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Donnerstag, Dezember 10, 2020

"Damengambit"

 Ich habe jetzt beim Rennen "Damengambit" fertiggeschaut und bin ... naja, nicht wirklich überrascht. Wenn "mein" Internet von einer Serie total kritiklos begeistert ist, werde ich mittlerweile skeptisch und ja, dann hat es eine Serie oder auch ein Buch (Mariana Lekys "Was man von hier aus sehen kann" ist so ein Kandidat, der gedrechselte Poesiealbumeinzelsätzchen zu totaler Belanglosigkeit aneinanderreiht) auch nicht mehr leicht. (Disclaimer: ich kann nicht Schach spielen, mein Vater wollte mir das beibringen, das hat aber ungefähr so gut geklappt wie Skifahren und Schwimmen beibringen, nur dass ich danach dann überhaupt gar keine Lust mehr hatte, das von jemand Fremden zu lernen. Es interessiert mich auch überhaupt nicht, es ist mir einfach egal.)

Also. "Damengambit" kann  man schon schauen, wenn

  • man sich an sehr, sehr stylishen Looks aus den 60ern erfreuen möchte
  • auf einen astreinen dunkelschwarzen Lidstrich über riesigen Bambiaugen steht (die sind sehr, sehr, sehr oft und lang im Bild, man kann das also sehr gut sehen, leider sieht man nicht, wie der Lidstrich da hinkommt, deshalb kann man sich nicht wirklich Technik abschauen)
  • man glauben möchte, dass massiver Beruhigungsmittelmissbrauch seit frühester Jugend überhaupt keine Auswirkung auf die köperliche und geistige Gesundheit hat. Alkoholmissbrauch auch nicht. Auch nicht auf das Aussehen, das ist sehr wichtig.
  • man glauben möchte, dass ein kleines Waisenkind, das vom Hausmeister im Waisenhaus unter Beruhigungsmitteln Schach spielen lernt, ohne jeden Widerstand an die Spitze der Schachwelt marschiert.
  • man gerne glauben möchte, dass die Männer, die sie nur so vom Brett putzt, das alle nicht nur sportlich nehmen, sondern sofort zu ihren grössten Fans werden und sie bedingungslos unterstützen, ihr helfen, sie trainieren und ganz nach oben bringen.
  • man gerne glauben möchte, dass ein Mädchen / eine junge Frau in einer absoluten Männerwelt auch international NIEMALS aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wird, wenn sie ja nun wirklich unglaublich gut ist und das natürlich jeder anerkennt.
  • man wirklich gerne glauben möchte, dass Boulevardmedien diese junge Frau ohne jede Kritik und Häme feiern und ihre Abstürze auf gar keinen Fall zelebrieren.
  • man davon überzeugt ist, dass man, wenn man ein Wunderkind ist, alle seine Weggefährten wie Dreck behandeln kann, das macht denen gar nichts, die helfen einem immer trotzdem, wenn es drauf ankommt.
  • man genug davon hat, dass man immer vor Drogen-, Alkohol-, Tabletten- und jeder anderen Sucht gewarnt wird. Das schadet einem gar nicht, wenn man an seinem absoluten Tief ist, seit Wochen nicht mehr geduscht hat, sich von alter Pizza und Wein und Bier erledigt, sieht man trotzdem immer noch unglaublich gut aus, der Körper ist gestählt, schlank und normschön, höchstens der Lidstrich rutscht unters Auge, das hat aber durchaus auch seinen Charme, und man sollte drauf achten, dass man entweder Lippenstift trägt oder aber die Foundation nicht über die Lippenkontur einarbeitet, sonst sieht das nach 4 Wochen durchsaufen doch ein bisschen blass um die Lippen aus. Und das allerbeste: man kann noch so süchtig sein, wenn man dann beschliesst, dass man aufhört, weil es doch nicht gut ist, dann macht man das einfach. Man muss sich nicht besonders anstrengen, sondern einfach aufhören, das fehlt einem vielleicht ganz kurz, aber ganz schnell merkt man, es geht alles auch ohne, zack, Russen geschlagen, perfekt.
  • Klingt jetzt vielleicht ein bisschen arg harsch, ganz so schlimm ist es nicht. Die Kleider sehen wirklich toll aus und die ganzen dramatischen Schachszenen kann man ganz schnell vorspulen, da passiert nicht viel ausser immer die gleichen Schachfiguren an der Decke und halt dramatische Musik und Bambiaugen. 
Ich glaube, ich werde in der nächsten Zeit mal das Buch lesen, vielleicht ist das ähnlich wie mit "Little Fires Everywhere"

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