen runtergepitcht. (Grillen zirpen mit 20Hz, die Zwergfledermaus bei 30 und die Weissrandfledermaus bei 45). Die Profis haben einen Empfänger, der sich an Tablet oder Smartphone anschliessen lässt und dann in einer App das genaue Soundprofil desr Rufe incl Identifikation der Art anzeigt.
Und so standen wir dann im Dunklen um den Teich herum und es knatterte wie aus Maschinengewehren aus den Empfängern, als eine oder mehrere Fledermäuse über dem Teich Mücken jagten. Wir zogen weiter zum grossen Platz, wo ein guter Mix aus Bäumen, Laternen (Insekten!!!) und offenem Flugbereich ist und dort haben wir sie nicht nur gehört, sondern auch gesehen. Wir haben sogar auf unseren rumpeligen Geräten unterschiedliche Arten an den Rufen unterscheiden können.
Neben diesem Tracking haben sie auf dem Areal noch Recorder aufgestellt, wo über eine Woche lang Rufe aufgezeichnet wurden und dann analyisert und auf Population hochgerechnet werden. Es wurden auch Schlafboxen ausgehängt, aber die sind bisher noch nicht bezogen worden. (Kann man auch als gutes Zeichen sehen: sie haben genug gute Schlafplätze wo anders).
Noch interessant: eine Zwergfledermaus entfernt sich jede Nacht etwa 5-6 km von ihrem Schlafplatz, das ist richtig viel Gefliege für so ein winziges Tierchen. Und sie fressen jede Nacht zwischen 30 und 50% ihres Körpergewichts in Mücken (und sonstigem). Das ist jetzt (MAUS!) nicht sooooo viel, aber Mücken wiegen ja nix.
Zum Abschied gab es noch einen geschlechtergerechten Aufkleber, den ich schon auf meinem Laptopt platziert habe und dann hatte ich den kürzesten Heimweg von allen. So cool!
Heute morgen bin ich dann sehr gestresst aufgewacht (erstens mitten in der Nacht mal, weil der Nachbarkläffer nicht nur wieder da ist, sondern anscheinend jetzt auch vor sechs rausdarf...), weil mir offensichtlich noch in der Nacht bewusst war, was heute für ein voller und stressiger Tag wird: Arbeiten, Physio, Banktermin, den neuen Bankberater kennenlernen, nach Bern fahren und das Visum holen, noch ein Arbeitsmeeting on se road, Einkaufen, Geburtstagskuchen backen, Pizzamachen. All das fühlt sich besonders anstrengend an, weil L. am Dienstag fliegen wird und es einerseits noch jede Menge Zeug gibt, das erledigt werden muss, andererseits... ist er dann halt weg. Puh.
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