Rot sehen
Ich war zu Fuss unterwegs, am sehr frühen Nachmittag, entlang einer sehr befahrenen, für Fussgänger nicht besonders schönen und deshalb nicht besonders belebten Strecke, weil es eine nur geringfügig längere, eben aber viel schönere Alternative gibt. Ich hatte es aber sehr eilig heute.
Ich habe mich also kurz umgedreht und hatte eigentlich eine höhöhö, sich supercool vorkommende Teenietruppe erwartet. Stattdessen schlingerte ein erwachsener Mann mit dem Fahrrad hinter mir herum. Ich konnte nicht anders, als indigniert meine Augenbrauen zu heben und weiterzugehen. Er fing an, irgendetwas zu rufen, was ich erst ignorierte, bis er aufholte und neben mir fuhr und anfing, irgendwas von „Das ist aber nicht besonders anständig von Dir“ zu faseln. Ich hatte (keine Zeit und überhaupt) echt keine Lust auf eine Diskussion, rollte also weiter meine Augen und ging vor mich hin, während er neben mir hertorkelte.
Als er dann anfing, mir Luftküsse zuzuschmatzen und eindeutige Gesten zu vollführen, konnte ich nicht anders und meinte „Boah, echt, jetzt schleich dich, das ist doch widerlich.“ Er blieb stehen, drehte sich um, schaute mich an, schlug mit der einen Faust in die flache andere Hand und … mir war gar nicht mehr wohl. Ich merkte, dass eine Art Fluchtreflex einsetzte und ich überlegte, dass ich, wenn ich bereit wäre, umzudrehen, einen Riesenumweg unter der Brücke durch zu nehmen, zu spät zu meinem Meeting zu kommen, und dem Typ das Gefühl zu geben, es mir gezeigt (was auch immer) zu haben, dann wäre das schon möglich.
Und als ich das merkte, dachte ich mir: „Ganz sicher nicht.“ und mir wurde innerlich ganz heiss und zittrig, aber ich beschloss, dass ich trotz ungeeigneter Kleidung (Wickelkleid, Mantel, halbwegs hochhackige Stiefel) und Ausrüstung (Arbeitstasche mit Laptop und grosse zwei Pakete für Twitterpost unter dem Arm)
ich trage heute total souverän konstantin, die postschildkröte von meeting zu meeting cc @diepebbs 😂 pic.twitter.com/aw2M1I3X4i— Frau Bruellen (@FrauBruellen) 24. November 2016