Was für ein krasser Tag!
Angefangen hat alles ganz normal, aufstehen, Katzen füttern, Frühstück, Kinder aus dem Haus, erste post-Covid-Sportrunde (noch ein bisschen piano, aber es ging gut), Duschen, mit nassen Haaren und noch ungeschminkt an den Schreibtisch setzen (wenn ich von daheim arbeite, lasse ich mir bei Skincare ein bisschen Zeit und lasse alles der Reihe nach einziehen, bis ich mich schminke), und dann höre ich auf einmal einen Rums und einen Schmerzensruf von vor dem Fenster.
Ich schaue also raus und sehe, dass es einen Nachbarn mit dem Fahrrad auf dem Weg langgelegt hat und das Rad richtig verbogen ist und er auf dem Weg eben liegt. Ich bin also ohne nachdenken runter gerast, habe den Hübschen direkt von der Kaffeemaschine mitgenommen und puh.... der arme Kerl hatte solche Schmerzen, dass wir uns nicht trauten, ihn irgendwie zu bewegen und es war klar, dass er allein auf keinen Fall hochkommt oder irgendwas. Und so habe ich zum allerersten Mal in meinem Leben den Notruf gewählt (war mir erst nicht ganz sicher mit der Nummer, weil ja "nur" Krankenwagen und nicht auch noch Polizei nötig, dachte ich, und so habe ich ganz schnell noch gegoogelt, obwohl nach dem Sommerhit 2018 (?) eigentlich die ganze Schweiz wissen sollte, wie man eine Ambulanz ruft.).
Spannend, wie im Telefonat all das, was man seit der Grundschule immer wieder eingebläut bekommen hat, kickte: "Wer, wo, was?" etc. Und wie gut es tut, wenn am anderen Ende jemand sitzt, der ruhig ist und sich auskennt und einem die richtigen Fragen stellt und solche Telefonate mit aufgelösten Menschen schon öfter geführt hat. Allein für die Aussage: "Der Notarzt ist jetzt unterwegs, aber bleiben Sie noch dran, ich habe noch ein paar Fragen und möchte Ihnen in der Zeit, bis sie kommen, helfen" war ich so dankbar!
Dank einer immer noch recht hohen Homeoffice-Quote waren genügend helfende Nachbarn da, um den Verunfallten zu betreuen (er hatte wirklich schlimme Schmerzen, aber wir trauten uns ausser Kissen zur Abstützung und einer sehr leichten, aber warmen Decke und halt da sein und gut zureden nicht viel machen), um an beiden Enden des Weges zu schauen, ob der Krankenwagen kommt (wir wohnen in einer autofreien Zone und je nachdem, von welchem Krankenhaus die Sanitäter kommen, kommen sie entweder von der "normalen" Zufahrtsstrecke oder aber über eine Hinterstrasse direkt von der Autobahn, wo nur Blaulichtorganisationen die Schranken öffnen können. Dazu kommt, dass unser Strassennamen- und Hausnummernsystem für alle, die hier nicht seit 10 Jahren wohnen, überhaupt keinen Sinn ergibt, also haben wir uns an allen strategischen Punkten positioniert. Es kamen dann sowohl Notarzt als auch Ambulanz mit Blaulicht und Martinshorn und puh, war ich froh, als sie da waren. Ausserdem kam auch noch die Kantonspolizei, weil .... sie immer kommen, wenn die Ambulanz gerufen wird (haben sie so gesagt, kann ich mir fast nicht vorstellen, vllt weil ich das Fahrrad erwähnt habe?)
Wie auch immer, alle haben ihren Job gemacht, ich habe von den direkten Nachbarn die Telefonnummer der Ehefrau bekommen (wir sind, hat sich rausgestellt, alle Kollegen) und erst auf die Combox gesprochen und dann mit zittrigen Fingern noch eine SMS geschrieben, weil: wer weiss, ob man Nachrichten einer fremden Telefonnummer auch abhört? Was ich aus diversen Anrufen von Schulen, Kinderkrippen und Pfadilagern gelernt habe: als erstes sagen, wie schlimm es NICHT ist. Nach einiger Zeit konnte ich ihr dann noch schreiben, wo sie ihn hin mitnehmen, meine Daten wurden von der Polizei aufgenommen (Polizeinotizbuch is a thing!), der Unfallort wurde fotografisch dokumentiert (erster offizieller Auftritt unseres wunderbar frisch gestrichenen Hauses mit der schönen Tür), wir haben all unser Zeug und was so liegengeblieben ist wieder vom Weg eingesammelt und puh, das wird mir noch eine Zeitlang nachhängen.
Mittlerweile habe ich von seiner Frau gehört, es war wohl gut, dass wir ihn nicht bewegt haben, ich hätte nicht gedacht, dass man sich mit grad mal bisschen mehr als Schrittgeschwindigkeit so sehr verletzen kann :-(. Ich bin froh, dass er jetzt in guten Händen ist, die mehr tun können, als vorsichtig den Arm streicheln und belanglose Kopf-Hoch-Floskeln von sich geben (wobei ich daran dachte, wie gut mir das getan hat, als der Snowboarder damals genau das getan hat. Einfach nett sein ist hilft auch schon.)
Trotz aller gefühlten Kopflosigkeit denke ich, wir haben das als Nachbarschaft ganz gut gemanaged. Wenn man sich einen Platz für einen Unfall aussuchen könnte, ist unsere Siedlung zwar von der Locatuon her doof, vom Service aber ziemlich gut.
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