Sonntag, April 19, 2020

190420: Tilt

Die Katzen geniessen den Sommer (ich nenne das jetzt mal so, es hat hier strahlenden Sonnenschein, 25 Grad oder so, mehr brauche ich nicht für Sommer. Ich verschliesse tapfer (oder doof) die Augen davor, dass der Sommer natürlich noch kommen wird und dass das hier unten 38 Grad und mehr bedeutet und das geniessen dann nicht mal mehr die Katzen, ich auf jeden Fall ganz sicher nicht.) unendlich. Jonny ist so aufgeregt jeden Morgen aufs Rausgehen, er hat schon wieder angefangen, mich (nicht mehr ganz so brutal wie auch schon) zu wecken, wenn ich zu lang schlafe und mich anzumaunzen, am Finger oder der Nase aus dem Bett zu ziehen und auch Sansa hat eine innnere Uhr, die spätestens um 6:45h, wenn das Törchen softentriegelt wird, rausrausrausrausraus will. Sie  kommen immer mal wieder staubig, aufgeheizt, mit Sommerfigur, also sehr hungrig, und dreckigen Pfoten (Ich habe Sansa einmal an einer Trockensteinmauer auf dem Werksareal gesehen: sie sitzt davor wie vor einem Whack-a-mole-Brett und schiesst mit den Pfoten in die Spalten, um Eidechsen rauszuangeln), holen sich Streicheleinheiten, Leckerli, was zu trinken und einen Snack ab und ziehen wieder los. Abends sehen sie ein, dass Schicht im Schacht ist und schlafen entweder bei L. im Bett (Jonny) oder auf unserer Kommode (Sansa).
Ich war heute sehr überrascht, dass ich wieder einschlafen konnte, nachdem ich die Katzen rausgelassen hatte und zwar grad nochmal fast zwei Stunden. Um halb neuen schreckte ich stinkwütend aus einem Alptraum, in dem unser Nachbar unseren ganzen Garten umgegraben hatte (er hatte gestern auf seinem Grundstück die Beetkanten begradigt, das scheint mir sehr nahe gegangen zu sein), fragte den Hübschen, ob er lieber früher oder später Frühstücken wollte (später), also versorgte ich L, und mich mit meinem schnellen ersten Frühstück (Marmeladezopf im Bett), um für ein Crosstrainerstündchen gewappnet zu sein. Danach alles für nochmal frische Semmeln vorbereiten, Duschen, Letzte-Ferientag-Kinder zu Tischdecken motivieren, und dann, der Tropfen, der dass Fass zum Überlaufen brachte: meine Vitamintablette mit einem Schluck Sprudelwasser runtergespült. Zusammen mit absolut unterzuckert führte das zu Schwindel, Sichtfeldverengung, Übelkeit, Panik und naja, ich bin schon besser in Sonntagsfrühstücke mit frischen Semmeln auf der Terrasse gestartet. Ging dann irgendwann wieder :-)
Sonst ein recht geruhsamer Sonntag: ich habe viel draussen genäht (vorbeispazierenden Nachbarn erklärt, dass ich  keine Masken nähe und das auch nicht vorhabe, zwei Pullilein müssen noch zugenähnt werden und dann fehlt mir nur noch meine unterwegse Jerseydrückerbestellung zur Finalisierung. Sehr, sehr niedlich ist das alles geworden!), wir haben den Schulstart morgen besprochen (wer, wann, wie, wo, welches Gerät, wann selbständig, wann Konferenz, wann Anruf, das sind jetzt 4 volle Homeofficer im Haus, dann viel Kaffee getrunken, Eis gegessen, die wöchentliche Remote-Biokistenbestellung fertig gemacht, eine Folge "Bosch" geschaut (halleluja, diesmal hat Amazon die Schweiz nicht vergessen!, Kalifornienfernweh bekommen, aber jetzt will da eh keiner hin, Grill angeworfen, lecker gegessen, eine Runde Federball im Garten gespielt, und ich hoffe, damit sind die Akkus für eine echt volle Arbeitswoche aufgeladen.
Was ich auch gemacht habe: mich temporär von Twitter verabschiedet. Meine TL, die ich eigentlich sehr schätze, und ich sind aktuell nicht kompatibel. Ich ertrage die Hysterie und Empörung (übrigens von allen Seiten, jeder findet irgendwas, gern orthogonal unterschiedlich, unglaublich schlimm / verantwortungslos / überzogen, jeder weiss alles besser, jeder hat noch irgendeinen dramatischen Artikel über irreversible Schäden irgendwoher gezogen oder Statistiken, die beweisen, dass China zu viel / zu wenig, aber auf gar keinen Fall richtig berichtet hat, irgendwelche Leute hatten eine oder keine oder die falsche Maske auf und alle die keine/eine Maske tragen, sind unsolidarisch und wir werden alle draufgehen, und das mit Recht, die einen gründen Quarantänecluster, die anderen haben Nachbarn und Verwandte, die sich an nix halten, WIR WERDEN ALLE STERBEN! es ist gefühlt alles in Grossbuchstaben, alles unglaublich aufgeregt, Hintergründe und Fakten interessieren schon lang nicht mehr, es werden einander maximal Überschriften oder Bildunterschriften um die Ohren gehauen, früher war man stolz drauf, von Mathe keine Ahnung zu haben und hat sich mit der gleichen Vehemenz drüber echauffiert, dass Kinder Primfaktorzerlegung oder binomische Formeln lernen müssen, weil das BRAUCHT DOCH KEIN MENSCH JE WIEDER, heute kennt man sich natürlich besser als jeder Statistiker oder Epidemiologe oder Virologe und auf jeden Fall viel besser als jeder beratende Experte und sowieso besser als jeder Politiker oder Schulleiter, der eine Entscheidung trifft oder ein Konzept aus dem Boden stampfen muss, mit Exponentialfunktionen, R-Faktoren, Ansteckungsraten, Mortalitätsraten, Statistik, Impfstoffentwicklung, Datenschutz, Videokonferenzen und überhaupt mit allem aus.
Und weil ich einerseits, wenn mich alle so unglaublich nerven, ja schon auch irgendwie denke, dass es vielleicht gar nicht an den anderen, sondern an mir liegt, und andererseits ja schlecht einfach ALLE Leute muten kann, und drittens echt keine emotionale Kapazität für diese fruchtlosen Diskussionen (sind es ja gar nicht, es ist vermutlich Stressbewältigung durch "Panik ins Internet kotzen" Ängste verbalisieren) habe und die Menschen in meiner Timeline ja eigentlich sehr gerne mag, nur jetzt halt nicht ertragen kann, bin ich da erstmal raus. Ich komme wieder, wenn mir ein dickes Fell gewachsen oder ich meine Wurschtigkeit gefunden habe, oder Sie alle sich mal wieder beruhigt haben und wie vernünftige Menschen twittern.
(Sehen Sie, das klingt viel härter, als es eigentlich gemeint ist, und weil ich im Moment nur so kann und aber so nicht sein möchte, bin ich mal raus da.)
In diesem Sinne, liebes Twittervolk, passen Sie auf sich auf, ich würde Sie gerne alle wieder lesen, irgendwann.

Sonst so:
Gegessen:
Marmeladenzopf, Hummussemmel
Blätterteigzwirbel, Minimagnum
Salat, Pimentos die Padron, Beyond Sausage (alter Verwalter, das ist ja eher eine sehr widerliche Angelegenheit. Schmeckt nicht nach Wurst, fühlt sich nicht wie Wurst an, schmeckt aber auch sonst nach nix und fühlt sich an wie eingeweichte, extrudierte Sägespäne mit Pappmache), frisches Brot und ein Stück Halloumi

Getragen:
Trainerhose, T-Shirt, staubige Katze

Gelesen:
"Unorthodox"

Gesehen: "Bosch"

Stressleveldurchschnitt gestern 31
Selbstbeweihräucherung: ausgeschlafen!