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Sonntag, August 23, 2015

Was tun? Was tun! #bloggerfuerfluechtlinge

Ich muss gestehen, hier im Schweizer Speckgürtel bekommt man (oder nur ich? Schaue ich nicht richtig?) von den aktuellen Flüchtlingsdramen erstaunlich wenig hautnah mit.
Über meine Twittertimeline, Nachrichten und erschütternde Blogeinträge wie diesen hier wird die dramatische Situation mit allen hässlichen Nebenwirkungen aber doch auch in die scheinbar heile Welt hier gespült.

Letztens hat ein ein Exkollege beim Essen ausgeholt und erklärt, dass Deutschland schon sehen würde, was sie sich damit einfangen, dass sie alle reinlassen, die nur ankämen und mal ehrlich, wie schwer wäre es denn, ein paar km übers Mittelmeer zu paddeln oder 3km über die türkische Grenze zu wandern, die sollen sich alle mal nicht so haben.
Ich habe einmal kurz die Augen geschlossen, den Kopf geschüttelt und gefragt, ob er sich eigentlich zuhört, was er da von sich gibt. Ob er glaubt, dass Familien sich auf die ungewisse und gefährliche Flucht ins Ungewisse machen, alles hinter sich lassen, riskieren, von ihren Eltern, Kindern und Verwandten für immer getrennt zu werden, ihr Leben riskieren, und all das nur, weil sie zu Hause die Krankenkasse nicht die Zahnspangenfarbe auswählen lässt? Oder ob er sich in seinem sicheren Schweizer Eigenheim vielleicht nicht vorstellen kann, dass es gravierendere Probleme gibt, als die Nachbarn, die ihre Hecke nicht ordnungsgemäss stutzen?
Ich hatte ja ein bisschen befürchtet, mit dieser Meinung die einzige an de recht konservativ besetzten Tisch zu sein (nicht, dass das was an meiner Haltung geändert hätte), und insofern war es dann, so schockierend die auslösenden Stamtischparolen waren, doch gewissermassen beruhigend, dass die anderen Stimmen ähnlich wie meine klangen.

Ich habe heute lange mit meiner Mutter telefoniert, unter anderem nachgefragt, wie die Situation in meinem bayerischen Heimatdorf ist (klein, eigenbrötlerisch, konservativ, wer kürzer als 15 Generationen dort lebt, ist immer noch neu): es kommen demnächst 16 Syrer, die in Reihenhäusern etwas ausserhalb untergebracht werden. Es haben sich schon über 30 Freiwillige zur Unterstützung gemeldet und die Hauptsorge meiner Mutter ist, wie weit die Kinder von dort zur Schule laufen müssen und dass die Häuser nicht sonderlich gut gegen den Lärm der nahen Bundesstrasse geschützt sind. (Von meiner Schwiegermutter weiss ich, dass sie schon lange bei sich im Dorf ehrenamtlich Deutschunterricht für Flüchtlinge gibt, was ich ganz ganz grossartig finde.)
Dann habe ich noch nachgefragt, wie das damals genau war, als meine Grosseltern aus dem Böhmerwald geflüchtet sind/vertrieben wurden, wie sie damals untergebracht wurden, was zwischen den dramatischen, beim Kaffeetrinken immer wieder erzählten Geschichten vom Schmuggeln über die Grenze und dem Ansiedeln in den Häusern, die der Papierfabrikbesitzer extra für die Flüchtlinge aus dem Osten bauen liess, passiert ist. Leider sind die meisten Unterlagen und Fotos mittlerweile verschwunden, meine Grosseltern leben schon lange nicht mehr und ich möchte, dass ich meinen Kindern weitergeben kann, dass ihre Vorfahren damals als arme Flüchtlinge kamen und auf Unterstützung angewiesen waren.

Der Aufruf von Stevan Paul und Bloggerkollegen zur Aktion #bloggerfuerfluechtlinge hat mich heute dann den ganzen Tag beschäftigt. Als Übersprungshandlung habe ich für "Ärzte ohne Grenzen" gespendet, die im Mittelmeer, in Syrien, im Libanon und ganz aktuell an der mazedonischen Grenze Flüchtlingen helfen. Dann sind mir die Kisten mit ausgemusterten Spielsachen ("Hmmm, könnten wir vielleicht mal in den Kindergarten bringen") und zu klein gewordenen Kleidern und Schuhen auf dem Speicher eingefallen und mein Kleiderschrank, der überquillt und einiges an "absolut in Ordnung, aber ich ziehe es nicht an" beinhaltet, eingefallen und ich habe mich auf die Suche nach lokalen Möglichkeiten für Sachspenden gemacht. Erstaunlicherweise finde ich für die Schweiz keine Möglichkeiten, eben solche Sachspenden loszuwerden, vielleicht stelle ich mich auch nur doof an, aber das ist ja das praktische hier im Dreiländereck: mit einem kleinen Umweg fahre ich über Deutschland von der Arbeit nach Hause und so werde ich morgen mal beim "Freundeskreis Asyl" in Lörrach anfragen, ob sie damit etwas anfangen können und wie ich sonst helfen kann.

Also: wem es ähnlich geht, wer auch nicht nur tatenlos zusehen möchte: tut was! Und wenn es "nur" eine Spende an eine helfende Organisation wie zB den Verein "Moabit hilft" ist, das geht vom Sofa aus und ist besser als nix. Denke ich.

3 Kommentare:

  1. Da schreibst du mir aus der Seele, mich beschäftigt das Thema auch sehr.
    Wir wohnen hier auf dem Land in einem 3000-Seelen-Dorf in Rheinland-Pfalz und bei uns im Ort wohnen mehrere Flüchtlingsfamilien.
    Die fallen hier natürlich sehr auf, aber leider sprechen die in meiner Nähe kein Deutsch (wie auch?) und leider leider auch kein Englisch.
    Somit ist ausser freundlichem Kopfnicken keine KOmmunikation möglich.
    So schade!! Aber sicher kann jeder etwas tun, und bestimmt findest du eine Stelle für die Sachspenden. Bei uns nimmt das Rote Kreuz die Kleidung an und gibt diese an die Flüchtlinge weiter. Da habe ich auch schon ein paar Säcke hingebracht, und unsere Schränke sind immernoch voll. Dafür schäme ich mich. Uns geht es so gut!
    Lese deinen Blog ganz regelmäßig, er gefällt mir sehr!
    Liebe Grüße,
    Eleonore

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  2. Ich hätte da noch was, was für dich vielleicht was wäre: Für Flüchtlingskinder die in die Schweiz kommen (eine ursprünglich aargauische Idee die nun fast in der ganzen Schweiz läuft und sogar schon ins Ausland expandiert hat): http://minidecki.blogspot.ch/

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  3. Mir geht's genauso, und ich würde mich sehr gerne anschliessen, falls sich in Lörrach eine Möglichkeit bietet für Sachspenden.
    Liebe Grüsse aus Basel! Sabine

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