Diese Platinnetze also wurden von den Praktikumsassistenten ausgegeben und mussten nach der bestandenen Analyse sauber wieder zurückgegeben werden. Das war natürlich immer so eine Sache, weil: Platin ist teuer, d.h. die Assistenzen mussten wie die Haftlmacher dahinter sein, dass nichts davon wegkam (ich glaube nach wie vor nicht, dass es einen Rohstoffschwarzmarkt gibt, wo man als Chemiestudent mit einem abgeknippsten Stück Platinnetz reich wird, aber sei‘s drum.) Als wurde für diese Netze so eine Art Übergabeprotokoll ausgefüllt, wo das Netz zum Ausgabezeitpunkt und zum Abgabezeitpunkt gewogen wurde. Wenn es beim Abgeben dann leichter war als vorher, war es natürlich blöd, wenn es schwerer war, übrigens auch, weil dann hatte man das Kupfder oder Silber nicht wieder ordentlich saubergemacht und SACHEN SCHMUTZIG ZURÜCKGEBEN, das war ja eine Todsünde.
Wie gesagt, ich musste das nie machen (übrigens habe ich auch nie Stickstoff nach Kjeldahl oder Wasser nach Karl Fischer bestimmt, aber das nur am Rande. Ich bin trotzdem eine echte und richtige Chemikerin, glaube ich), ich weiss nur vom Hörensagen, dass das ein Riesengewürge war.
Später, während der Doktorarbeit dann war ich auch selbst Praktikumsassistentin, aber das soll hier nicht Thema sein (ich habe ganz viele Lebensmitteltechnologen und Bierbrauer davon abgehalten, sich leichtfertig mit Zyankali umzubringen), ich war ausserdem Edelmetallwart. In unserem Arbeitskreis haben wir uns nämlich mit Metallkomplexen befasst, das sind Moleküle, die in der Mitte ein Metallatom haben und dann ganz abenteuerliche andere Moleküle drumrum, die heissen dann Liganden. Die Metallatome in der Mitte waren in unserem Fall immer Edelmetalle und die sind natürlich teuer. Und weil Unis anscheinend notorisch knapp dran sind, haben wir die meisten dieser Ausgangsverbindungen als Spenden von Industrieunternehmen bekommen. Der Edelmetallwart hatte dann eben die Aufgabe, den Bedarf einzuschätzen und diese Spenden
Die Platinnetze für die Praktika wurden übrigens auch dort aufbewahrt
Wenn irgendwas knapp wurde, durfte ich den Edelmetallkatalog von zB der Degussa (mei, damals!) rausnehmen und neue Spenden erbitten. Das erste Mal sind mir da dann die Gäule ein bisschen drugegangen und ich habe irre viel angefragt, manches auch nur, weil ich den Namen so toll und spektakulär fand, das haben wir dann leider nicht alles bekommen.... Am liebsten waren mir die Ampullen mit Osmiumtetroxid, das sieht wunderschön aus. Dass es hochgiftig ist, macht natürlich auch einen gewissen Reiz aus. Gebraucht hat das zu meiner Zeit übrigens niemand, aber in der Hand hielt ich sie gerne, so unter dem Tisch bei der Sekretärin.
Nun ja, tempora mutantur und jetzt habe ich hübsche Platinnetze in den Ohren hängen und unterschreibe regelmässig Edelmetallrecyclingbögen, wenn wir multi-kg-weise „verbrauchten“ Katalysator zur Wiederaufbereitung schicken. AUF meinem eigenen Schreibtisch und ganz ohne Safeschlüssel.
*Das war übrigens eine meiner Hauptaufgaben in dem Industriepraktikum, das ich bei einer ehemals grossen deutschen Chemie- und Pharmafirma gemacht habe, die es auch schon nicht mehr gibt: ich habe einen 35L-Plastiksack voller 0.1g-Fläschchen Rh(III)Cl3-Hydrat hingestellt bekommen und musste so viele davon öffnen (aufschrauben, Siegel abreissen, ausleeren), bis im Kolben 12.3g Pulver waren. Ich bin auch heute noch fest davon überzeugt, dass es das bestimmt auch in grösseren Portionen gegeben hätte.... aber die Firma wird nicht nur an dieser speziellen Ineffizienz zugrunde gegangen sein.
PS und OT: morgen ist wieder WMDEDGT? aka Tagebuchbloggen im März!
Vielen Dank für Frau Brüllen an die Erinnerung an eine Zeit in der ein Chemiestudium für mich Stelle 1 der persönlichen Ziele stand, nach 2 Semstern Chemie (aber mit Praktika in Anorganischer Chemie, sowohl Quali als auch Quanti) habe ich dann doch die Verfahrenstechnik aus dem Blickwinkel des Maschinenbaus vorgezogen.
AntwortenLöschenIch bin aber doch erstaunt, wie viele Wörter ich noch so kenne.
Noch mal vielen Dank!
Herzlicher Gruß,
Britta Studen
Ach wie schön ... Ionenlotto ... ich erinner mich gut. Vorallem an das TAA undcden vielrn Platz in der Straßenbahn, wenn ich nach Stunden in diesen Dämpfen nach Hause gefahren bin. Für die Praktika meine X Semester Chemie geliebt, für ein paar andere Dinge nicht. Deswegen ist wohl keine echte Chemikerin aus mir geworden. Nur eine abgebrochene ... Sei es drum. Wiegen hab ich auf jeden Fall gelernt ;-)
AntwortenLöschenLG von der Küste
Anci