Sonntag, Dezember 06, 2020

061220: Schulexkurs

 Immer nur Corona und Homeoffice-Beschreibungen ist ja auch langweilig, heute also ein kleiner Ausblick/Einblick in die Schulüberlegungen, die wir und Q. so gemacht haben für nächstes Jahr.

Vorneweg: das alles ist natürlich überhaupt nicht repräsentativ für die gesamte Schweiz, nicht mal für unseren Wohnkanton, sondern für die zwei Nachbarkantone. Kantönligeischt is a thing!

Warum Nachbarkanton? Das ist ganz einfach (hehe): wir wohnen hier gerade so im Aargau, genauer gesagt im Fricktal. Die Kantonsgrenze zu Basel-Land ist von unserem Haus Luftlinie .... ich schätze mal ... 600Meter weit weg. Im Aargau ist es so, dass die Primarschule (alle zusammen) vom Kindergarten (ab 4) bis zur sechsten Klasse geht. Diese Schule gibt es bei uns im Dorf.

Danach wird aufgrund von Potential (NICHT Notenschnitt) von den Lehrpersonen bestimmt, welche Schulform für die nächsten drei Jahre für das Kind die richtige ist:

Bezirksschule, Sekundarschule, Realschule oder Kleinklasse. Sek/Real gibt es bei uns im Dorf, Q. geht jetzt das dritte und letzte Jahr auf die Bezirksschule im Nachbarstätdtchen.

Nach diesen drei Jahren endet die allgemeine Schulpflicht, alles danach ist sozusagen Kür. Mit der Bezirksschule steht Q. praktisch alles offen: mit dem entsprechenden Notenschnitt kann er ans Gymnasium, es gibt diverse Mittelschulen, es gibt die Berufsmatur (= Lehre UND Schule), es gibt nur Lehre, etc.

Gottseidank weiss Q. genau, was er möchte, nämlich aufs Gymnasium, er ist ja fast bombenfest davon überzeugt, Anwalt werden zu wollen. Normalerweise würde er sich jetzt in seinem Wohnkanton umschauen, welches Gymnasium (oder "Kantonsschule") seinen Wunschschwerpunkt anbietet und sich dort bewerben. Nun ist es so, dass das nächstgelegene Gymnasium im Aargau in Aarau liegt, das sind je nach gewählter Route (schneetauglich oder nicht) zwischen 45 und 60km einfach von uns, mit dem ÖV einfach anderthalb Stunden. Das nächste (und übernächste und überübernächste) Gymnasium im Nachbarkanton und noch einen Kanton weiter hingegen liegt 3 S-Bahnstationen (oder 4) weit weg. Und, halleluja, deshalb gibt es ein Abkommen zwischen dem Aargau und Basel-Land und Basel-Stadt, dass Kinder aus dem Fricktal in Basel (Stadt oder Land) ans Gymnasium gehen dürfen OHNE Schulgeld zu bezahlen.

Spannend dabei ist, dass die Lehrpläne im Aargau und in Basel (Land/Stadt) natürlich unterschiedlich sind: im Aargau fängt man in der dritten Klasse mit Englisch an und bekommt in der sechsten Französisch dazu, in Basel fängt man mit Französisch an (weiss nicht genau wann) und bekommt dann Englisch dazu. In Basel gibt es pro Woche eine Lektion mehr Mathematik und Bio/Chemie/Physik werden nicht als separate Fächer unterrichtet, sondern als MINT (oder so). Im Fricktal wird dem Rechnung getragen, indem es freiwillige Wahlfächer gibt mit jeweils Hinweis darauf, für welches Schwerpunktfach in Basel welche empfohlen sind. Also hat Q. zusätzlich zum Aargauer Lehrplan in den letzten drei Jahren Französisch Plus, Mathe Plus, Bio Praktikum und Chemie Praktikum belegt (Nicht alles davon jedes Jahr). Das lustige ist, dass für jedes Kind die Promotionsordnung des Heimatkantons gilt, d.h. Fricktaler Kinder (Aargauer Regel) brauchen einen Notenschnitt von 4.7, um ans Gymnasium zu dürfen (Sie wissen, dass in der Schweiz nicht die 1 die beste Note ist, sondern die 6, oder?), während man in Basel mit einem Schnitt von mindestens 4.0 (ohne Gewähr), also: bestanden, in der entsprechenden Schulform in Basel braucht, um ans Gymnasium zu kommen.

Das heisst, die Kinder aus dem Fricktal haben meist freiwillig einen ordentlichen Extraboost bekommen, trotzdem brauchen sie einen fast um eine ganze Notenstufe besseren Schnitt als die Basler Kinder, um an dasselbe Gymnasium in Basel zu dürfen. (Fricktaler Lehrer sagen:  "deshalb schaffen die Fricktaler Kinder das Basler Gymnasium mit links", Basler Lehrer sagen: "Oh, die Kinder aus dem Fricktal, wer weiss, was die können, wir rechnen mit null Vorkenntnissen"). Theoretisch könnten Kinder aus Basel auch mit einem Schnitt von 4.0 an das Gymnasium in Aarau gehen, wo die Aargauer Kinder nur mit einem Schnitt von 4.7 hinkommen, aber naja, das ist wohl eher selten der Fall.

Die Anmeldung funktioniert so, dass man einen Erstwunsch und einen Zweitwunsch angibt. Man kann sowohl Schulhaus als auch Schwerpunktfach wählen. Wenn man also unbedingt an ein spezielles Schulhaus möchte, sollte man zwei verschiedene Schwerpunktfächer in diesem Haus wählen, wenn man unbedingt ein Schwerpunktfach möchte, sollte man zwei verschieden Häuser jeweils mit dem Wunschfach angeben. Allerdings müssen Erst- und Zweitwunsch im selben Kanton liegen und das macht es für Q. ein bisschen schwierig. Er will nämlich UNBEDINGT den Schwerpunkt Bio/Chemie wählen (verstehe ich voll und ganz), der in Basel-Land an einem Gymnasium angeboten wird, in Basel-Stadt an zweien. Er möchte am allerliebsten an eines der beiden in Basel-Stadt, das liegt auch noch sehr praktisch fast direkt am Bahnhof, so dass er pro Strecke Tür zu Tür vermutlich eine knappe halbe Stunde braucht. Das zweite hingegen liegt.... am Stadtrand von Basel und zwar an dem, der Luftlinie gar nicht so weit von uns entfernt ist und mit dem Rad (im Sommer) vermutlich auch in einer halben Stunde erreichbar ist, mit dem baselzentrierten ÖV hingegen ist man für eine Strecke im Schnitt 90Minuten unterwegs (da könnte er auch nach Aarau fahren, da kriegt er mehr Strecke für die Zeit!)

Wir haben uns erkundigt und natürlich gibt es keine Garantie, dass er am Erstwahl-Gymnasium landen wird, aber es scheint durchaus auch gesunder Menschenverstand bei der Verteilung der Kinder (jungen Erwachsenen) mit eingesetzt werden und so hoffen wir schwer, dass er NICHT am Stadtrand landet (wenn doch: vermutlich auch kein Drama, wir würden eventuell Richtung E-Bike o.ä. weiterdenken, aber erst, wenn es soweit ist.)

Alles in allem klingt das alles sehr grossartig, was Q. da die nächsten 4 Jahre erwartet.

Allgemein sieht das Gymnasium in BL/BS so aus, dass man neben den 13 (?) Grundlagenfächern, die alle bis zur Matur haben (nix mit Abwählen von Chemie nach nur einem Jahr in der Elften, wie bei uns am humanistischen Gymnasium, auch Englisch UND Französisch bleiben bis zum Schluss verpflichtend) ein Schwerpunktfach wählt, in dem man dann pro Woche 4 Zusatzlektionen hat. Da gibt es Wirtsschaft und Recht, PPP (Pädagogik, Philosophie und noch was mit P), PAM (Physik und angewandte Mathematik), Bio/Chemie, sämtliche Sprachvarianten, Bildnerisches Gestalten etc.

Dazu kommen dann noch ein Ergänzungsfach, frei wählbare Freifächer (zB die Researchgruppe), es gibt natürlich Schulorchester, Schulchor, Theatergruppe etc., Projektwochen, Studienwochen zT im schuleigenen Studienheim etc.

ALLE Gymnasien arbeiten nach dem BYOD-Prinzip, d.h. die SchülerInnen bringen ihr eigenes Laptop mit Touchscreen oder extra Graphiktablet mit und ALLES wird online bearbeitet. Es gibt keine Hefte, keine Bücher, keine Arbeitsblätter. Die Anforderungen an die Hardware sind für alle Gymnasien diesselbe und die SchülerInnen sind danach perfekt darauf vorbereitet, an der Uni so weiterzuarbeiten.

Die Schulen unterscheiden sich dann durchaus noch, nicht nur in den angebotenen Schwerpunktfächern, sondern auch durch Fokus auf:

  • Leistungssport-/Musik-/Tanzförderung
  • bilingualen Unterricht (entweder Immersion, d.h 3-4 Fächer, evtl auch Schwerpunktfach auf Englisch, oder direkt International Baccalaureate zusätzlich zur Matur, d.h. ALLES ist auf Englisch, dazu gibt es noch zwei Fächer, speziell für IB)
  • verschiedene Lerntechniken, es gibt zB entweder ein "Selbstlernsemester", wo sich die Schüler (unter Anleitung) den Lernstoff selber erarbeiten oder aber der Stundenplan ist nicht das ganze Jahr über derselbe, sondern beinhaltet  für ca 6 Wochen nur eine begrenzte Anzahl an Fächern, wird abgeschlossen mit einer Prüfungswoche, danach kommen die nächsten paar Fächer für sechs Wochen etc. Dazu wird alles Lernen, alle Hausaufgaben etc. in sogenannten INL-Stunden an der Schule erledigt (ich finde das sehr spannend, allerdings gibt es das nur an dem Gymnasium, das von uns so elendiglich lang weg ist und damit finde ich JEDEN TAG Schule von 8:00 bis 17:30h PLUS 3h Pendeln für 4 Jahre schon ein bisschen arg viel....). Dazu gibt es natürlich auch den klassischen Plan mit fixem Stundenplan und Hausaufgaben.
Wenn alles nach Wunsch geht, macht Q. ab nächstem Jahr dann folgendes:
  • Standard-Stundenplan
  • Immersion Englisch
  • Bio/Chemie-Schwerpunkt.

Das Alternativprogramm wird schwieriger zusammenzustellen, weil es mit Bio/Chemie entweder ohne bilingue den Standardstundenplan gibt, oder aber direkt IB im GBPlus-Modell. JWD. (naja, wird schon klappen.)

Alle Schulelternabende haben übrigens per Zoom stattgefunden, es gab Info-Videos zu allen Schulen, Schwerpuntkfächern etc. vorab, live konnte man Fragen an die Schulleitung, Schwerpunktfachlehrer, Immersionslehrer UND Schüler (auch ohne anwesende Lehrer) stellen. Es wurde sogar live experimentiert, es war perfekt organisiert!

Ich bin sehr gespannt, was es dann tatsächlich werden wird und wie es dann in echt ist :-).

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