Mittwoch, Februar 21, 2018

Oompaloompa

Der Tag fing heute mit einem spektakulär in die Hose gegangenen Meeting an. Ich dachte eigentlich, das ganze ware eine Art Formsache, weil wir schon vor knapp einem Jahr genau das Thema vorwärts, rückwärts, seitwärts diskutiert hatten und nach einem sehr mühsamen Prozess (in den massgeblichen Dokumenten steht "Das wird von Gruppe A oder B gemacht." Gruppe B sagte: "Also, wir haben unseren Teil von dem Ding abgetrennt, damit must ihr euch gar nicht befassen, der Rest betrifft einzig und allein euren Arbeits-und Erfahrungsbereich, deswegen solltet ihr das machen, wir diskutieren und beraten gern, aber machen müsst ihr es." und Gruppe A sagte: "Hm. Echt? Hm. Bisher haben wir das aber nie gemacht. Hm. Ihr wollt echt nicht? Ok, dann halt." also: das war die Kurzfassung, das zog sich Wochen hin) zu einem Entscheid gekommen waren. Mittlerweile ist leider der Chef der Gruppe A in Rente gegangen und seine Mitarbeiterin, die das hätte ausführen sollen, hat die Gruppe gewechselt. Die Nachfolger wussten auf einmal von nix, wollten "ergebnisoffen" diskutieren und zogen sich auf den Standpunkt "Haben wir noch nie gemacht, uns doch wurscht, wenn das da drin steht, machen wir nicht. Punkt aus." zurück. Das fanden mein Kollege und ich verständlichermassen etwas suboptimal und als unsere Hinweise, wer helfen könnte, mit dem Satz "Ich seh uns da gar nicht als Problemowner" abgebügelt wurden, ging mir die Hutschnur hoch und nun ja, hätte ich also auch mal ein Meeting wegen "Da kommen wir nicht weiter, das ist jetzt Zeitverschwendung" abgebrochen.
Ich bin in mich gegangen und habe natürlich verschiedene Punkte gefunden, die helfen hätten können, das ganze gar nicht erst eskalieren zu lassen, aber tja nun, ich dachte, wir reden hier von einer Formsache. Kriegen wir auch alles wieder hin, was ich aber faszinierend finde: ich habe weniger Probleme damit, den Job von anderen Leuten zu machen, die sich einfach weigern oder lang genug anstellen, einfach damit es gemacht und erledigt ist (und dann ungefähr mein Leben lang auf die anderen wütend zu sein), als damit, dass ich andere Leute gegen ihren Willen dazu bringe, etwas zu machen (was IHR JOB WÄRE!!!), die dann am Ende deswegen auf mich sauer sind.
Zwei Drei VierSachen fallen mir dabei auf:
erstens ziehe ich unglaubliche Befriedigung aus "Dinge erledigen"
zweitens kann man (und tut man das auch) das und mich ganz schön ausnutzen
drittens habe ich eine innerliche Grundwut und finde das gar nicht schlimm
viertens sollte ich weniger emotional an die ganze Sache rangehen.
(Fünftens fand ich meinen Satz "Gemäss Guideline xyz Version 3 seid ihr zumindest Co-Owner des Problems" eigentlich ziemlich cool)


Danach dann Groupmeeting, wo ich mich innerlich freute wie ein Schnitzel (okay, auch äusserlich :-)), als es mal wieder ans Ämtli-Verteilen ging und ich ZUM ALLERERSTEN MAL nicht für einen "soft skill, touchy feely, gschpürschmi-KPI" wie "Engagement", "Change Management", "People", "Diversity", "Inclusion" zuständig bin, sondern vom Leadership-Team als Wunschkandidatin für das Thema "Safety" ausgewählt wurde. Haben sich die ganze Präsentationen mit .gifs von Explosionen und blumige Schilderungen von Hazard-Szenarien und letztendlich das Indien- und das Italienprojekt doch gelohnt. (nix gegen peoplediversityinclusion, alles gut und wichtig, ich mag nur nicht, dass mir als einziger Frau automatisch immer diese Rolle zukommt.)


Zu Mittag habe ich dann (mein loses Mundwerk bringt mich in Teufels Küche) festgestellt, dass ganz schön viele meiner Kollegen Wurzeln im Norden* haben, der Spinat, den es als Gemüsebeilage gab, war nämlich Grünkohl und als ich (immerhin nicht mit vollem Mund) meinte: "Boah, das ist ja ätzend, das schmeckt ja wie gekochtes Gras, nur in struppig", da sah ich mich einer anklagenden Reihe konsternierter Blicke gegenüber. Tja nun.


Abends dann habe ich mein neuestes Colourpop-Paket bei der Post abgeholt und DAS IST SO SCHÖN! Es glitzert, funkelt, schimmert und ich freue mich schon, die neuen Lidschatten, Highlighter, Lipgloss und Lippenstifte einzusetzen. Ich muss schon innerlich schmunzeln, wenn ich an meine ersten Schinkgehversuche (ein knalltürkiser Kajal von Alverde, den ich immer erst im Schulbus aufmalen konnte, weil für meine Mutter der Übergang von "Du bist viel zu jung, um dich so anzumalen" zu "Bist du nicht zu alt, um dich anzumalen?" ziemlich nahtlos war. Wobei das unfair ist, weil heute sagt sie mir das nicht mehr ins Gesicht. Früher gab es ausserdem noch verschiedene andere Spielarten, die alle irgendwie mit "Du bist doch kein billiges Flitscherl, das so die Männer auf sich aufmerksam machen muss" und "Du bist doch intelligent, du brauchst dich nicht aufzutakeln" zu tun hatten und regelmässig in "Wisch dir das aus dem Gesicht, aber zackig!" endeten.) zurückdenke. Ich habe mich jahrelang gar nicht geschminkt, die fiese Aknezeit in der Pubertät nach aussen stoisch, nach innen heulend mit unabgedeckten Pickeln überlebt ("Mal nicht drüber, das machts schlimmer", "Je mehr du versuchts, sie zu verstecken, desto mehr sieht man sie!" --> Nein. Noch besser als die leuchtend roten Krater, die sozusagen ein gelbes Warnlicht oben drauf hatten, kann man sie nicht sichtbar machen), irgendwann dann immerhin Concealer und Wimperntusche und dann sukzessive immer mehr zu nutzen. Ich habe mir das alles wohlkuratiert bei "Der blasse Schimmer" (Highlighter in den Augenwinkel! Contouring! Bronzer! Farbe! hell genuge Foundations!) und Magimania abgeschaut und angelesen und dann halt ausprobiert und geübt und mich getraut. Die grosse Brille hilft da natürlich, weil sie eine grosse Menge Farbe und Glitzer und Bunt einfach schluckt. Mit Lippenstift, v.a. mit rot und dunkel hatte ich lang Mühe (auch rein praktisch, weil ich der König des Verschmierens bis zum Kinn bin), und weil mich anfangs jeder Kommentar (nur von männlichen Kollegen, denen, ganz ehrlich, ein bisschen mehr Augenmerk aufs eigene Aussehen als "Ich habe Hose und Hemd grösstenteils an" auch nicht geschadet hätte, total verunsichert hat, aber mittlerweile stehe ich da drüber und es sagt auch keiner mehr was. Ich arbeite mich gerade an das Augenbrauenthema ran, ansonsten lobe ich mich mal selber, habe ichs schon ziemlich drauf :-).
Es hat übrigens nichts mit "Ich spiegle etwas vor, das ich nicht bin" oder "Ich hübsche mich auf, um Männer anzuziehen" oder "Ich bin unglaublich unsicher und folge einem künstlichen aufoktroyierten Schönheitsideal und lasse mich krass von der Werbung beeinflussen und unterdrücken", ich finde mich damit schöner, ich mache es gern, ich mache es jeden Morgen, es macht mir Freude und daran kann ich beim besten Wissen nichts Schlimmes finden. Wenn andere Leute sich nicht schminken, ist mir das ehrlich gesagt egal, weil: es geht mich nix an. Wenn andere Leute finden, dass ich mich nicht schminken sollte, dann ist mir das nicht so egal, weil: es geht sie nix an (ausser es geht um die Arbeit in der weissen Zone, da verstehe ich das, und da würde ich es auch nicht machen, aber ich arbeite ja in der bunten Zone woanders.)


Einen Text möchte ich Ihnen noch ans Herz legen: Fräulein Read-on schreibt über "Die Suche nach dem Korrektiv" und neben der unglaublich beeindruckenden Geschichte von der Slumklinik geht es eben auch darum, dass Gutes tun wollen halt nicht immer reicht und Macht Kontrolle braucht und Macht auch unabsichtlich ausgeübt werden kann, und dass Reden und Zuhören immer wichtig ist.


So, dann bleibt mir noch die Selbstbeweihräucherung für heute: trotz durch Meetings zerstückeltem Tag noch echt viel weggeschafft. Die Kollegen beim Kaffee zum Lachen gebracht (ich habe  aus Gründen den Oompaloompa-Song gesungen und tja nun. Hauptsach, glacht hamma!). Und ich schaffe es immer noch, mich auszukurieren und lieber hier Romane zu schreiben anstatt mich mit Nasenspray und Ibuprofen auf den Crosstrainer zu schwingen, weil Herzmuskelentzündung? Ich doch nicht.


* Das heisst für mich: nördlich der Donau.

8 Kommentare:

Helga Nase hat gesagt…

Es ist immer ein Vergnügen, Ihre “Romane“ zu lesen.

Anonym hat gesagt…

Mein Vater zum Thema Grünkohl: „gebt‘s es z‘erst da Sau, dann ess ii‘s aa!
Und wenn ich geschminkt weg wollte:“ O meiomei, hirschlederne Augndeckel und a o‘gschmirtes Maul!“ Dazu schüttelte er missbilligend den Kopf.
Das stärkt einen fürs Leben!
LG

obadoba hat gesagt…

Ohja, Grünkohl erfreut für Spinat halten und dann wirklich hart arbeiten müssen, um das Zeug nicht direkt wieder auf den Teller zu spucken. Kenn ich auch. Abomination!

Unknown hat gesagt…

..einfach endtoll wie du schreibst..ich könnte mich jedesmal wegschmeissen...also vor LAchen und finde es einfach nur toll hier zu LEsen.
Viele Grüße
Biggi

Sunni hat gesagt…

Hach, ne! Grünkohl, brrrrrr! Und im Leben lassen wir uns viel zu viel oktroyieren, nicht noch beim Schminken bitte :-) Liebe Grüße nach 8 Tagen KH, boahhh.Sunni

Graugrüngelb hat gesagt…

Ich wohne ja hier sozusagen im Grünkohlland und werde immer ganz groß angeguckt, wenn ich meinen Abscheu zum Ausdruck bringe. Und Spinat mag ich gern, das ist wirklich fies, wenn man es erst zu spät merkt.

Ich amüsiere mich übrigens immer ein bisschen über die Begeisterung für die bunten Schminksachen. ;) Ich selbst bin ja bekennende Nie-Schminkerin (weil ichs einfach nicht kann und auch nie den Ehrgeiz hatte, es mal zu lernen), finde aber die bunten Glitzer-Farben manchmal durchaus hübsch, wenn ich sie irgendwo bei dm und Co. sehe. Wenn ich dann selbst mal zum Lippenstift greife, habe ich aber immer Angst, dass es einerseits doof aussieht und dass ich andererseits irgendwo Spuren hinterlasse, wo ich keine hinterlassen möchte ... und dann rubbel ich ihn ganz schnell wieder ab. Muss mich mein Umfeld eben weiter "pur" ertragen. ;)

Anonym hat gesagt…

Ich möchte Sie ermutigen, beim nächsten Mal trotz aller Neigung zur Erledigungsbefriedigung tatsächlich mal das Problem nicht für andere zu lösen. Irgendwann steht ein Karriereschritt bevor, bei dem man von Ihnen erwarten wird, dass Sie auch Budgets und Mitarbeiter (idR zu knapp bemessen/wenige) managen - und dann gehört da auch dazu, diese Ressourcen effektiv einzusetzen, dh nicht für Aufgabengebiete anderer Budgets/Teams einzusetzen. Das geht nicht ganz ohne selbstbewusstes Abgrenzen ab, und das kann frau auch üben - vor allem auch dann, wenn frau es beim Probieren schon mal gut intern bekannt werden lassen kann. Viel Erfolg!!

PS - Ich hatte schon mal versucht, diesen Kommentar zu schreiben, bin mir aber nicht sicher, ob das mit meinem Handy auch geklappt hat.

Frau Brüllen hat gesagt…

@Anonym: vielleicht habe ich Ihren Kommentar jetzt altväterlicher und bevormundender und herablassender gelesen, als er gemeint war. Vermutlich sogar.
However:
1. Es steht nirgends, dass ich den Job für andere Menschen gemacht habe.
2. Sie wissen überhaupt nicht, was das Problem war und wer es wie hätte lösen können und ob es nicht vielleicht doch meins war. (IST! es ist ja immer noch nicht gelöst)
3. Ich möchte und brauche bittedanke keine Entwicklungstipps und Karriereberatung und Tipps für mein Arbietsverhalten. Hier. Von Leuten, die mich nicht kennnen und meinen Job nicht und nicht wissen, für welches Budget und welche Ressourcen ich aktuell verantwortlich bin oder aber auch nur vage ahnen, was meine Karrierepläne sind. Ich mache meine Job schon ganz gut und Weiss ziemlich gut, was ich kann und noch viel besser, was ich nicht so gut kann.
4. Ich habe darüber reflektiert, wie es mir mit der Situation geht und das ansatzweise aufgeschrieben. Nicht mehr, nicht weniger.