So, nächster Versuch, nachdem ich den ersten Roman incl Bildern souverän mit einem Wisch gelöscht habe.
Kayaken.
Das war (neben dem Heringsmuseum, aber das kommt ja erst noch, Spannungsbogen will aufgebaut sein) das Herzstück unserer Nordislandreise dieses Jahr. Ich hatte uns relativ schnell die Westfjorde rausgesucht, relativ schnell das Naturschutzbgebiet Hornstrandir als Ziel, eigentlich zu alleine Wandern. Dann habe ich gelesen, was man alles falsch machen kann und ich wollte nicht gerettet werden müssen, also habe ich uns auch recht schnell einen Touranbieter in Isafjördur rausgesucht, der schon in unserem 2013-Reiseführer gepriesen wird und heute immer noch, nämlich Borea Adventures. Ich hatte den Trip schon rausgesucht (ein bisschen analog zu dem Kayaken in Kanada, Camping für bequeme Leute, die kein Zelt schleppen wollen und nicht auf dem Boden schlafen wollen, Guides, die dafür sorgen, dass man nicht verloren geht oder eingeschneit wird und die einen verpflegen, klang alles gut. Der Hübsche war sold, bis ich sagte: "Ach, und btw, sie bieten auch Kayaken an, aber das haben wir ja schon gemacht". Und der Hübsche meinte: "Ja, klar, aber das war sooooo super, das machen wir nochmal".
Also: Umgeplant, alles ging sich aus, und seitdem habe ich mir Gedanken gemacht, ob ich "challenging" durchhalte, habe Kayakmuskeln trainiert, irgendwann kam dem Hübschen der grosartige Gedanke, dass wir ja, was "echte" Kayaker nie freiwillig machen würden, in einem double fahren könnten und ab dann war ich eigentlich beruhigt.
Wir hatten (wie immer) die Packliste ausführlich studiert, alles dabei, und waren rechtzeitig in Isafjördur, um am Vorabendbriefing teilzunehmen.
Da lernten wir: es wird ein "Boys only und ich"-Trip werden.
Unser Guide Lukas kommt aus Tschechien, ist auf Skiern geboren, hat nach Ende seiner Slalomkarriere an der Freeride Worldtour teilgenommen und ist seit 10 Jahren in Island. Sein Herz hängt am Skiern und dem Surfbrett (am besten geht das in Island im Winter und es ist genauso kalt, wie man denkt). Er ist Expeditionsguide für Gott weiss wie abgefahren und abgelegen und kayaken kann er natürlich auch.
Unsere Mitpaddler waren beides Amerikaner und alle drei würden uns nach dem Luxusteil an der Lodge alleinlassen und dann ncoh 3 Tage weiterpaddeln, mit längeren Querungen, mit Camping statt Haus/Hütte und nein danke.
Tim stammt urprünglich aus Massachusetts, lebt aber seit 21 Jahren in Hongkong und kayakt überall auf der Welt, mindestens einmal pro Monat.
Ed lebt in Seattle, hat seine Militärzeit in Alaska absolviert, war Surveyor einer Baufirma, macht jedes Jahr einen langen Solotrip entweder mit dem Kayak oder halt Wandern (Kungsleden, Arctic Circle trail, you name it) und kayakt mehrmals die Woche auf dem Puget Sound in Seattle.
Meine leise Hoffnung, dass das alles nicht ganz so ernst gemeint wäre und auch Leute mit keiner Erfahrung und in Flipflops das schaffen könnten und zur Not wird man abgeschleppt, war also nix.
Uns wurde fast verschämt ein Doppelkayak angeboten, das wir natürlich mit Handkuss annahmen. Dann wurden wir in in Wetsuits etc gepackt, alles in Ikeataschen bereit gestellt und wir kamen dann am nächsten Morgen zurück.
Verabschiedet wurden wir von einer sehr anhänglichen Hafenkatze:
Das rechte ist "unseres"
Beim Auslaufen der "Fähre" voller Wanderer und uns waren schon wieder zwei neue Kreuzfahrtschiffe da und Tim machte sich einen Spass draus, alle Wanderer zu fragen, ob sie von einem der Schiffe wären und einen Tagesausflug machten. Alle wiesen das empört von sich :-), wobei der Antwortvorschlag der Kaltmamsell "I am actually the captain and this is my day off" noch viel besser gewesen wäre.
Unser Ausstieg war Hesteyri, die ehemalige Hauptiedlung auf Hornstrandir. Das Haus des Doktors (als er die Halbinsel verliess, mussten auch alle verbleibenden Bewohner gehen, weil es keine Möglichkeit der medizinischen Versorgung mehr gab. Auch vorher bedeutete das, dass im Krankheitsfall der Arzt zum Teil mehrere Stunden zum Krankenbett wanderte oder die Familie den Kranken per Boot oder geschleppt zum Arzt brachte) wird im Sommer als Cafe und Unterkunft für Wanderer und Kayaker betrieben, ansonsten sind alle Häuser leer / werden von den Erbenfamilien der ursprünglichen Besither als Sommerhäuser genutzt.
Es gibt keinen Strom, ausser aus Generatoren / Solarpanels /einzelnen Windrädern, natürlich keinen Handyempfang, alle Vorräte (ausser Rhabarber, Heidelbeeren, Wasser und Pilzen) müsse per Boot organisiert werden.
Wir sind recht schnell in unsere Kayaksachen geschlüpft, haben alles, was wir nicht für den Tag brauchten, im Doktorhaus gelassen und dann ging es los.
Positiv im Vergleich zu Kanada: die Neoprenboots blieben trocken, wir paddelten also mit wamen Füssen.
Das Paddeln ging an sich recht gut, ich Depp hatte nur auf die Radhandschuhe verzichtet und binnen 15 Minuten eine offene Blase am linken Daumen. Blasenpflaster lagen (da gehören sie ja auch hin) im Doktorhaus, aber allein das verspätete Anziehen der Handschuhe machte es tatsächlich erstaunlich ok.
Meine Arme brannten trotz Kayakmuskeltraining nach ungefähr 30 Minuten wie Feuer, aber das legtes ich, respektive wsr tatsächlch genau jede Tag so, anscheinend brauche ich 30 Minuten Aufwärmzeit und dann gehts.
Mittagspause gab es unter einem Wasserfall, wir hatten Lunchpakete mit Bagels und einem Stück Kuchen dabei und meine Güte, war das gut!
Beim Zurückpaddeln (insgesamt waren es vielleicht 12 km, also eigentlich überschaubar) war das fieseste Stück das, als wir Hesteyri schon sahen, aber Gegenwind hatten und gefühlt überhaupt nicht vorwärts kamen. Aber: wir haben es geschafft und ich lief mit stöckchenartig herabhängenden Armen steifbeinig vom Strand nach oben.
Nach Umziehen in "echte Kleider" warteten nicht nur unendlich viel Kaffee und entweder Rhabarberkuchen (yes, immer!) oder frische Pfannkuchen (da war der Hübsche sehr grosser Fan) auf uns, sondern auch ein kleiner (naja, vermtutlich normal grosser) Polarfuchs auf uns, der jeden Abend um das Haus streicht und überhaupt keine Angst hatte. Ich erinnere mich noch, wie die Kinder seinerzeit in unserem ersten Dänemarkurlaub immer "Zug, Zug" riefen, wenn die gelbe Heidebahn vorbeifuhr, und ans Fenster rannten. Hier war es "Fox, fox" und alle rannten an die Tür und schlichen dann leise raus und setzten sich mucksmäuschenstill auf die Veranda.
Aus den alten Zeiten sind nur noch ein paar Überreste vorhanden. Habe für meine Kollegin die Lidocain.Ampullen fotografiert.
Vor dem Abendessen bin ich noch schnell unter die Dusche gesprungen. Es gab ein geteiltes Badezimmer für alle Übernachtungsgäste (ausser uns fünf noch zwei Wanderinnen), das ging aber super. Ich war erst etwas perplex, als ich lernte, dass wir fünf uns auch einen Schlafraum teilen würden, aber naja, dann ist das so. Ich habe schon lang nicht mehr in einem Stockbett geschlafen, gsd wollte niemand sonst oben schlafen, also übernahmen das der Hübsche und ich.
Nach dem Abendessen haben wir dann (es ist ja hell) noch ein Ründchen gemacht. Wir hatten ein ganz schlechtes Gewissen, als wir irgendwann den Pfad verloren haben und über Stock und Stein und Moos und Heidelbeeren und Heidekraut gelatscht sind, weil das macht man nicht und Erosion und was weiss ich. Aber: es hat praktisch keine Pfade auf Hornstrandir, also ist ds ok. Hat ja auch kaum Leute.
Vor dem nächsten Kayaktag hatte ich den grössten Respekt, wir würden nämlich zur Kviar Lodge paddeln, unserem nächsten Übernachtungpunkt. Und die ist halt da, wo sie ist, also keine Möglichkeit zum Abkürzen oder "vielleicht nicht ganz so weit".
Aber: wir hatten so Glück mit den Bedinungen, eigentlich den ganzen Trip, es war wie Paddeln durch flüssiges Glas. Kaum Wind, kaum Strömung (respektive Lukas hatte das alles so im Blick, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren) und so war es nach dem Armbrennen nach der ersten halben Stunde nur noch schön.
Mittagspause in einer kleinen Lagune, die durch Ebbe noch viel kleiner und flacher wurde.
Mittagspause in einer kleinen Lagune, die durch Ebbe noch viel kleiner und flacher wurde.
Beim Wiederrauspaddeln schafften der Hübsche und ich es, uns so auf einem Stein festzufahren, dass es weder vor noch zurück ging und als wir so ein bisschen ruckelten, kippte das Boot immer mehr zur Seite. Lautes Quieken, einmal bis zur Schulter eintauchen und zack, wir waren nicht, wie angenommen, gekentert, sondern freigeruckelt. Lukas .. naja, lachte uns nicht aus, meinte aber auf unsere aufgeregte Schilderung hin: "Well, even if you would have flipped, you could just have stood up and got back in". und er hat schon recht, aber aufregend war es schon.
Beim Weiterpaddeln rief Ed auf einmal: "I think, there is a dolphin" und dann war es nicht nur einer, sondern vielleicht 20. Sie sprangen und spielten und dann kamen sie direkt auf uns zu und sprangen und schwammen einfach mitten durch unsere Gruppe hindurch. Das war ein sehr grossartiges Erlebnis (keiner ausser Tim mit der sprachgesteuerten Goprp) hat irgendeinen Bildbeweis davon, aber es war DAS Gesprächsthema für den ganzen Tag.
Weiter ging es an der Küste entlang, das Wasser einfach kristallklar (es gab 2 Sorten Quallen, Seesterne, Seeigel und natürlich jede Menge Vögel. Ich kenne mittlerweile Schwäne, Eiderenten, Papageientaucher, grosse Möwen, kleine Möwen, die weiss-schwarzen, die gern vom Auto überfahren werden, Sie sehen, ich lerne).
Interessante Geschichte über Schwäne (ich wusste gar nicht, dass sie ausserhalb von Stadtparks leben und zB in den kalten Fjorden Islands sehr happy sind): vor ein paar Jahren haben Wanderer aus Reykjavik auf einer Juniwanderung in Hornstrandir (= immer noch viel Schnee) riesige Spuren und riesige Kackhaufen entdeckt. Alle paar Jahre stranden Eisbären von Grönland auf Hornstrandir und sind dann dort total entrkäftet (und dementsprechend sauer und hungrig). Weil es keine Möglichkeit gibt, die Bären nach Grönland zurückzubringen oder in Island zu lassen, werden sie, sofern sie nicht eh selber schnell sterben, erschossen. Sehr traurig und schade. Hornstrandir ist also DAS Landegebiet für diese Eisbären. Die Wanderer aus Reykjavik haben also bei der Küstenwache angerufen, die Spuren und die Kacke gemeldet und dann ging es los: Helikopter stiegen auf, alle Wanderer wurden von der Halbinsel evakauiert, die Helikopter landeten zB auch mitten in der Nacht neben dem Basecamp von Borea und nahmen ALLE mit. Was sie nicht fanden: einen Bären.
Sie gingen also die Spuren anschauen und waren beeindruckt von der Grösse und auch von der Grösse der Kackhaufen. Also wurde ein Kackemuster eingetütet und in der NAcht nach Isafjördur zu einem Experten gebracht. Der war dann not amused, weil er geweckt wurde, um ...... Schwanenscheisse zu identifizieren.
Um ein bisschen die Ehre der Küstenwache zu retten (im Verständnis der Westfjordbewohner sind "Wanderer aus Reykjavik" der ignoranten Grossstädter, also von denen erwartet man nix anderes): im Juni wird es wohl schon so warm untertags, dass der Schnee anschmilzt und Spuren und Kacke verlaufen und dann grösser aussehen, als sie eigentiich sind.
Und dann.... waren wir auch schon da, nach ungefähr 15km paddeln incl zweier Fjordquerungen, angekommen in Kviar.
Dieses Haus war früher Teil einer Siedlung von ungefähr 6 Häusern und wie alle verlasen. Der Gründer und Besitzer von Borea wollte es von ca 15 JAhren von den Eigentümern (6 Familien der 6 Kinder des letzten Besitzers, mittlerweile verstreut in alle Welt) kaufen und von dort Skitouren anbieten. Aber: obwohl das Haus total verfallen und eh nicht nutzbar war, brachten die Eigentümer es nicht übers Herz, es zu verkaufen. Also gab es einen anderen Plan: Borea hat es renoviert (und zwar richtig toll, besonders, wenn man die Bilder von vorher ansieht), dafür dürfen sie es als Basis für Skitouren und Unterkunft für Kayaktrips etc nutzen, die Besitzerfamilien bekommen es für vereinbarte Zeiten im Sommer für sich und dürfen die Bootsfahrdienste von Borea beanspruchen. Damit scheinen alle ok zu sein.
Wilder Rhabarber überall!
Nach Umziehen und Kaffee machten der Hübche und ich uns auf einen recht spontanen Hike zum Wasserfall hinter dem Haus (war dann insgesamt doch 3h hin und zurück, weil es wie gesagt keinen Pfad gab und wir immer schauen mussten, weder irgendwo reinzufallen noch in einem Sumpf stecken zu bleiben. Aber: so schön!
Nach dem Essen wurde die Saune hinter dem Haus angeheizt (klassisch mit Holzofen) und meine Güte, war das gut! (In Island geht niemand nackt in die Sauna, alle immer mit Badekleidern)
Zum Abkühlen ging es entweder ins Meer oder den Gletscherfluss nebendran. Angeblich war das Meer wärmer, mir war der Fluss doch viel lieber.
So sieht der dieselbetriebene Herd (es gibt auch noch einen mit Gas) und Backofen aus. Ich hätte ja Angst, alles in die Luft zu jagen, aber das gehört anscheinend zur Ausbildung von Borea-Guides.
An Tag drei ging es nach perfektem Frühstück in den Lonafjördur. Wieder perfekte Bedingungen (Lukas: Wenn das noch länger so ist, ist es fast ein bisschen langweilig), wir sahen zwei Buckelwale, allerdings nicht besonders nah (im Kayak muss ich es auch nicht besonders nah haben).
Mittagspause am Ende des Fjords, angeblich waren neben dem Flüsschen dort sehr, sehr tiefe, grosse Spuren zu sehen, später kam noch ein Helikopter der Küstenwache, und wer weiss, ob Schwan oder Eisbär, wir waren auf jeden Fall wieder auf dem Rückweg, begleitet von Seehunden, die sichergehen wollten, dass wir wieder wegwaren.
Der Rückweg wurde dann insofern ein bisschen anstrengend, als die Sonne richtig runterbrannte und wir in den Drytops richtig warm bekamen (die anderen drei hatten Drysuits an und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie die geschwitzt haben).
Am Strand wurden wir direkt von einem Fuchswelpen begrüsst (kein Foto, ich konnte meine Arme nach drei Tagen Kayaken nicht mehr heben).
In Kviar: Boote ausladen, umziehen, Kaffee trinken, Suppe essen (es war gerade eine Wanderergruppe gekommen, die dort dann vom Boot abgeholt wurden), und dann eine Wanderung zum Bergrücken, auf dem es ganz oben HAndyempfang gibt (markiert durch ein grosses Steinmännchen). Erst dort haben wir erfahren, wie es auf dem Jamboree sideways geht. War eine interesante Erfahrung, in wenigen Minuten von einer Freundin den 20 Minuten Artikel zu bekommen, dann die offiziellen Verlautbarungen des Schweizer Kontingents, die Mails der Truppleitung der Kinder und natürlich die Instabilder der Kinder.
Der Hübsche telefonierte dazu noch mit seiner Familie und wir waren alles in allem recht bedröppelt, als wir uns auf den Weg nach unten machten (immerhin: die Katzen kommen regelmssig brav nach Hause)
Es war dann ein bissche seltsam, weil es eine Misskommunikation zwischen Büro und Besitzerfamilien gegeben hatte und eine von ihnen schon heute aufgekreuzt war, in fester Erwartung, das Haus für sich zu haben und dann waren wir fünf da noch. Aber: wir kamen gut aneinander vorbei (der Hübsche und ich hatten uns das kleinste Schlafzimmmer mit nur einem Doppelbett geschnappt, also mussten wir auch nicht umziehen).
NAch dem Abendessen wurde nochmal die Sauna angeheizt und diesmal haben wir es fotografisch dokumentiert:
Es gibt irgendwann (ich glaube, es war kurz vor 11) sogar sowas wie Sonnenuntergang)
Und dann: warme Dusche, ab ins Bett und mal sehen, wann wir das nächste Mal kayaken. Ich bin ja schom ein bisschen auf den Geschmack gekommen. (und die Pläne und Erlebnisse der anderen Mitkayaker bieten jede Menge Inspiration für die nächsten Jahre. Ich sage nur: Kayaken in Grönland!!!!)
Vielen Dank für diesen tollen Bericht und dafür, dass wir so ein wenig teilnehmen durften.
AntwortenLöschenOh, ich bin so froh, dass du dich nochmal zum Aufschreiben aufgerafft hast - das liest sich so spannend und schön!
AntwortenLöschenIch bin ja nicht so der große Urlaubsbilder-Gucker - aber diese Reise ist echt interessant. Danke fürs mitnehmen!
AntwortenLöschenSo schön, danke! Und das Reel 🤩
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