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Donnerstag, April 27, 2017

En Guete!

Als ich gestern kurz unschlüssig war, was ich denn bloggen sollte und die Frage auf Twitter stellte (während der eintrudelnden Antworten schrieb ich den gestrigen Post, also hat der nix mit den Themenideen zu tun), kam neben vielen skurrilen Ideen („Eiersalat“? Really?) auch die Frage, welche Speisen wir vor unserem Umzug in die Schweiz noch nicht kannten und jetzt halt schon.
Meine reflexhafte erste Antwort wäre gewesen: „ääääh, nix? So besonders ist das Essen hier auch nicht und Raclette und Käsefondue kannte ich vorher auch schon.“

Dann aber wurden Älplermagronen und Chäschüechli in den Ring geworfen, ich musste an den Sonntagszopf denken und dann wurde mir klar: mein Denkfehler war: nicht das Essen in der Schweiz ist so unspeziell, sondern wir sind schon so lange da, dass wir uns kaum noch an die Zeit erinnern, in der Gerichte wie Fleischvogel, Tessiner Bratwurstschnecke, Fotzelschnitte, Ziebeliwaie etc. böhmische Dörfer für uns waren.

Ich denke, man kann die Schweizer Spezialitäten ganz gut so charaktierisieren: wie in Österreich und Bayern sind die typischen Gerichte darauf ausgelegt, relativ günstig mit dem, was man hat, satt zu machen. Sehr satt. Für sehr, sehr lang. Da ist viel Milch, Sahne, Käse, Butter, Fleisch im Spiel.

Ich will das gar nicht werten, das ist denke ich landesunabhängig mit der klassichen „Hausmacherkost“ fast überall so. Man zelebriert es oder findet „zeitgemässere Interpretationen“ davon. Bevor ich aber zu foodphilosophisch werde, mal Butter bei dei Fische:

Die Standarddinge, die einem zum Thema Schweiz und Essen einfallen, sind natürlich Schokolade und Käse. Ich muss gestehen, ich bin kein besonders grosser Schokoladenfan, aber wenn ich Schokolade esse, dann muss es echt gute sein. In der Schweiz habe ich gelernt, dass es noch mindestens einen Level jenseits von Lindt gibt. Wenn Sie mal in der Schweiz unterwegs sind, denken Sie an Cailler, Sprüngli, Läderach und kleinere lokale Confiserien.

In Sachen Käse fallen einem ja schnell Gruyere, Emmentaler und Appenzeller ein, wobei ich persönlich Emmentaler halt so unglaublich fad finde.... Wir leben hier im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz natürlich im Käsehimmel, da findet sich immer was. Was ich besonders mag, sind neben Käsefondue (klassisch Moitie-Moitie, auf gar keinen Fall das fertige von Gerber, und immer mit Weisswein und Kirsch) der Mont dÔr, aus dem man einen Keil rausschneidet, das Loch mit Weisswein füllt und dann im Ofen schmilzt (und nein, das ist nicht das gleiche wie Ofenkäse) und der Tete de Moine, von dem man mit dem entsprechen den Hobel, der Girolle, die typischen Röschen ab..... dingst. Ach, und Sbrinz in hauchdünnen Rollen!

Die restlichen Gerüchte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) liste ich jetzt einfach mal so auf:


Älplermagronen: das sind Nudeln (bzw Teigwaren, weil Nudeln heissen in der Schweiz nur Bandnudeln), die mit Kartoffelwürfeln in einer Sahnemilchmischung und Käse gegart/überbacken werden. Serviert werden sie klassisch mit Röstzwiebeln und Apfelmus (das ich dankend ablehne, die in der Schweiz aufgewachsenen Kinder können es nur mit Apfelmus essen).

Rösti: der Klassiker aus entweder rohen oder gekochten („Gschwellti“) Kartoffeln, die dann eben geraffelt und gebraten werden (gröber als Reiberdatschi-Raspeln). Es gibt zig Abwandlungen, alle machen unglaublich satt und müde, ich versuche sie also in der Kantine zu vermeiden („Röstipizza“, „Fricktaler Gemüserösti“ etc.....)

Eglifilets:Das sind kleine Fischfilets vom Egli (Flussbarsch), die im Bierteig ausgebacken werden und mit Tartarsauce und entweder Salzkartoffeln oder halt grad Pommes serviert werden. Lecker, aber halt frittiert. (die klassischen Fischstäbchen sind hier eher kürzer und heissen Fischknusperli)


Fotzelschnitten:heissen nur lustig, sind aber eigentlich halt auch nur arme Ritter.


Chässchnittensind mit Weisswein getränkte Brotschnitten, die mit einer Käsemischung überbacken werden (dafür wird auch in der Kantine die Nullpromille-Regel ignoriert).


Fleischvogel ist übrigens nicht, wie ich mal dachte, ein besonders fleischiges Hühnchen (Poulet, Entschuldigung), sondern eine Roulade.

Wähen: Die gibt es sowohl in süss als auch salzig, das Prinzip ist aber das gleiche: man hat einen neutralen Teig (kein Mürbteig, kein Blätterteig, man kann ihn fertig ausgerollt sogar im Supermarkt kaufen, da heisst er „Kuchenteig“), den man in einer runden Form mit entweder Obst (ich liebe sie mit Rhabarber, Aprikosen oder Zwetschgen) oder Gemüse oder eine Käsemischung oder Zwiebeln belegt, dann kommt ein reichhaltiger Guss aus Eiern und Sahne (und oder Milch) drüber, das ganze kommt in den Ofen, fertig. Es ist Quiche-ähnlich, aber halt nicht ganz. Kleine Käsewähen (man sagt übrigens nicht „Wähe“, sondern „Waie“) sind dann „Chäschüechli“, ein unverzichtbarer Bestandteil vom warmen Teil von Aperobuffets (was mei mir dazu führt, dass sie mir praktisch zu den Ohren rauskommen :-)). Wie auch „Wurstweggen“, was nicht schnöde Wurstsemmeln sind, sondern eher Würschtl im Schlafrock, wobei das Würschtl kein Wienerli ist, sondern so eine Art Bratwurscht ohne Haut.


Das war jetzt ja (ohne den Wurscht-Käs—Exkurs) eine wunderbare Überleitung zum Süssen!


DAS klassische Dessert sind vermutlich Vermicelles. Das ist so eine pappsüsse, unglaubich sättigende Maronenmasse, die durch eine Spaghettieeis – Vermicelles-Presse gedrückt wird, so dass es aussieht, wie ein Haufen mattbrauner Würmer. Die werden serviert mit Schlagrahm und zerbröckelten Meringues. Mit der Kombination (und auch den Einzelkomponenten) kann man mich jagen, ich erwähne sie nur der Vollständigkeit halber.


Ansonsten heisst Eis hier Glace (und zwar „die Glace“ und man spricht das „e“ mit). Und das Schweizer Mövenpick ist ein anderes Mövenpick als das deutsch.



Weihnachtsplätzchen sind ja sowieso sehr lokal und ich glaube, auch in Deutschland hat jede Region eigene Sorten.
Die Standard-Plätzchen bzw. „Gutzi“ oder „Guetsli“ oder „Chrömli“ hier sind Mailänderli, Brunsli, Zimtsterne, Chräbeli, Anisbrötli und Totenbeinli (die ich natürlich allein aufgrund des Namens super finde).


Zu den sonstigen „interessanten“ Lebensmitteln gehören neben dem von Hans Rudolf Merz unsterblich gemachten Bündnerfleisch (lecker) natürlich Rivella, ein Getränk auf der Basis von Milchserum (aus den Zeiten, wo echt nix weggeschmissen wurde), mittlerweile gibt es neben dem klassischen Rivella rot nicht nur blau (zuckerfrei) und grün (mit Grüntee) und gelb (Sojairgendwas), sondern auch abenteuerliche Dinge wie Rhabarber und Pfirsich und sowas. Vom Geschmack her ein bissche säuerlich, erinnert an Bionade, an Almdudler und gehört hier so so sehr zum Standard, dass man zB im Krankenhaus nur zwischen Wasser und Rivella als Getränk zum Essen wählen kann.


Am Anfang verwunderlich fand ich, dass Pferd als Fleischsorte überall ganz normal verfügbar ist, wie man in D SchweinRindhühnchen kennt.



Was ich in der Schweiz übrigens bisher noch nicht gefunden habe (aber ich habe seit ungefähr 10 Jahre auch nicht mehr gesucht, weil ich nach dem letzten Schweinebratennotfall die Knödel halt immer in Deutschland besorge), sind ... Knödel. Und gescheites Bier (also: in der Schweiz gebrautes. Die internationalen, auch bayerischen Standardsorten kriegt man hier natürlich schon). Aber da spricht natürlich mein bayerisch geprägter Gaumen, das mögen andere Leute anders sehen.

So, jetzt habe ich Hunger :-).

10 Kommentare:

  1. Ich merke, ich bin mit viel Betty Bossi (meine Mutter) und Schweizer Nachbarn groß geworden :-)

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  2. Naja, mit den Basler Kleinbrauereien wird's langsam besser, aber Weizen können sie halt nicht

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  3. Lindt / Sprüngli - ist das nicht heute eine Firma, nämlich Lindt & Sprüngli?

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    1. nein, das war ein bruder https://www.spruengli.ch/cms/de/spruengli-welt/geschichte/

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  4. Interessante Sachen, dir es da gibt 😄
    Bei Knödeln stellt sich mir die Frage, Knödel (hier [Dresdner ecke] länglich, werden in Scheiben geschnitten gedämpft ->böhmische Knödel) oder Klöße (aus Kartoffelteig, im Wasser gekocht)... Zu Schweinebraten gäbe es bei mir eher Klöße.
    Aber die heißen regional sehr uterschiedlich hab ich festgestell

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  5. Suchst du fertige Knödel? Will man das? :)
    Knödel sind halt wirklich nicht sehr schweizerisch. Aber stimmt, ich glaube die sehe ich auch immer nur in Deutschland.

    Sehr spannend zu sehen was Nicht-Schweizer die nicht hier aufgewachsen sind, als typisches schweizer Essen betrachten :). Aber du hast eine sehr ansprechende Liste zusammengestellt, da kommt mir spontan auch nichts in den Sinn das unbedingt noch erwähnt werden müsste :). Ich mag übrigens auch keine Vermicelles... bääh. Aber Meringues mit Rahm schon ;).

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  6. Zum Thema "Knödel" - ich kenne das (aus Sachsen/Thüringen) auch so, wie es "g" schreibt, allerdings wohne ich ja nun schon lange nicht mehr dort und sowohl im Westen (NRW) als auch im Norden begegnen mir Klöße (oder das, was man hier dafür hält) immer wieder unter dem Begriff Knödel. Und zum Schweinebraten o.ä. gäbe es hier auch Klöße.

    Inzwischen verwendet sogar meine thüringische Verwandschaft zwar nicht fertige Klöße, aber immerhin fertigen Kloßteig aus dem Kühlregal. Wir als Ausgewanderte wählen den traditionellen Weg: WENN es bei uns mal Klöße gibt, dann auch selbstgemacht. (Wegen der damit verbundenen Arbeit und dem Zeitbedarf ist das aber auch nur an Feiertagen der Fall.)

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  7. Hm, also was ich am Anfang immer sehr speziell fand war dieser totale Hype um die Cervelat (kannte ich aus D gar nicht, ich esse allerdings auch schon ewig kein Fleisch mehr ;-)).

    Zu den Bieren: ich mag Chopfab oder Turbinenbräu mittlerweile sehr gern, und ganz grossartig ist Amboss Bier.

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  8. Hier in der Ostschweiz ist das Bier aus der Brauerei Locher wirklich gut - sogar das Weizen. Appenzeller Bier ist wirklich fein (auch schon eingeschweizt ...). Hier gibt es noch den Hype um die St. Galler Kalbsbratwurst und den Schüblig ... nunja ... aber Wurstsorten gibt es in D natürlich auch ohne Ende.

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  9. Nicht zu vergessen: Darvida! Die Allzweckwaffe, das tolerierte Lebensmittel für alle Gelegenheiten! :-)

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