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Freitag, August 04, 2017

Bettenwechsel

Im Mai 2003, da habe ich noch nicht gebloggt (ja, diese Zeiten gab es mal. Aber, und das mag einige schockieren, auch damals gab es schon Blogs :-)), da haben der Hübsche und ich mal eine Nacht ni der Notaufnahme des Unispitals in Basel verbracht (warum, ist eigentlich egal, aber es war sozusagen eine Übung für die Herzssache mit Little L. dann viel später), d.h. er lag an drölfzig Apparate angeschlossen auf einer Liege, ich sass mit kleinen Augen neben ihm, um uns rum war so ein Rundumvorhang, so dass wir nur akustisch das Treiben in der Notaufnahme am Samstag abend verfolgen konnten. Wir hörten Rettungssanitäter volltrunkene Menschen zum Bleiben überreden ("Nein, Sie können nicht heimlaufen, das Bein ist praktisch ab."), wir hörten hungrige Menschen um wenigstens eine Wurstsemmel bitten, und wir hörten die gesamte Anamnese und Vorgeschichte der älteren Dame im Kabäuschen neben uns: "Gestürzt, Schmerzen in der Hüfte ---> Röntgen", dann kam der nächste Arzt "in die Knie gegangen, irgendwas rausgesprungen, umgefallen ---> Ultraschall, Röntgen, Schmerzmittel", dann kam ein Pfleger "Es ist so heiss, mir ist ganz drümmlig, ja, könnte sein, dass ich zu wenig getrunken habe --> Infusion") und ich dachte bei mir: "Gute Frau, get your story straight! Du erzählst jedem was anderes, entweder war das ein echter Scheisstag für dich oder du hast massive Gedächtnisprobleme, weil das, das passt alles nicht zusammen und ich bin gespannt, wann all die Medikamente in Dir drin in einem Riesenmischmasch explodieren."
Tja. Und irgendwann dann musste ich mal kurz auf die Toilette und habe mich aus unserem Vorhangkabäuschen rausgeschlichen, um zwischen allen Besoffenen, Junkies und alten Frauen sicher aufs Klo zu kommen, da sah ich, wie eine alte Frau aus dem Nachbarkabäuschen rausgerollt wurde (vermutlich zum Röntgen von Kniehüfterücken) und direkt eine neue rein. Und mir wurde klar, dass das die ganze Zeit nicht nur eine Frau mit einem echt doofen Tag gewesen war, sondern eine ganze Reihe mit jeweils nur einem normal doofen Tag.


Warum ich das heute schreibe? Ich hatte gestern eine Art Deja-Vu und zwar nicht in Sachen Notaufnahme (phew), sondern vom Balkon aus.
Der Hübsche und ich setzen uns bei immer noch knapp 30Grad auf unser Balkonsofa, um zwei Folgen "Modern Family" auf dem Laptop anzuschauen (ganz romantisch mit Kopfhörern und so einem Splitstecker) und die WLAN-Verbindung ruckelte immer wieder, so dass wir das Schauen immer mal wieder unterbrechen mussten. Und in diesen Unterbrechungen hörte ich den Teenie (ich sag immer Teenie, schon seit wir hier vor 10 Jahren eingezogen sind, da war er aber vermutlich schon 13, 14) von ein paar Häusern weiter auf der Terrasse telefonieren. Lang, laut, ausdauernd, emotional. Ich war erst überrascht, dass er überhaupt freiwillig so viele Worte in vielen langen Sätzen aneinanderreihte, ich höre sonst seit eben 10 Jahren eher nur so halb verschluckte "Hoi" oder "Grüezi", wenn überhaupt, aber irgendwann bekam ich den Zusammenhang mit: er telefonierte mit seiner Freundin und es war kein liebevolles Telefonat. Es ging viel um "Du Schissbitch hesch mis Läbe zerstört" und "Ich han dir vertraut" und, da musste ich ein bisschen lachen "Ich weiss nyt, was by dir falsch isch. Dini Familie isch eigentlich normal, sogar dini Schissschwöschter teilt sich en Hund mit ihrem schiss-Ex, die schafft des au, da e verfickti Schissbasis bizbhalte, aber Du, Du häscht mi zerstört. ZERSTÖRT!"
Naja, man kann das jetzt natürlich fies finden, dass ich da gelauscht (und geschmunzelt) habe, aber man muss solche Telefonate auch nicht im Sommer abends in totaler Stille auf der Terrasse im Reihenhausgebiet führen, wo ... man alles überall hört. Nun ja. Was mich (neben der schieren Menge an Worten) am moisten verwundert hat, war, wie lange dieses Telefonat dauerte. Wenn mich jemand "verfickte Schissbitch" nennen würde, hätte ich ratzfatz aufgelegt und würde nicht drauf warten, dass mir für "Samschtig, ich schwör, Samschtig," eine "Ich schwör, allerletzte verfickte Schisschance" angeboten wird. Und wenn mir jemand "Mis Läbe ZERSTÖRT, ich schwör, ZERSTÖRT, ich wär für dich gstorbe, aber das kasch vergässe!" hätte, dann würde ich das auch nicht über zwei Stunden lang diskutieren. Aber gut, ich bin natürlich alt und weise und abgestumpft, vielleicht fehlt mir der hormonelle Gefühlsüberschwang der Jugend, um das zu verstehen,
Oder aber, und da schlage ich den Bogen zu der alten Frau mit dem Scheisstag (bleiben wir mal bei der Fäkalsprache) von 2003: vielleicht, nur vielleicht, war das gar nicht nur eine Freundin, die da abserviert wurde. Ich habe das ja ales nur bruchstüchhaft in WLAN-Unterbrechungen mitgekriegt und vielleicht waren das in Wirklichkeit zb 5 verschiedene Gespräche und ein ganzes Portfolio an Mädchen wurde da abserviert? Ich finde diesen Gedanken nicht mal viel abwegiger als dass sich eine einzige Person über Stunden so eine Suada anhört


Man weiss es also nicht und darf gespannt bleiben, was am Samstag bei der "allerletzten verfickten Schisschance" rauskommt.

1 Kommentar:

  1. Oh, oh Drama Baby, Drama.
    Aber den Spannungsbogen hätte ich jetzt schon gerne gelöst. Bin gespannt auf den Post am Samstag ! Wir haben übrigens seinerzeit fast drei Jahre lang unserem Münchner HinterhofBalkon am Leben der Dame gegenüber teilgenommen. Und sie Christiane getauft. Ihr Freund hieß Christian, darum. Ihren Namen haben wir nie herausbekommen.

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