Freitag, August 01, 2025

010825

 Mein lieber Hübscher,

es ist fast zehn Uhr abends, ich sitze allein am Küchentisch mit einer halben Flasche ampagner und ... trinke auf deinen Geburtstag, während du frisch operiert in einem Krankenhausbett liegst.

Wie es dazu kam? (Du weisst es eh, aber das wird eins der abstrusen "Wie wir Geburtstage oder Hochzeitstage begehen"-Kapitel für die Zukunft).

Der Teil mit dem Krankenhaus:

letzten Samstag war auf einmal dein einer Ellenbogen dick und heiss und schmerzhaft, auf den du vor 11 Jahren beim Sport gefallen bist, wo dann der Schleimbeutel gerissen war, eine OP geplant war, aber nach 3 Wochen Urlaub alles tutti und halt nicht operiert wurde. Diesmal gab es genau gar keinen Anlass, sehr mysteriös. Am Sonntag war der Ellboggen noch dicker und schmerzhafter auch ohne Berührung, wir sind also in die Notaufnahme der gleichen Klinik gefahren, in der wir damals waren. Es wurde Schleimbeutelentzündung diagnostiziert, mit einem Octenisept Verband und einer Schiene und Schmerzmitteln behandelt und einem Aufgebot für die Handsprechstunde am Dienstag.

Am Montag war nicht nur der Ellenbogen dick, sondern der Arm wie ein Ballon angeschwollen von der Schulter bis zu den Fingerspitzen. Anruf in der Klinik: bitte morgen kommen, heute ist die Ärztin den ganzen Tag im OP (das ist das einzige, das wir hätten anders machen können im Nachhinein: da nochmal auf den Notfall gehen. Hätte es was geändert? Vermutlich nicht, nur im zeitlichen Ablauf). Abends: Fieber

Am Dienstag dann Handsprechstunde, die Diagnose wurde bestätigt, es wurde punktiert und 50mL (?) Grusel abgezogen, ins Labor geschickt und schon mal Antibiotika gestartet, ein Folgetermin für Donnerstag vereinbart. Abends: Fieber

Am Mittwoch wurde es teilweise ein bisschen weniger angeschwollen, aber halt nicht "yay, 24h Antibiotika, das ist der Hammer, was das Zeug kann!", abends Fieber.

Am Donnerstag nochmal Handsprechstunde, Verwunderung über den schleppenden Fortschritt, nochmal punktiert, Verwunderung, wie das überhaupt so krass werden konnte, nochmal Entzündungswerte bestimmt, hm, so weitermachen, Freitag nochmal kommen zum Anschauen vor dem Wochenende (Freitag ist heute und hier Nationalfeiertag, aber ok, auch da werden Termine gemacht).

Abends nur ganz bisschen Fieber, Stimmung im Keller, weil: WIEVIEL SCHEISSE denn noch?

Zwischeneinschub: 

Der Teil mit dem Champagner.

Wie gesagt, heute ist Nationalfeiertag und wie es sich für ein arbeitsames Volk gehört, sind die Bundesfeiern am Vorabend des freien Nationalfeiertages, dann kann man sich an dem freien Tag erholen und am 2. August wieder frisch arbeiten gehen. In Basel gibt es da (noch) ein grandioses Feerwerk, das von zwei Schiffen auf dem Rhein neben der Mittleren Brücke abgefeuert wird. Wir haben uns das schon ein paarmal angeschaut, von einem Rheinschiff, vom Ufer, von der nächsten Brücke. Seitdem mein Arbeitgeber zweimal das höchste Gebäude der Schweiz in Basel gebaut hat, jeweils mit einer Lounge oben drin, gibt es dort oben Bundesfeiern aka Partyabend mit Feuerwerk von oben gucken. Die Tickets sind sehr begehrt, ich schätze, pro Turm dürfen ... 50 Leute rein? Früher durfte man maximal eine Person pro Mitarbeiter mitbringen, mittlerweile bis zu 5,( Eintritt zahlt natürlich jede Person), und die Möglichkeit, solche Tickets zu kaufen, wird verlost. Ich habe schon mehrfach teilgenommen, nie gewonnen, dieses Jahr auch nicht, aber dann ist jemand abgesprungen und wir wurden nachgezogen. Dementsprechend hatten wir gestern abend, in vollem Frust und Verzweiflung noch Tickets für den besten Spot in ganz Basel (incl Käse und FLeischbuffet, das gab einen mittleren, berechtigten Aufschrei bei unseren Ecologicals, weil es keine veganen Optionen gab, und einer Flasche Champagner). Ich war bereit, die Tickets verfallen zu lassen, weil: ist dann halt so, wenn man  es umrechnet, ist das der Gegenwert von einer oder zwei der unzähligen Überstunden, die mir ausgezahlt wurde, aber dr Hübsche machte den coolen Call: komm, wir gehen, dann haben wir eine Ablenkung. Er bot dann auch noch an, mit dem Auto zu fahren, weil er wegen AB und Schmerzmitteln eh nix trinken konnte, damit war der Hin- und Rückweg von jeweils 80 Minuten auf 15 Minuten verkürzt. Der Abend war dann erstaunlich nett, echt schick alles, der Champagner und der Käse sehr lecker, der Blick bombastisch, das Feuerwerk dramatisch und grossartig. Getrübt (neben dem Hulk-Arm) wurde das Ganze dadurch, dass 5 Minuten vor Feuerwerk eine Frau auf der Terrasse einfach umkippte und grosse Sorge und Hektik ausbrach. Aber: neben direkt in der Notaufnahme gibt es wohl keinen besseren Platz zum Umkippen als on top of einem Big Pharma-Unternehmen, wo erstens ein Grossteil der Feiernden einen medizinischen Background hat und alle Mitarbeiter in Notfallprozeduren geschult sind und binnen weniger Minuten zwei Sanitäter der Berufsfeuerwehr vor Ort waren und während Raketen glitzerten udn funkelten, die Frau versorgten. (Es war dann gsd nur "kreislauf" und sie liessen sie sogar bleiben.). Ich bin halt auch eine halbwegs vernünftige Person und habe nicht den gesamten Champagner ausgetrunken, sondern wir sind mit einer halbwegs wieder verkorkten mehr als halbvollen Flasche nach Hause gegangen. Da gab es dann Geburtstagsbescherung, einen Minischluck zum Anstossen, Schwätzchen mit L., und dann waren wir erst um halb zwei im Bett.

So kam also die offene halbe Flasche Champagner in den Kühlschrank.


Heute morgen dann nach Geburtstagstiramisu zum Frühstück Aufbruch in die Klinik. Heute war eine andere Ärztin da, die die ganze Situation trotz weiterer Verbesserung (es ist soweit, dass Markierungen mit Edding aufgemalt wurden, um zu sehen, in welche Richtung sich die Rötung entwickelt) eher skeptisch betrachtete. Es wurde punktiert, markiert, neu und superst verbunden, eine passende Schiene rausgesucht, ein Termin für Montag superfrüh und nüchtern ("Und wenn da keine Wunderheilung eingetreten ist, dann operieren wir das. Und wenn Sie am Wochenende Fieber bekommen, dann heisst das Sepsis und Sie müssen SOFORT kommen") abgemacht. Während noch Blut für Entzündungswerte abgenommen wurde, besprach sie sich mit einer Kollegin und es gab einen Entscheid, das nicht mehr rauszuzögern, sondern direkt zu operieren (also: sobald das Frühstückstiramisu verdaut wäre, also nachmittags). Das war erst ein Bummer, aber dann passierten zwei Sachen: der Hübsche und ich kippten in den "Soldiering Through"-Modus. Da ist glasklar, was passieren muss, es gibt keine Alternative, die Prioritäten sind glasklar, man macht einfach. In dem Fall: Liste für Krankenhausköfferchen, Termine für die nächste Woche absagen (oder einen Reminder schreiben für "das am Montag morgen machen", weil es ist ja am Feiertag keiner da), den Kindern Bescheid sagen, dann ist das halt so. Und zweitens die Erkenntnis: das ist zwar richtig scheisse, den Geburtstag im Krankenhaus zu verbringen. Aber: das Wochenende mit Schmerzen, der Furcht vor Fieber (sind wir ehrlich: das Fieber war die ganze Zeit da.) und der Aussicht auf eine OP am Montag zu verbringen, das wäre noch beschissener.

Also: ich bin, sobald der Hübsche in sein Zimmer gezogen war, wieder heim, habe das Köfferchen gepackt, L. und Q. Bescheid gesagt und dann den Hübschen mit seinem Zeug versorgt und ihm Gesellschaft geleistet, bis er abgeholt wurde.

Die OP lief gut, Feedback der Ärztin: eigentlich wollte sie nur spülen, etwaiges nekrotisches Gewebe entfernen, Drainage rein, fertig. Tatsächlich aber war "der Schleimbeutel total zerfetzt und alles nekrotisch", also kam der ganze Grusel raus, gespült, Drainage, AB IV, sicher bis Montag bleiben, 3 Wochen AU. Puh. (Für mich als Laiin klingt das .... wie wenn der 2014 gerissene Schleimbeutel da gemütlich 11 Jahre vor sich hin gefault hätte, bis er am Samstag beschlossen hat: so, fertig, mir langts.)

Krasser Shit, ehrlich.

Nun ja. (Damit nicht genug, ist Deine Mutter heute das erste Mal richtig verloren gegangen und vom Pflegeheim als missing gemeldet worden. Wie gut, dass du schon wach warst und deinen Bruder zum Tracker Standort mitten in München lotsen konntest und sie am Telefon an Ort und Stelle halten.)

All das hat zum Teil länger gärenden Gedanken und Entscheidungen in die vorderen Regionen des Gehirns gespült und es wird sich wohl in den nächsten Wochen und Monaten einiges ändern (müssen). Das ist nicht immer schön, aber es ist ok. Und wie immer: wir machen all das zusammen und zusammen schaffen wir das.

So. Der Champagner ist leer, das Geburtstagsbild wurde ja heute morgen noch geschossen, kommt aber erst, wenn du wieder zurück bist, ich bin müde und erschöpft und trotz allem froh und dankbar für alles. Wäre jetzt bereit für ein bisschen subtilere Hinweise und altersangemessene Schlagzahl. (Das kam ja noch dazu: erste Woche nach dem Urlaub, erste volle Woche Vollgas im neuen Job, das war alles ein bisschen arg viel Extreme)

Ich hoffe, du hast eine halbwegs okaye Nacht, morgen bringe ich Frühstückstiramisu!



1 Kommentar:

Wölkchen205 hat gesagt…

Oh no was für ein Geburtstag aber gut das die Ärztin gehandelt hat. Er wird auf jeden Fall in Erinnerung bleiben. Gute Besserung an den Hübschen! Und viel Kraft ihnen beiden für die nächsten Wochen, für alle anstehenden Themen.