Montag, März 09, 2015

Nobelpreisträgerbesuch

Wer in einem so stark behördlich regulierten Umfeld arbeitet wie ich, ist Inspektionen und Audits gewohnt. Die Gesundheitsbehörden aller Länder, in denen wir Medikamente zugelassen haben, dürfen uns nach Voranmeldung (ohne Voranmeldung darf das nur die Gesundheitsbehörde des Landes, in dem der jeweilige Standort sich befindet, das heisst dann "dawn raid" und dafür gibt es genaue Verhaltensrichtlinien, aber ich schweife ab, in unserem Falle wäre das die Swissmedic bzw ihre lokalen Vertreter, das "Regionale Heilmittelinspektorat") genauestens unter die Lupe nehmen.

Solche Audits sind natürlich nötig, um sicherzustellen, dass wir das tun, was wir müssen und behaupten zu tun, andererseits aber ein Riesenaufwand, weil man ja einerseits auf einen positiven Bericht mehr oder weniger angewiesen ist und alles, aber auch wirklich alles dafür tut, damit man den Inspektoren zeigen und beweisen kann, dass man sich an die gesetzlichen und firmeninternen Richtlinien hält, d.h. die entsprechenden verantwortlichen Personen stehen für die Dauer der Inspektion mehr oder weniger Gewehr bei Fuss, das Archiv ist in Alarmbereitschaft, jederzeit die gewünschten Dokumente rauszusuchen, man arbeitet so reibungslos zusammen, wie sonst fast nicht vorstellbar, schliesslich steht mehr oder weniger die Betriebserlaubnis auf dem Spiel. Andererseits dürfen die Inspektoren nahezu alles sehen, gezeigt bekommen wollen, und all diese Dokumente, Leute und Bereiche in dem doch meist kurzen Auditzeitraum (meist 2-3 Tage) on short notice (die Inspektoren wären ja doof, wenn sie schon im Voraus ankündigen wollten, was sie im Detail sehen wollen) ranzuschaffen, logischerweise neben dem Normalbetrieb, das ist schon eine organisatorische Herausforderung. (Nebenbemerkung: deswegen nervt mich das immer so ein bisschen, wenn behauptet wird, Zertifikate könne man kaufen und die seien deshalb nichts wert. Gesundheitsbehördeninspektionen kann man weder kaufen, noch kann man betrügen: wenn man Dokumente oder Prozesse nicht langfristig im Griff hat und korrekt handhabt, schafft man das niemals, die in dem kurzen Auditzeitraum auf korrekt zu trimmen. Dafür sind es einfach viel zu viele Daten, um die es geht. Abgesehen davon, dass wir das natürlich nicht nötig haben, also, das Bescheissen oder Kaufen).

Neben diesen sehr aufwendigen Audits gibt es natürlich noch weniger aufwendige, zB Kundenaudits und Spezialfälle, wie zB Kosher- und Halal-Audits. Wobei: die kenne ich von meinen früheren Jobs; als ich die Rabbi-Besuche bei uns vermisste, sagte mir ein Kollege, für Medikamente gälten die Kosher-Vorschriften (und auch halal?) nicht, die wären ausgenommen und auch strenggläubige Juden (und Moslems?) dürften zB lebensrettende Medikamente nehmen, auch wenn die in zB Gelatinekapseln, die aus Schweinehäuten gewonnen wird, nehmen. Aber dazu weiss ich zu wenig darüber. Ich weiss nur, dass ich schon mehrere Rabbis durch Chemieanlagen geführt habe und Zertifikate für koshere Natronlauge etc. ausgefüllt habe.

Und dann gibt es noch ganz andere Inspektionen, nämlich zum Beispiel die der OPCW, der Organization for the Prohibition of Chemical Weapons (die haben 2013 den Friedensnobelpreis bekommen). Und nein, wir stellen natürlich keine chemischen Waffen her, aber so wie man zB Essigsäureanhydrid für eine Vielzahl "harmloser" chemischer Synthesen und eben auch für die Umsetzung von  Opium zu Heroin verwenden kann und deswegen beim Kauf eine "Endverbleibserklärung" abgeben muss, kann man zB Thionylchlorid für 14576 "harmlose" Reaktionen und für die Herstellung von Sarin benutzen. Machen wir natürlich nicht, aber nachdem die Schweiz die "Chemical Weapons Convention" unterzeichnet und ratifiziert hat, sind wir verpflichtet, das auch kontrollieren zu lassen. Und so kommen dann immer mal wieder mit relativ kurzer Vorankündigungsfrist Chemiewaffeninspekteure zu uns. Das ist, und das klingt jetzt doofer als es ist, eine echt interessante Abwechslung im Inspektionshamsterrad, weil da ganz andere Prioritäten dahinter stecken. Es kommt da normalerweise eine international gemischte Truppe von der OPCW, begleitet von Experten des Labor Spiez, begleitet von Vertretern des SECO, chauffiert von Militärpolizisten. Nicht unbedingt unsere übliche Besucherklientel. Und es steht auch nicht unser Qualitäts- oder Sicherheitsbewusstsein und -system auf dem Prüfstand, sondern inwieweit die Schweiz (und wir) sich an internationale Verträge hält. Sehr, sehr spannend.

Und deswegen ist es kein Grund, Panik zu bekommen, wenn sehr deutlich als solche erkennbare (also zB an den ca 20 cm hohen Buchstaben ;-)) Militärpolizeifahrzeuge vor dem Haupteingang parken.

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